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Brasilien, BRICS+ und historische Veränderungen | Von Jochen Mitschka

Published On: 17. November 2022 16:39

Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.

Nachdem auch wichtige Unterstützer von Bolsonaro und sogar die USA den Wahlausgang in Brasilien akzeptierten, wurden die Massenproteste der von Bolsonaro durch sein Schweigen angestachelten Anhänger langsam abgeschwächt. Der Militärputsch ist vorerst ausgeblieben. Daher nun hier eine tiefergehende Analyse dieser so wichtigen Wahl für BRICS+, den Multipolarismus und eine mögliche Verhinderung von Krieg. Sollten die 12 Länder, welche von Russland als Antragsteller für BRICS genannt wurden, angenommen werden, könnte sich eine Gruppe bilden, die ein 30% größeres BIP als die USA haben, mehr als 50% der Weltbevölkerung repräsentieren und ca. 60% der Weltgasreserven ihr Eigen nennen (5). Aber auch in den USA beginnt ein Umdenken.

US-Hegmonie hinterfragt

Zunächst zu einem Artikel in Foreign Affairs (8) in dem zwei der angeblich angesehensten US-Wissenschaftler von Harvard, Stephen Walt und Dani Rodrik gefordert haben, dass die USA eine neue und bessere, eine multipolare Weltordnung akzeptieren solle. Damit formiert sich endlich in den USA der Widerstand.

Sie schreiben, dass der “bestehende, westlich orientierte Ansatz [zur Bewältigung] der vielen Kräfte, die die internationalen Machtbeziehungen bestimmen”, “nicht mehr angemessen” sei. Daher sollte eine andere Ordnung geschaffen werden, die “nicht-westliche Mächte berücksichtigt und eine größere Vielfalt toleriert”. Diese neue Ordnung würde vermeiden, “weitere Konflikte” hervorzurufen, und zu mehr Stabilität führen. Denn die Ursache für Instabilität liege darin, “wirtschaftliche und geopolitische Dominanz zum obersten Ziel zu machen“. Das Erreichen dieser stabileren multipolaren Weltordnung sei “nicht so schwer ist, wie es klingen mag” und sie schlagen “einen einfachen, vierteiligen Rahmen vor, um die Beziehungen zwischen den Großmächten zu lenken.” (Diese Punkte findet man in der Anlage 9).

Nun aber zu

Brasilien

Nach dem knappen Wahlausgang in Brasilien, aus dem einer Gründer von BRICS und ehemalige Präsident des Landes, der durch einen Justizputsch zeitweise unter falschen Anschuldigungen im Gefängnis saß, Luiz Inacio Lula da Silva, als Sieger hervorgegangen war, blieb der unterlegene rechte Jair Bolsonaro schweigsam, gestand seine Niederlage nicht ein. Dadurch waren seine teilweise rechtsextremen Anhänger darin bestärkt worden, Wahlfälschung zu behaupten und über mehrere Tage mit der Blockade von wichtigen Verkehrsadern, das Land an den Rand des Verkehrszusammenbruchs zu bringen. Aber ihr Ruf nach einem Militärputsch blieb glücklicherweise unerhört. Sicher auch, weil schließlich auch die USA das Wahlergebnis anerkannt hatten. Ein Militärputsch ohne die Unterstützung der US-Regierung wäre wenig aussichtsreich gewesen.

Erstaunlicherweise erfuhr Lula Unterstützung aus den unterschiedlichsten, und teilweise gegnerisch eingestellten Kreisen der Welt. Entscheidend aber für seinen Sieg war sicher Lulas Fähigkeit im eigenen Land Bündnisse zusammen zu binden. Und so wird seine Wahl sowohl von Linken, der Mitte aber auch von liberalen Rechten Brasiliens begrüßt. Lula hatte in seiner ersten Rede nach der Bestätigung seines Sieges durch das Oberste Wahlgericht deutlich gemacht, dass es nicht um eine linke Ideologie gehe, sondern darum, einen bestmöglichen Konsens für das Land zu finden.

Nicht nur ein ehemaliger Gefängnisaufseher war durch den Charakter von Lula so überzeugt, dass er heute zu einem wichtigen persönlichen Sicherheitsbeamten wurde, sondern auch 10 unterschiedliche Parteien hatten Lula bei der Wahl unterstützt. Auch die beiden Präsidentschaftskandidaten, die an 3. und 4. Stelle abgeschnitten hatten, riefen dazu auf, Lula bei der Stichwahl zu unterstützen.

Rita Freire hat im Middle East Monitor (1) allerdings darauf hingewiesen, dass der neue Präsident es nicht leicht haben wird. Der künftige Kongress werde eine Oppositionsmehrheit haben – die Wähler haben mehrere rechtsextreme Ex-Minister in den Senat gewählt. Lula stehe vor einer Prüfung, die ihn an die Grenzen seiner Fähigkeiten zum politischen Dialog bringt. Die frühere Präsidentin Dilma Rousseff, die 2014 mit knapper Mehrheit gewählt wurde, habe sich mit der Aufwiegelung durch Parteien konfrontiert gesehen, die bei den Präsidentschaftswahlen unterlegen waren, im Kongress jedoch siegreich. Lula hingegen verfüge über diplomatisches Geschick, das allen seinen Anhängern Hoffnung macht.

Nun muss man einwerfen, dass das politische System Brasiliens wesentlich weniger destruktiv in Blöcken arbeitet, und in der Vergangenheit auch Abgeordnete der Opposition immer wieder für Lulas Politik gestimmt hatten.

Freire erklärt, dass Lulas Glaubwürdigkeit als Staatsmann im Ausland erstaunlich sei. Celso Amorim, Lulas ehemaliger Außenminister und prominenter Berater, habe in einem Interview gesagt, Staatsoberhäupter aus der ganzen Welt hätten fast ohne Unterbrechung angerufen, um Lula zum Sieg zu gratulieren. Nun sei Brasilien wieder zu einer führenden Kraft in der globalen Arena geworden.

Die Autorin wies darauf hin, dass die Medien berichtet hatten, wie die Länder der Welt Lula gratulierten, offensichtlich einerseits, um Bolsonaro davon abzuhalten, seine angekündigte Nichtanerkennung der Wahl wahrzumachen, andererseits um sich guter Beziehungen zu einem der wichtigsten BRICS-Länder zu sichern.

„Der frustrierte Bolsonaro – der erste Präsident der Neuen Republik, der nicht wiedergewählt wurde – versteckte sich im Präsidentenpalast, ohne den Sieg seines Gegners anzuerkennen, während aus allen Ecken der Welt ein Sturm des Lobes kam, in der Hoffnung auf viel bessere Beziehungen zu Lula.“ (1)

Natürlich waren insbesondere die um Selbständigkeit ringenden lateinamerikanischen Länder voller Freude über den Sieg, ebenso wie die Karibikstaaten. In der EU war Joseph Borrell, der die Außenpolitik des Bündnisses vertritt, unter den Gratulanten. Ebenso wie Justin Trudeau, der kanadische Premier. Was wiederum Stimmen in den sozialen Medien laut werden ließen, welche darauf hinwiesen, dass Lula an Sitzungen des WEF teilgenommen hatte. Was meiner Meinung nach aber nicht bedeutet, dass Lula Teil des „Great Reset“ im Sinne des Finanzkapitalismus sein will.

Interessanterweise haben sowohl die Ukraine als auch Russland Lulas Wahl gelobt. Was auf seine Vermittlerfunktion hindeutet, die schon zum Abschluss des JCPOA mit dem Iran geführt hatte. Einem Vertrag, der für viele Jahre hätte Ruhe in die Region bringen können, wäre er nicht durch Trump gebrochen worden, indem er sich, ohne auf die Ausstiegsbedingungen des Vertrages Rücksicht zu nehmen, daraus zurückzog. Dies obwohl die Vereinbarung durch den Sicherheitsrat zu einem Völkerrechtsvertrag hochgestuft worden war.

Natürlich war die Wahl Lulas, der die Besatzung Palästinas verurteilt, von den Menschen dort mit Begeisterung aufgenommen worden. Rita Freire weist darauf hin, dass die israelische Zeitung The Jerusalem Post den Verlust eines Freundes in Brasilien beklagte. Die enge Freundschaft zwischen Tel Aviv und Bolsonaro habe sich in seiner First Lady widergespiegelt, da Michelle Bolsonaro bei den Wahlen ein T-Shirt mit einer israelischen Flagge getragen habe.

Interessanterweise wurde Lula aber vom israelischen Präsidenten Isaac Herzog gelobt, der an den Besuch des ehemaligen Präsidenten in dem zionistischen Land erinnerte. Allerdings:

„Die israelischen Medien hingegen äußerten ihren Groll und zählten zahlreiche Situationen auf, in denen Lula das palästinensische Volk begünstigt hatte. Die Presse vergaß nie, dass Lula sich weigerte, Blumen zum Grab von Theodor Herzl zu bringen, dem Gründervater des Zionismus, dem ideologischen Projekt der ethnischen Säuberung, das den Staat Israel schaffen sollte. Stattdessen besuchte Lula das Mausoleum von Jassir Arafat.“ (1)

Absolute Kehrtwende in der Israel-Politik

In der Vergangenheit hatte Brasilien, wie die EU, eine Zweistaatenlösung für Palästina gefordert. Israel wurde zwar in den Grenzen von 1967 als Staat anerkannt, aber die Besatzung Palästinas nie akzeptiert, sondern alle politischen Führungen des Landes hatten sich für die Rechte der Palästinenser eingesetzt.

Bis Bolsonaro an die Macht kam. Seine rechtsextreme Regierung stellte sich bedingungslos hinter die zionistische Besatzung, noch bedingungsloser wie es die deutsche Regierung tut. Bolsonaro wollte sogar die Botschaft, wie die USA unter Trump, völkerrechtswidrig von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen. Aber dieser „regelbasierte“ Schwenk scheiterte am massiven Widerstand der Wirtschaft, welche drastische Einbußen der Exporte in arabische Länder befürchtete.

Neben Lula gibt es einen weiteren Politiker in seinem Umfeld, der international größte Hochachtung genießt. Celso Luiz Nunes Amorim, der von Foreign Policy 2009 „Weltbester Außenminister“ genannt worden war, wird vermutlich nicht mehr selbst Außenminister werden, aber spielt im Team von Lula eine große Rolle.

In dem o.g. Artikel wird eine Rede Lulas zitiert, welche symptomatisch für den bevorstehenden Politikwechsel anzusehen ist. Lesen Sie diese im Anhang. (2)

Der Putsch

Seit 2005 hatte die Rechte Brasiliens eine Hasskampagne losgetreten, die schließlich zu der illegalen Verhaftung Lulas führte, und zu einem Amtsenthebungsverfahren gegen seine Nachfolgerin Rouseff, natürlich auch unter falschen Anschuldigungen. Worauf Bolsonaro die darauf folgende Wahl gewann. Ein erfolgreicher Justizputsch, der aber von mutigen investigativen Journalisten und Whistleblowern schließlich aufgedeckt worden war.

Letzteres hatte aber dazu geführt, dass Rechtsextreme noch extremer auf den Straßen aktiv wurden. Möglich war die Straßen-Blockade, weil die Polizeibehörde, die für diese Straßen bzw. Autobahnen zuständig war, in Lula freundlichen Wahlbezirken illegale Methoden eingesetzt hatte. Dabei allerdings durch Videoaufnahmen entlarvt worden war.

Um zu erklären, warum ausgerechnet die Lastwagenfahrer nach der Wahl begonnen hatten, Straßensperren zu erreichten, sollte man wissen, dass Bolsonaro mehr als 10 Milliarden US-Dollar in den Verkehrssektor investiert hatte, um seine Wiederwahl zu ermöglichen. So gab er den selbständigen LKW-Fahrern monatlich 1.000 brasilianische Rial als Zuschuss zu den durch die Inflation steigenden Treibstoffkosten. Und weniger als zwei Wochen vor der Wahl hatte Bolsonaro angekündigt, alle Raten bis zum Jahresende im Voraus zahlen zu wollen.

Ab dem 31. Oktober drohte die Regierung dann doch härtere Maßnahmen gegen Beamte und Kommandeure der Bundes- und Landespolizei an, die an diesen Aktionen beteiligt waren.

Der Aufruf der Demonstranten zum gewaltsamen Putsch war insofern besonders gefährlich, da Bolsonaro den Verkauf von Waffen freigegeben hatte, und die Verkäufe an Zivilbevölkerung und Milizen so stark war, dass sie sogar die Bewaffnung von Militär und Polizei zusammen überboten wie Rita Freire berichtet. Außerdem hatte Bolsonaro angeordnet, dass die Armee, also ausgerechnet jene Organisation, die bereits Militärputsche zu verantworten hatte, für die Bewertung der Sicherheit und Effektivität der Wahlmaschinen zuständig sein sollte. Deshalb hatten viele Menschen den Atem angehalten, bis die Armee schließlich die Korrektheit des Wahlausgangs bestätigt hatte.

Hunger und Not unter Bolsonaro

Hatte die Armut unter Lula abgenommen, waren nach dem Antritt Bolsonaros wieder Millionen von Arbeitern mit dem Kampf gegen den Hunger beschäftigt.

„Das brasilianische Forschungsnetzwerk für Lebensmittel- und Ernährungssouveränität und -Sicherheit (Rede Penssan) unterstrich, dass mehr als 33 Millionen Menschen ohne Zugang zu Grundnahrungsmitteln leben.“ (1)

Die Arbeitslosigkeit in Brasilen stieg unter Bolsonaro auf 14%. Nur durch Stimmenkaufmaßnahmen kurz vor den Wahlen war die Not vieler Arbeitnehmer leicht zurückgegangen, erklärt die Autorin des oben genannten Artikels. Hinzu komme, dass Bolsonaro die Kopplung des Mindestlohns an die Inflation aufgehoben hatte, was zu Lohnsteigerungen führte, welche die Inflation nie ausgleichen konnten, und nicht nur die Ausbeutung der Ärmsten noch dramatischer machte, sondern andererseits auch die Kaufkraft schwächte.

Bolsonaros Verzögerungen bei der Umsetzung von Corona-Maßnahmen hatte nichts mit Menschenfreundlichkeit zu tun, sondern war alleine der Macht von Wählergruppen zuzurechnen, welche Verluste befürchteten.

„Im Gesundheitssektor genehmigte Bolsonaro die Streichung von 22.400 Stellen, darunter 10.600 Gemeindebedienstete, bis Ende 2019. Der rechtsextreme Präsident änderte die Regeln für die Überweisung von Geldern an das Einheitliche Gesundheitssystem (SUS) und verlangte ein neues System der Benutzerregistrierung, um die den Gemeinden zugewiesenen Beträge zu kürzen – die für die Betreuung eines großen Teils der Bevölkerung verwendet werden, der oft ignoriert wird.“ (1)

Kurz vor der Wahl hatte Bolsonaro noch versucht, die hungernde Bevölkerung durch eine zeitlich beschränkte Hilfe und andere Maßnahmen auf seine Seite zu ziehen. Aber sie dürften nicht vergessen haben, dass es Bolsonaro war, der sie erst in ihre missliche Lage gebracht hatte. Hinzu kam, dass er viele lebensnotwendige Leistungen nur als Kredite mit hohen Zinsen vergab, welche die verarmten Massen in noch größere Nöte trieb.

„Im Juli billigte der Kongress eine Verfassungsänderung, die es der Regierung erlaubt, während des Wahlkampfs 41,25 Mrd. R$ an Mitteln für Sozialprogramme und Renten aufzubringen. Bei der Festlegung der Zahlungen hat die Regierung absolute Freiheit.“ (1)

Bolsonaro habe auch eine Veränderung eingeführt, welche Korruption quasi institutionalisierte, berichtet ebenfalls Rita Freire. Zumindest aber die Intransparenz von Geldflüssen aus den Regierungsbudgets drastisch erhöhte. Dadurch konnten Abgeordnete Mittel direkt vom Staat in ihre Bezirke überweisen. Deshalb, so die Kritik, gab es keinen Überblick mehr darüber, wie, von wem und wo das Geld verwendet wurde. Kritiker erklären, dass hierdurch lediglich die „Überzeugung“ von Abgeordneten unterstützt werden soll, „richtig“ abzustimmen.

Umwelt

Während die Regierung unter Lula die Abholzung des Regenwaldes um 80% reduzierte, hatte Bolsonaro sie wieder um 70% erhöht, und sie über Jahre gefördert. Dabei geht es nicht nur um das Klima, sondern vielleicht noch stärker um die Erhaltung von Artenvielfalt und den Schutz indigener Rechte.

„Einer der Rückschläge war der Gesetzesentwurf Nr. 2633/2020, bekannt als ‚Land Grabbing Bill‘, der die Inspektionen auf mittelgroßen ländlichen Grundstücken abschafft und es den Invasoren ermöglicht, ihr Eigentum an enteigneten Ländereien von indigenen Ländern und afrobrasilianischen Siedlungen, den Quilombolas, zu ‚legalisieren‘.“ (1)

Der Umweltschutz sei eines der Wahlkampfversprechen Lulas, schreibt die Autorin des erwähnten Artikels, ein Versprechen, das er in seiner Siegesrede am 30. Oktober mit Nachdruck bekräftigte. (4)

Finanzprobleme

Der brasilianische Bundeshaushalt ist durch eine gesetzliche Ausgabenobergrenze seit 2016 beschränkt. Lula braucht aber Geld, um seine Sozialprogramme zu finanzieren. Unter Bolsonaro waren die Ausgaben für Gesundheit und Bildung auf historische Tiefen gesunken.

Die Rechnung gehe nach Medienberichten nicht auf, erklärt Freire. Der Bolsonaro-Regierung fehle am Jahresende ein Defizit von umgerechnet über 1 Milliarde Euro. Und das während auf den Straßen die Zahl hungernder Menschen zunimmt, und die Armut Rekordhöhen erreicht.

Durch das wachsende Elend sei auch die Zahl der Morde, Vergewaltigungen und Ermordungen von Frauen im Familienkreis drastisch angestiegen. Dutzende von kriminellen Gangs seien nun im ganzen Land aktiv geworden. Das in Verbindung mit der Bewaffnung der Bevölkerung durch Bolsonaro wird vielleicht die gefährlichste Herausforderung für Lula werden.

Modell Brasilien

Besonders die Entwicklungsländer schauen nun sehr aufmerksam nach Brasilien. Scheitert Brasilien, wird eine BRICS-Teilnahme weniger attraktiv. Ist Brasilien in der Lage, die Armut ähnlich zu bekämpfen, wie es China gelang, den Wohlstand des Landes gerechter zu verteilen, als dies unter Bolsonaro möglich war, werden nicht nur die in Medien genannten 12 Länder, die an BRICS interessiert sein sollen, Anträge auf Mitgliedschaft stellen.

Historische Ereignisse

Ein weiteres historisches Ereignis findet in Kürze statt, und vermutlich wird wenig darüber in westlichen Medien zu finden sein. Der chinesische Präsident Xi Jinping plant seinen zweiten Staatsbesuch in Saudi-Arabien. Er soll US-Medien zufolge Anfang Dezember stattfinden.

Die USA und ihre Vasallen in Europa hatten in der Vergangenheit „den Markt“ für die Preisfindung von Öl und Gas immer wieder in den Vordergrund gehoben. Man kann nur spekulieren, dass dies der Macht der Finanzspekulanten zufolge die gewählte Politik war. Nun stehen die Staaten vor den Trümmern ihrer Wirtschaft wegen unglaublicher Spekulationsgewinne „des (Finanz)Marktes“. Dem gegenüber waren sowohl OPEC als auch Russland immer wieder der Meinung gewesen, dass langfristige Verträge sowohl für Lieferanten als auch Beziehern der Energie Planungssicherheit geben und damit wirtschaftsfördernd wirken würde.

China hat sich schon länger dieser Meinung angeschlossen und steht kurz vor der Realisierung riesiger langfristige Lieferverträge mit Saudi-Arabien. Daraus erkennbar sind die dramatischen Verschiebungen in der Geopolitik. Die Vision einer multipolaren Welt wird endlich deutlich vorangetrieben, nachdem sie über Jahre ein Schattendasein gefristet hatte. Eine Ordnung, die auf gegenseitigem Respekt und einer Win-Win-Situation basiert. Dies im Gegensatz zur unipolaren Weltordnung, die alleine von den Interessen des Hegemons, bzw. der seine Politik bestimmenden Kreise, bestimmt wird. Der indische Ex-Diplomat M. K. Bhadrakumar schreibt, dass nach den gerade erfolgten Kongresswahlen der Streit über die Beteiligung am Ukraine Krieg zunehmen dürfte. (3)

Während in den USA Medien bereits darüber spekulieren, wie groß die Gefahr eines zweiten US-Bürgerkrieges ist, sehen laut Bhadrakumar sowohl China als auch Saudi-Arabien, dass sich das Imperium immer stärker aus Westasien zurückziehen wird.

Ein wichtiges Gesprächsthema bei Xis Besuch in Saudi-Arabien werde die außenpolitische “Look East“-Strategie des Landes sein, die den Rückzug der USA spätestens seit Mitte des letzten Jahrzehnts vorweggenommen habe. Zweifellos habe Peking die Verschlechterung der Beziehungen zwischen den USA und Saudi-Arabien genau beobachtet. Und es sei Peking nicht entgangen, dass die Saudis in letzter Zeit inmitten der Spannungen zwischen Kronprinz Mohammed bin Salman und Biden eine Energiekooperation mit China anstrebten.

Der Autor weist auf Treffen hoher Diplomaten der beiden Länder hin, und dass es insbesondere um den Ölmarkt ging, und dass die langfristige und stabile Versorgung einerseits und Lieferungsmöglichkeit andererseits, Vorrang habe.

Der Exdiplomat stellt fest, dass dies mehr oder weniger das sei, was die OPEC Plus (russisch-saudische Ölallianz) immer wieder sagt. Aber natürlich werde auch über Investitionen im Rahmen der chinesischen „Belt and Road“ Vision diskutiert. Außerdem wolle China Saudi-Arabien helfen, die friedliche Nutzung der Kernenergie auszubauen.

Zweifellos sei durch die Treffen ein Signal an die USA verbunden. Und Saudi-Arabien versuche, die einseitige Abhängigkeit von den USA durch eine souveräne und eigenständige Außen- und Entwicklungspolitik zu ersetzen.

Während die Politik der USA droht, jederzeit ihre „wertebasierte“ Politik gegen frühere Freunde einzusetzen, sehen die meisten Länder in der absoluten Nichteinmischungspolitik der Vergangenheit, die Chinas Markenzeichen ist, verlässlichere Zukunftsperspektiven.

Neben den immer stärker werdenden Verbindungen zu China, unterhält Saudi-Arabien auch engere Beziehungen zu Russland. Mit einem Bein in der Shanghai Cooperation Organisation, allerdings noch nur mit Beobachterstatus, strebt Saudi-Arabien auch eine BRICS-Mitgliedschaft an. Und trifft dann dort auf den bisherigen Erzfeind Iran. Dramatischer können politische Entwicklungen derzeit kaum sein.

Allerdings weist Bhadrakumar darauf hin, dass das saudische Bestreben, die strategische Autonomie zu stärken, so lange gefährdet bleibe, wie der Petrodollar das Land an das westliche Bankensystem binde. Daher müsse Saudi-Arabien eine wichtige Entscheidung darüber treffen, ob seine 1971 eingegangene Verpflichtung, den amerikanischen Dollar als “Weltwährung” zu etablieren (und damit das Gold zu ersetzen), und seine Entschlossenheit, für den Ölhandel ausschließlich Dollars zu verwenden, weiterhin gültig sein soll. Letztlich habe dies den aufeinander folgenden US-Regierungen im letzten halben Jahrhundert ermöglicht, nach Belieben Papiergeld zu drucken, es durch Geldwäsche zu vermehren und schließlich den Dollar als mächtigstes Instrument zur Durchsetzung der amerikanischen Hegemonie auf der ganzen Welt einzusetzen.

Nun habe das Wall Street Journal bereits darauf hingewiesen, dass zwischen Saudi-Arabien und China bereits Verträge im Gespräch seien, welche auf dem chinesischen Yuan als Zahlungsmittel basierten. Bhadrakumar ist der Meinung, dass es heute wahrscheinlicher denn je sei, dass Saudi-Arabien seinen bisherigen Dollarkurs ändern wird, und immer größer werdende Mengen in anderen Währungen fakturiert. Was den tektonischen Machtverschiebungen dann noch einen größeren Ruck verpassen dürfte.

Bemerkung

Vielen Dank für Kommentare, auf die ich im Anhang eingehe. Während in Deutschland und der EU die Aussichten immer düsterer werden, hören Sie am nächsten Donnerstag an dieser Stelle wieder etwas über die Entwicklung in jenen Teilen der Welt, die bisher im Schatten standen, und nun langsam Licht am Ende des kolonialen Tunnels sehen.

Quellen

(1) https://www.middleeastmonitor.com/20221109-brazil-with-lula-2022-democracy-defeats-the-menace-of-fascism/

(2) „Meine Freunde, auf meinen internationalen Reisen und bei meinen Treffen mit führenden Politikern aus vielen Ländern höre ich immer wieder, dass die Welt Brasilien vermisst. Sie sehnt sich nach dem souveränen Brasilien, das auf Augenhöhe mit den reichsten und mächtigsten Ländern gesprochen hat. Und das gleichzeitig zur Entwicklung der ärmeren Länder beigetragen hat. Das Brasilien, das die Entwicklung der afrikanischen Länder durch Zusammenarbeit, Investitionen und Technologietransfer unterstützte. Das sich für die Integration Südamerikas, Lateinamerikas und der Karibik einsetzte, das den Mercosur stärkte und zur Gründung der G20, der UNASUR, der CELAC und der BRICS beitrug.

Heute sagen wir der Welt, dass Brasilien zurück ist. Dass Brasilien zu groß ist, um in die traurige Rolle des Parias der Welt zurückgestuft zu werden. Wir werden die Glaubwürdigkeit, die Berechenbarkeit und die Stabilität des Landes zurückgewinnen, damit die Investoren – in- und ausländische – wieder Vertrauen in Brasilien fassen. Damit sie unser Land nicht mehr als Quelle unmittelbarer und räuberischer Profite betrachten, sondern unsere Partner bei der Wiederbelebung des Wirtschaftswachstums mit sozialer Integration und ökologischer Nachhaltigkeit werden.

Wir wollen einen gerechteren internationalen Handel. Wir wollen unsere Partnerschaften mit den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union zu neuen Bedingungen wieder aufnehmen. Wir sind nicht an Handelsabkommen interessiert, die unser Land zur ewigen Rolle des Exporteurs von Waren und Rohstoffen verdammen. Lassen Sie uns Brasilien reindustrialisieren, lassen Sie uns in die grüne und digitale Wirtschaft investieren, lassen Sie uns die Kreativität unserer Geschäftsleute und Unternehmer unterstützen. Wir wollen auch Wissen exportieren.

Wir werden erneut für eine neue Global Governance kämpfen, mit der Einbeziehung von mehr Ländern in den UN-Sicherheitsrat und mit dem Ende des Vetos, das das Gleichgewicht zwischen den Nationen untergräbt. Wir sind bereit, uns erneut im Kampf gegen Hunger und Ungleichheit in der Welt und für den Frieden zwischen den Völkern zu engagieren.“ (1)

(3) https://www.indianpunchline.com/historic-significance-of-xis-saudi-visit/

(4) Sie zitiert: “Brasilien und der Planet brauchen einen lebendigen Amazonas. Ein stehender Baum ist mehr wert als Tonnen von Holz, die von denen illegal abgeholzt werden, die nur an den schnellen Profit denken, auf Kosten der Zerstörung des Lebens auf der Erde. Ein Fluss mit sauberem Wasser ist viel mehr wert als all das Gold, das auf Kosten von Quecksilber gewonnen wird, das Tiere tötet und das Leben von Menschen in Gefahr bringt. Wenn ein indigenes Kind durch die Gier der Ausbeuter der Umwelt ermordet wird, stirbt ein Teil der Menschheit mit ihm“.

(5) https://www.silkroadbriefing.com/news/2022/11/09/the-new-candidate-countries-for-brics-expansion/

(6) https://www.indianpunchline.com/biden-nods-to-compromise-in-ukraine/

(7) https://www.theguardian.com/world/2022/nov/09/us-warns-australia-against-joining-treaty-banning-nuclear-weapons

(8) https://www.foreignaffairs.com/world/build-better-order-great-power-rivalry-dani-rodrik-stephen-walt

(9) Teil 1. Verbotene Handlungen, d.h. “Normen, die von den Vereinigten Staaten, China und anderen Großmächten bereits weitgehend akzeptiert werden“. Im Grunde eine Reihe von “Grenzen für akzeptable Handlungen“.

Teil 2. Förderung von “Maßnahmen, bei denen Staaten davon profitieren, wenn sie ihr eigenes Verhalten im Gegenzug für ähnliche Zugeständnisse anderer Staaten ändern“, wie “bilaterale Handelsabkommen und Rüstungskontrollvereinbarungen“.

Sie schreiben zum Beispiel, dass “man sich vorstellen könnte, dass die USA und China sich darauf einigen, bestimmte militärische Einsätze oder Aktivitäten einzuschränken – wie etwa Aufklärungsoperationen in der Nähe des Territoriums der anderen Seite oder Cyber-Aktivitäten, die die digitale Infrastruktur der anderen Seite beeinträchtigen könnten – im Austausch für entsprechende Einschränkungen durch die andere Seite.“

Teil 3. Der Rahmen besagt, dass es den Staaten freisteht, “unabhängige Maßnahmen zu ergreifen, um bestimmte nationale Ziele zu erreichen, die mit dem Grundsatz der Souveränität vereinbar sind, jedoch vorbehaltlich aller zuvor vereinbarten Verbote [in Teil 1]“. Speziell für Angelegenheiten der nationalen Sicherheit schreibt der Rahmen vor, dass solche Maßnahmen gut kalibriert [und] verhältnismäßig zur jeweiligen Sicherheitsbedrohung sein müssen und nicht darauf abzielen, einen Rivalen zu schädigen oder zu bestrafen. Sie argumentieren, dass die Anreize speziell für die USA und China gegeben sind, weil es für eines der beiden Länder aussichtslos ist, eine “strategische Überlegenheit” anzustreben: “Keines der beiden [Länder] kann die realistische Hoffnung hegen, das andere zu erobern oder es zu zwingen, sein politisches System zu ändern. Gegenseitige Koexistenz ist die einzige realistische Möglichkeit.”

Teil 4. Die Staaten sollten bei Themen zusammenarbeiten, “bei denen wirksame Maßnahmen die Beteiligung mehrerer Staaten erfordern“, wie etwa beim Klimawandel oder bei Pandemien. Sie argumentieren, dass durch die Befolgung dieses Rahmens “rivalisierende Mächte über die einfache Dichotomie von ‘Freund oder Feind’ hinausgehen [würden]“, weil sie “ermutigt werden, einander ihre Handlungen zu erklären und ihre Motive zu verdeutlichen“, und es “die Chancen erhöht, dass die Zusammenarbeit mit der Zeit wächst“.

Sie führen das Beispiel von Trumps Maßnahmen gegen Huawei als etwas an, das eindeutig gegen Teil 3 des Rahmens verstößt, da es nicht “in einem angemessenen Verhältnis zum tatsächlichen oder potenziellen Schaden” stand, sondern “die klare Absicht war, Huawei einen tödlichen Schlag zu versetzen“.

Sie erklären, dass der Rahmen auch den Beziehungen zwischen dem Iran und den USA helfen könnte, zum Beispiel, wenn “beide Seiten sich öffentlich verpflichten, nicht zu versuchen, die andere Seite zu stürzen und von Terror- oder Sabotageakten auf dem Territorium der anderen Seite abzusehen“, was “leicht zu erreichen” sein sollte, da “solche Handlungen bereits durch die UN-Charta verboten sind“, “dem Iran die Fähigkeit fehlt, die Vereinigten Staaten direkt anzugreifen” und “frühere Bemühungen der USA, die Islamische Republik zu untergraben, wiederholt gescheitert sind.”

Schließlich argumentieren sie auch, dass Teil 2 des Rahmenabkommens den Krieg in der Ukraine hätte verhindern können und dazu beigetragen hätte, “einen echten Kompromiss in dieser Frage” anstelle des Krieges zu erreichen.

Anmerkung: Leider werden diese Vorschläge vermutlich erst zum Zuge kommen, wenn die USA eine Niederlage in einem großen Krieg verkraften müssen. Denn sie bedeuten eine grundsätzliche Veränderung der Denkweise der US-Politikerkaste. Aber die US-Gesellschaft ist immer für eine Überraschung gut. Vielleicht diesmal für eine positive.

Anlage und Bemerkungen zu Kommentaren

Ergänzung zu „Australien wird Opferanode“

In dem letzten Podcast hatte ich darauf hingewiesen, dass sich nun Australien bereit erklärt hatte, US-Atomwaffen zu stationieren und damit auch zur Opferanode würde. Dazu hat es in der Zwischenzeit widersprüchliche Nachrichten gegeben. Erstaunlicherweise wird immer noch das Gegenteil der Realität erfolgreich durch Medien verbreitet. Nämlich angeblich seien Atombomben auf dem eigenen Gebiet ein „atomarer Schutzschirm“. Obwohl sie natürlicherweise primäre Ziele für gegnerische Atomschläge darstellen. Und im Fall von Australien, obwohl es von China eine eindeutige Aussage gibt, niemals Kernwaffen als erstes Land einzusetzen.

Medienberichten zufolge habe Australien zugestimmt, dem Vertrag zur Ächtung von Kernwaffen beizutreten. Das löste jedoch sofort entsprechende Reaktionen in Washington aus. Wie der The Guardian (7) berichtet:

„Die US-Botschaft in Canberra erklärte, der Vertrag würde ‚keine erweiterten Abschreckungsbeziehungen der USA ermöglichen, die für den internationalen Frieden und die Sicherheit immer noch notwendig sind‘. Dies ist eine Anspielung darauf, dass sich Australien auf die amerikanischen Nuklearstreitkräfte verlässt, um jeden nuklearen Angriff auf Australien abzuschrecken – der so genannte ‚nukleare Schutzschirm‘ -, obwohl Australien keine eigenen Atomwaffen besitzt. Die Botschaft erklärte, dass der Vertrag auch die Gefahr berge, ‚die Spaltung‘ innerhalb der internationalen Gemeinschaft zu verstärken.“ (7)

In dem langen Artikel wird die Geschichte des Vertrages in Australien beschrieben, und aufgezeigt, dass der Beitritt Australiens auf Grund des Drucks der USA noch lange nicht entschieden ist. Der Autor weist aber auch darauf hin, dass es zu einem Durchbruch für den Vertrag kommen könnte, falls sich Australien durchsetzt und dem Vertrag beitritt. Was natürlich in den USA wieder die bereits im Vietnamkrieg genutzte „Domino“-Politik auf den Plan ruft.

Imperien implodieren

Zu Kommentaren, dass Imperien nicht explodieren, sondern implodieren: Bevor Imperien implodieren, explodieren sie. Das ist so ähnlich wie bei einer Nova. Die Gewalt dehnt sich extrem aus, um dann in sich zusammen zu fallen. Deshalb meine bewusste Wortwahl: Explodieren.

Deutschland ist kein Vasall der USA und NATO habe nie angegriffen

Ich gehe davon aus, dass diese Bemerkung entweder satirisch oder provokativ gemeint war. Ich denke also nicht, dass man darauf eingehen muss, insbesondere, da sich sowohl die Gegner Deutschlands, als auch unbeteiligte Dritte dieser Meinung schon länger angeschlossen haben.

Das gleiche gilt für „NATO ist ein Verteidigungspakt“. Was ca. ein Dutzend anderer Länder sicher nicht so sehen, allen voraus Serbien, das im Kosovo-Krieg mit „Es begann mit einer Lüge“ bombardiert wurde oder Libyen, das von einem prosperierenden Land, der Hoffnung Afrikas, ins mittelalterliche Sklavenhaltersystem zurück gebombt wurde.

„Alle gleich, alle wollen den Great Reset um zu versklaven“.

Immer wieder taucht die Behauptung auf, dass alles nur ein großes Spiel sei, das im Prinzip nur zum Ziel hätte, die Welt zu versklaven. Insbesondere auch die „multipolare Weltordnung“ sei nichts anderes als die Beherrschung der Welt durch einige Oligarchen.

Ich gebe zu, dass es schwierig ist, nicht an Allem zu zweifeln, wenn man einen Blick in den Abgrund von Verbrechen, Verrat, Lügen und Morde wirft, welche die Geopolitik einem bietet, wenn man hinter die Fassade der Narrative blickt. Ich gebe zu, dass die deutsche Politiklandschaft komplett beherrscht wird, ebenso wie die Medien, durch Kräfte, die sich nicht die Selbstbestimmung und Souveränität der deutschen Bevölkerung im Sinn haben. Aber man darf sich nicht in negativen Destruktivismus herunterziehen lassen, also selbstzerstörerisch jede sich abzeichnende Hoffnung verneinen. Dann dient man nur dem (be)herrschenden System. Denn dieses versucht eben eine solche Haltung zu verursachen, um die Unterstützung von Veränderung zu verhindern.

Es ist die gleiche Methode, welche die Politik anwendet, um mit Massenmedien konkurrierende Internetangebote zu delegitimieren. Sie müssen gar nicht beweisen, dass die Massenmedien „besser“ sind. Das ist unmöglich. Sie müssen nur immer wieder behaupten und an Beispielen zeigen, dass „im Internet auch“ gelogen wird. Dann sagt sich der verwirrte Mensch: „Ich weiß jetzt auch nicht mehr was ich glauben soll“, und im Zweifel bleibt er bei dem, was er kennt. Egal für wie schlecht er das halten mag.

Für mich ist eine multipolare Welt aus mehreren Gründen der Hoffnungsschimmer für die Zukunft der Menschen. Nicht nur, dass das Verhalten der Staaten in ihrem Versuch, statt zu „siegen“, eine Win-Win-Situation zu erzeugen, auch auf das Verhalten in der Gesellschaft abfärben wird. Sondern eine multipolare Welt wird wieder einen Wettbewerb der Systeme befördern.

Auch wird immer wieder behauptet, dass China ein schrecklicher, unterdrückender Überwachungsstaat sei, den der Westen nun kopieren wolle. Auch dies ist eine Verfälschung der Situation. In China fühlen sich die allermeisten Menschen durch den Überwachungsstaat nicht kontrolliert, sondern beschützt. Das mag damit zusammenhängen, dass sich die Sicherheitslage gegenüber Verbrechen und Terroranschlägen verbessert hat, und die Menschen das Gefühl haben, dass die Technik nicht GEGEN sie, sondern in ihrem Interesse eingesetzt wird. Verstärkt durch die Tatsache, dass in China die wirtschaftliche Entwicklung allen Menschen zugute gekommen ist.

Das mag naiv sein, und im Westen mag man es als Selbstschutz des herrschenden staatlichen Systems ansehen. Wenn dieses aber von über 85% der Chinesen sowieso nicht hinterfragt wird, eben weil sie es als positiv für die eigene Entwicklung ansehen, wird der Unterschied zu Westen deutlicher.

Dass nun die ersten Zweifel daran aufkommen, weil die Technik im Rahmen der Corona-Maßnahmen extensiv benutzt wurden, um eine extreme Kontrolle auszuüben, wird gedämpft durch die Tatsache, dass viele Menschen verstehen, dass sich China durch Biowaffenangriffe konfrontiert sieht.

Im Westen dagegen haben die Massen in den letzten Jahrzehnten die Erfahrung gemacht, dass es bergab geht, und Maßnahmen der Herrschenden in erster Linie einer kleinen Schicht zugute kommen, und daher Kontrollmaßnahmen auch in erster Linie dem Schutz des Staates bzw. des so organisierten gesellschaftlichen Systems dienen. Subsumieren kann man das mit dem Satz: „Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren“.

Auch hier kommt die Idee des Multipolarismus zum Tragen. Jedes gesellschaftliche System muss auf Grund der eigenen geschichtlichen und kulturellen Erfahrung einen eigenen Weg finden. Es gibt keinen „globalen einzig richtigen Weg“. D.h. man darf Chinas System tolerieren, aber trotzdem die totale öffentliche Kontrolle im eigenen Land ablehnen, ohne dass China Druck macht, sein System durchzusetzen. Im Gegensatz eben zum derzeitig Deutschland beherrschenden transatlantischen Geist.

Der Ukraine-Krieg

Während die westlichen Medien jubilieren, dass Russland durch die Ukraine in Kherson besiegt werde, scheint sich vielmehr eine Niederlage des Imperiums abzuzeichnen. Denn wie ein Artikel des indischen Ex-Diplomaten M.K. Bhadrakumar nahe legt, scheint Biden nun einem Kompromiss in der Ukraine zuzustimmen. (6)

Der Autor weist darauf hin, dass der Sieg der Republikaner nicht der erwartete Tsunami war, und sich Biden dadurch bestätigt sieht, aber andererseits auch erkennt, dass er nun in der Ukraine-Frage Zugeständnisse machen muss.

„Auf die Frage, ob die US-Militärhilfe für die Ukraine ohne Unterbrechung fortgesetzt werde, antwortete Biden lediglich: ‚Das ist meine Erwartung.‘ Er behauptete, die USA hätten der Ukraine keinen Blankoscheck‘ ausgestellt und Kiew lediglich mit der ‚rationalen Fähigkeit ausgestattet, sich selbst zu verteidigen.‘“ (6)

Biden habe als Senator eine beeindruckende Bilanz bei der Bildung von Koalitionen im Kongress vorzuweisen. Doch heute stehe ihm seine Kandidatur für eine zweite Amtszeit als Präsident im Weg.  Sollte er sich entscheiden, 2024 zu kandidieren, bliebe den Republikanern keine andere Wahl, als sich ihm persönlich und politisch zu widersetzen.

Biden habe einige interessante Kommentare zur Ankündigung des russischen Truppenabzugs in der Stadt Cherson in Moskau am Mittwoch abgegeben, findet Bhadrakumar. Biden sagte, der russische Schritt entspreche den Erwartungen, und das Interessante daran sei, dass Moskau gewartet habe, bis die Zwischenwahlen vorbei seien.

Biden vermied dem Artikel zufolge eine direkte Antwort auf die Frage, ob die russische Evakuierung Kiew ein Druckmittel für die Aufnahme von Friedensverhandlungen mit Moskau verschaffen würde. Aber er habe eine solche Überlegung auch nicht widerlegt. Stattdessen habe Biden hinzugefügt, dass “sie (die Evakuierung) zumindest dazu führen wird, dass alle Beteiligten Zeit haben werden, ihre Positionen über den Winter neu zu kalibrieren. Und es bleibt abzuwarten, ob eine Entscheidung darüber getroffen wird, ob die Ukraine zu einem Kompromiss mit Russland bereit ist oder nicht.”

Biden habe außerdem gesagt, dass es am Rande des G20-Gipfels auf Bali (15./16. November) zu Konsultationen mit den Staats- und Regierungschefs der Welt kommen könnte, obwohl Putin selbst nicht anwesend sein wird. In der Tat gebe es eine Art diplomatischer Botschaften. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow habe am Donnerstag gegenüber Tass gesagt: “Es wurde beschlossen, dass Russland auf dem G20-Gipfel durch (Außenminister) Sergej Lawrow vertreten wird.”

Biden habe eine zweite Frage zu den Entwicklungen in Cherson zum Anlass genommen, um zu sagen, dass die russische Evakuierung den beiden Seiten nicht nur helfen werde, “ihre Wunden zu lecken“, sondern “zu entscheiden, was sie über den Winter tun werden, und zu entscheiden, ob sie einen Kompromiss eingehen werden oder nicht.”

Bemerkenswert sei, dass Biden zweimal von “Kompromissen” (sprich territorialen Zugeständnissen) seitens Kiews gesprochen habe, was eine deutliche Abkehr von der US-Haltung bedeute, dass die russischen Streitkräfte aus der Ukraine abgezogen werden sollten. Biden schloss: “Das ist es, was passieren wird, ob oder ob nicht. Ich weiß nicht, was sie tun werden.  Und – aber eines weiß ich: Wir werden ihnen nicht sagen, was sie zu tun haben.

Zusammengenommen würden Bidens Äußerungen im Einklang mit Berichten der NBC News übereinstimmen, die sich auf informierte Quellen berufen, wonach der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan bei seinem unangekündigten Besuch in Kiew in der vergangenen Woche die Bereitschaft der Ukraine für eine diplomatische Lösung des Konflikts untersucht habe.

Einem Bericht des Senders NBC zufolge seien einige US-amerikanische und westliche Beamte zunehmend der Ansicht, dass weder Kiew noch Moskau alle ihre Ziele erreichen können und dass die winterliche Abschwächung der Feindseligkeiten eine Chance für die Aufnahme von Verhandlungen bieten könnte.

Interessanterweise habe Russia Today den NBC-Bericht sofort aufgegriffen und ihn zum Thema gemacht. Auch die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, habe sich zu Wort gemeldet, und wird zitiert mit den Worten: “Wir sind nach wie vor offen für Verhandlungen, wir haben sie nie abgelehnt, wir sind bereit, sie zu führen – natürlich unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Gegebenheiten.

Die russischen Behörden behaupten weiterhin, dass die Evakuierung ihrer Streitkräfte in Cherson ausschließlich aus Sicherheitsgründen erfolgt. Die Verantwortung dafür trägt die Empfehlung von Armeegeneral Sergej Surowikin, dem Befehlshaber der russischen Militäroperation in der Ukraine. Der General erklärte in einer im Fernsehen übertragenen Rede, dass die Evakuierung von Cherson die Verteidigungslinien der Truppen stärkt und das Leben von Soldaten und Zivilisten rettet.

Auch General Mark Milley, der Vorsitzende der Generalstabschefs, habe bei der Eröffnung einer Diskussion mit dem Economic Club of New York am Mittwoch über die Möglichkeit eines Friedens zwischen der Ukraine und Russland, bestätigt, dass es in der Tat “ein Zeitfenster für Verhandlungen” gebe. Der General habe gefordert: “Wenn es eine Gelegenheit zu verhandeln gibt, wenn Frieden erreicht werden kann, ergreifen Sie sie. Ergreifen Sie den Moment.” Er habe natürlich mit Blick auf die russische Militärführung gesprochen.

Der Hintergrund sei, dass der Verlust der Kontrolle über das Repräsentantenhaus es den Demokraten erschwere, die außenpolitische Linie der Regierung Biden, einschließlich der Unterstützung für die Ukraine, weiter zu vertreten. Von nun an werde Biden Entscheidungen zur Ukraine mit den Republikanern aushandeln müssen. Das sei die eine Seite.

Andererseits berge die sich zuspitzende Wirtschaftskrise in Europa ein explosives Potenzial für politische Unruhen, vor allem, wenn es unter den harten winterlichen Bedingungen zu einem weiteren Flüchtlingsstrom aus der Ukraine komme, was durchaus möglich ist.

Die Rückwirkungen der Sanktionen gegen Russland haben Europa tödlich verwundet, so Bhadrakumar, und trotz aller Unkenrufe gebe es wirklich keinen Ersatz für die preiswerten, zuverlässigen und reichhaltigen russischen Energielieferungen über Pipelines.

All dies habe enorme Auswirkungen auf die westliche Einheit. Der jüngste Besuch des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz in China zeige, dass sich Uneinigkeit zusammenbraut.

Vor allem die massive russische Mobilisierung drohe dem ukrainischen Militär einen K.O.-Schlag zu versetzen, während die Europäer keine Lust auf eine Konfrontation mit Russland haben. Großbritannien, Washingtons treuer Verbündeter in der Ukraine, stehe ebenfalls unter enormem Druck, sich zurückzuziehen und sich auf die innenpolitische Krise zu konzentrieren, da die neue Regierung ein Finanzierungsloch in der Größenordnung von 50 Mrd. Pfund im Haushalt zu bewältigen hat.

Die Vorstellungen von einem Regimewechsel in Moskau, die Biden einst öffentlich vertrat, und das Projekt der Neokonservativen, Russland “auszulöschen“, seien „gegen die Wand gefahren“ und in sich zusammengefallen. Allerdings könnten sich die USA damit trösten, dass der russische Rückzug aus dem Gebiet westlich des Dnjepr darauf hindeute, dass Moskau nicht die Absicht hat, Nikolaev oder gar Odessa anzugreifen – zumindest nicht in nächster Zeit.

Sollten die ukrainischen Streitkräfte jedoch vorrücken, Cherson besetzen und die Krim bedrohen, werde dies eine große Herausforderung für die Regierung Biden darstellen. Nach Bidens Äußerungen sei sie zuversichtlich, dass sie in Kiew genügend Einfluss hat, um eine Eskalation zu verhindern. Aber es sei verfrüht anzunehmen, dass Washington einen Deal mit Moskau gemacht habe.

Iran – Russland – Saudi-Arabien

Für wie gefährlich die USA eine stärkere militärische Zusammenarbeit Russlands mit dem Iran halten, und wie sehr sie interessiert daran sind, dass Saudi-Arabien sich nicht dem Iran annähert, schreibt Bhadrakumar in einem Blogbeitrag am 14. November. https://www.indianpunchline.com/russia-strategises-with-iran-for-the-long-haul-in-ukraine/

Darin heißt es u.A.:

„Russische Sicherheitsbehörden tauschen mit iranischen Kollegen Informationen über feindliche Aktivitäten westlicher Geheimdienste aus. Insbesondere wies Patruschew den Verdacht Irans auf eine Beteiligung Saudi-Arabiens zurück. Unabhängig davon bot Außenminister Sergej Lawrow auch öffentlich an, zwischen Teheran und Riad zu vermitteln.“

Was meine Vermutung bestärkt, dass der Anschlag NICHT durch Saudi-Arabien gesponsert wurde, sondern von ganz anderen Kreisen.

Türkei

Seit der brutalen Zerstückelung von Jamal Khashoggi, aufgedeckt durch Tonaufnahmen und Beweisen des türkischen Geheimdienstes, wissen wir, dass dieser durchaus für Überraschungen gut ist. Auch wenn der Putschversuch gegen Erdogan im Entscheidenden Moment von Putin mitgeteilt worden sein soll. Und so sollte man es ernst nehmen, wenn türkische Innenminister die Beileidsbezeugungen der US-Botschaft zurückweist.

„Wir wissen, wer den Angriff koordiniert hat. Wir haben die Nachricht erhalten, und wir wissen, was für eine Nachricht das ist. Wir verweigern die Annahme der Beileidsbezeugungen der US-Botschaft… Wenn wir den Angreifer nicht gefasst hätten, wäre er nach Griechenland geflohen.“ (https://twitter.com/AZgeopolitics/status/1592078535862423553)

Erwarten Sie nicht, diese Aussage in den westlichen Berichten über den Terroranschlag zu lesen. Dort liest man, dass die vermutliche Attentäterin aussagte, sie habe ihren Auftrag von der PKK in Syrien erhalten. Die kurdischen Kräfte in Syrien wiederum werden von den USA unterstützt. Ohne den Druck und andererseits die Unterstützung, hätte es längst eine Friedenslösung gegeben, ähnlich der, welche viele Jahre zwischen Syrien und der Türkei vereinbart worden war.

Schon vor längerer Zeit war berichtet worden, dass Syrien bereit sei, der Region eine gewisse Autonomie zu geben, insbesondere hinsichtlich Kultur und Sprache. Andererseits der Türkei in diesem Fall garantiere, dass von dort keine Terroranschläge gegen die Türkei erfolgen. Verbunden mit einer Zone innerhalb Syriens, innerhalb derer die Türkei Militäraktionen durchführen darf.

Der Vorfall dürfte nicht nur den Beitritt der nordischen Staaten in die NATO erschweren, sondern der Türkei einen weiteren Ruck in Richtung Multipolarismus verpassen. Es ist daher unklar, warum der US-Geheimdienst das Attentat zu diesem Zeitpunkt nicht verhinderte. Da es ganz klar nicht im Interesse der USA ist. Die Türkei scheint der Meinung zu sein, dass es ein Einschüchterungsversuch ist, und der Anschlag mit zumindest stillschweigender Billigung der USA durchgeführt wurde.

Es sei nicht unerwähnt, dass natürlich auch Stimmen die These vertreten, eben wie beim gescheiterten Militärputsch gegen Erdogan, dass es sich um einen FalseFlag von Erdogan handelt. Ausgeschlossen ist das nicht, schließlich gibt es sogar abgehörte und geleakte Gespräche ranghoher Militärs, wie ein FalseFlag aussehen könnte, allerdings ging es damals um einen Einmarsch nach Syrien. Aber derzeit gibt es keinen ernsthaften Hinweis auf einen FalseFlag.

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: shutterstock / casa.da.photo

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