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Die geopolitisch komplexe Lage um den Syrienkonflikt

Published On: 24. November 2022 2:04

Seit einigen Tagen bombardiert die Türkei Ziele kurdischer Milizen in Syrien. Hier geht es um die komplexen geopolitischen Interessen in der Region.

Vor einigen Tagen hat die Türkei begonnen, massive Luftangriffe auf von der kurdischen YPG kontrollierte Gebiete zu fliegen. Der offizielle Grund für die Luftangriffe ist, dass die Türkei die YPG, die ein Ableger der kurdischen Terrororganisation PKK ist, beschuldigt, den Terroranschlag in Istanbul eine Woche zuvor organisiert zu haben. Es geht jedoch um weit mehr als „nur“ Bombardierungen kurdischer in Syrien Gebiete.

Die geopolitischen Interessen aller Staaten, die irgendwas mit den Ereignissen in und um Syrien zu tun haben, die sich dort abspielen, seit die USA den „Bürgerkrieg“ mit Hilfe der CIA-Operation Timber Sycamore entfesselt haben, sind hochkomplex. Ich will die Interessen der wichtigsten Player aufzeigen, wobei wir uns stets in die Frage stellen müssen, wem der Terroranschlag in Istanbul und die türkische Reaktion, also die Bombardierungen, nützen.

Syrien

Syrien befindet sich seit über zehn Jahren im Krieg, nachdem die USA im Rahmen der CIA-Operation Timber Sycamore islamistische Terroristen aus dem Irak bewaffnet haben, die dann den „syrischen Bürgerkrieg“ losgetreten haben. Der IS, der damals die Schlagzeilen beherrschte, ist ein Kind der CIA.

Auch heute kontrolliert die syrische Regierung nur einen Teil des eigenen Landes, denn im Nordwesten ist die Provinz Idlib nach wie vor unter der Kontrolle des IS, der Al Qaida und ihrer Nachfolgeorganisationen. Im Osten Syriens stehen Teile des Landes unter der Kontrolle der kurdischen YPG, die von den USA unterstützt wird. Die USA haben auch eigene Truppen dort, die völkerrechtswidrig Teile Syriens besetzt halten und das dortige syrische Öl stehlen.

Syrien hat daher vor allem ein Interesse, nämlich endlich wieder die volle Kontrolle über sein Staatsgebiet zurückzuerlangen. Dazu wurde das sogenannte „Astana-Format“ gegründet, in dem die Türkei, der Iran und Russland nach einer Lösung für den Konflikt in Syrien suchen. Gerade fand das 20. Treffen dieses Formates statt, dazu später mehr.

Iran

Der Iran ist ein enger Verbündeter Syriens und beide Staaten eint unter anderem ihre Ablehnung von Israel. Im Gegensatz zu dem, was westliche Medien erzählen, ist es nicht der Iran, der ständig die Vernichtung Israels fordert. Es gibt dort zwar radikale Stimmen, die das fordern, aber es gibt keine konkreten Schritte in diese Richtung. Anders ist es bei Israel, dessen Regierung seit Jahren vor allem in Saudi-Arabien und den USA Verbündete sucht, um einen Militärschlag oder gar einen offenen Krieg gegen den Iran zu führen.

Der Iran sieht sich als Schutzmacht der Palästinenser und der Moslems im Libanon gegenüber Israel. Syrien fordert von Israel seit Jahrzehnten die Rückgabe der von Israel völkerrechtswidrig besetzten Golanhöhen. Daher sind der Iran und Syrien in dem „syrischen Bürgerkrieg“ fast schon natürliche Verbündete, denn der Iran unterstützt Syrien, das dem Iran wiederum als „Landbrücke“ in die Region dient.

Russland

Russland ist seit Sowjetzeiten ein enger Verbündeter Syriens. Syrien war vor dem Krieg der einzige Staat im Nahen Osten, in dem alle Religionen (Christen, Juden und Moslems) gleichberechtigt und friedlich zusammengelebt haben. Die Sowjetunion hatte in Syrien ihren einzigen Marinestützpunkt im Mittelmeer aufgebaut, der heute von Russland benutzt wird.

In dem „syrischen Bürgerkrieg“ kämpfen Islamisten aus allen Teilen der Welt, auch Islamisten aus Deutschland sind dort bekanntlich aktiv. Aber es gibt dort auch viele Extremisten, die aus den muslimischen Teilen Russlands und seiner Nachbarstaaten, ehemaligen Sowjetrepubliken, nach Syrien gegangen sind, um gegen Assad zu kämpfen.

Als Russland 2015 in den Krieg eingegriffen und den IS in kurzer Zeit weitgehend besiegt hat, hatte Russland dafür zwei zentrale Gründe: Erstens wollte Russland vermeiden, dass Syrien das gleiche Schicksal erleidet, wie Libyen oder Afghanistan, und zu einem Failed State wird, in dem islamistische Terroristen einen Rückzugsort haben. Da viele von diesen Islamisten aus Russland und seinen Nachbarländern kommen, war die Gefahr groß, dass sie nach einem Sieg in Syrien dorthin zurückkehren und auch dort Terror ausüben. In Russland wurde damals offen gesagt, es sei besser, diese Terroristen in Syrien zu vernichten, als abzuwarten, bis sie nach Hause zurückkommen.

Der zweite Grund war, dass Russland seinem Verbündeten unter anderem deshalb helfen wollte, weil es seinen Militärstützpunkt im Mittelmeer nicht verlieren wollte. Russland sucht daher im Astana-Format nach einer Lösung, um Syrien als Staat wieder zu stabilisieren.

Die Türkei

Erdogan will sich die Türkei in der Region als Regionalmacht etablieren und inszeniert sich dabei auch als Schutzherr der Moslems in der Region, weshalb das türkisch-israelische Verhältnis denkbar schlecht ist. Aber auch mit der syrischen Regierung hat Erdogan ein Problem, denn er möchte seine Macht auf – zumindest Teile von – Syrien ausdehnen. Der Grund dürfte auch darin begründet liegen, dass die kurdische YPG die PKK unterstützt, mit der die Türkei sich im Krieg sieht.

Erdogan hat seine Truppen bereits Anfang 2020 in Nordsyrien einmarschieren lassen und es dabei sogar auf Zusammenstöße mit amerikanischen und russischen Truppen ankommen lassen. Das wurde verhindert, weil die US-Truppen schnell abgezogen sind und weil die Türkei und Russland eine Einigung gefunden haben, die einen Zusammenstoß verhindert hat. Auch damals gab Erdogan als Grund für seinen Einmarsch in Syrien an, er wolle die Türkei vor Angriffen der YPG schützen.

Die Türkei macht unter Erdogan eine sehr interessante Außenpolitik. Eigentlich ist die Türkei NATO-Mitglied, aber seit die USA unter schweigender Billigung der NATO im Juli 2016 versucht haben, Erdogan in einem Putsch zu stürzen, ist das Klima zwischen dem Westen und der Türkei, höflich ausgedrückt, nicht allzu gut. Dafür verstehen Erdogan und Putin sich hervorragend, auch wenn sie in vielen Fragen unterschiedliche Interessen und Meinungen haben.

Erdogan erkennt zum Beispiel die Krim nicht als russisch an, hat gute Beziehungen zu Kiew und liefert der Ukraine sogar Drohnen für den Kampf gegen Russland. Andererseits haben Russland und die Türkei viele wichtige gemeinsame Projekte, wie ein Atomkraftwerk, das Russland in der Türkei baut, den Transit von russischem Gas nach Europa und vieles mehr. In der Syrienfrage haben Russland und die Türkei sehr unterschiedliche Ansichten, aber bisher haben sie immer mehr oder weniger tragfähige Kompromisse gefunden.

Die USA

Die USA wollten und wollen in Syrien einen Regimechange erreichen und natürlich werden sie dabei von den Staaten der NATO und der EU unterstützt. Die Gründe liegen auf der Hand: Die USA wollen den russischen Verbündeten Assad und den russischen Militärstutzpunkt im Mittelmeer loswerden. Der Sturz von Assad würde – noch dazu, wenn eine pro-westliche Regierung installiert werden kann – außerdem den Iran schwächen und Israel erfreuen.

Im Idealfall wollen die USA auch den aufmüpfigen Erdogan loswerden, oder zumindest erreichen, dass die Türkei ihre Zusammenarbeit mit Russland einstellt. Bei ihren bislang weitgehend erfolglosen Bemühungen, Russland zu isolieren, wäre es für die USA ein großer Erfolg, wenn sich ein handfester Streit zwischen Erdogan und Putin provozieren ließe.

Dass der Terroranschlag von Istanbul der Türkei nun als Vorwand dient, gegen die Kurden vorzugehen, ist zwar nicht im unmittelbaren Interesse der USA, die offiziell Verbündete der Kurden sind, zumal die Türkei bereits einen kurdischen Stützpunkt bombardiert hat, der auch von US-Truppen genutzt wird. Aber die türkischen Angriffe verärgern den syrischen Verbündeten Russland, denn es sind nun einmal Angriffe auf das Gebiet des Staates Syrien.

Das Astana-Format

Gerade fand ein Treffen im Astana-Format statt, das vor dem Hintergrund der türkischen Operation in Syrien natürlich mit Spannung erwartet wurde. Daher habe ich die Zusammenfassung der russischen Nachrichtenagentur TASS über das Treffen übersetzt.

Ein Treffen vor dem Hintergrund der Militäroperation: Was die Garanten der Syrien-Regulierung in Astana besprochen haben

Das nächste Treffen im Astana-Format ist für die erste Hälfte des Jahres 2023 geplant. Es wird erwartet, dass es in Russland stattfindet.

Auf dem Treffen der Garanten für eine Friedenslösung in Syrien am Mittwoch in Astana forderte Russland die Türkei auf, von einer umfassenden Operation in der Region abzusehen. Das erklärte Alexander Lawrentjew, der Sonderbeauftragte des russischen Präsidenten für Syrien, gegenüber Journalisten.

In einem Kommentar gegenüber der TASS betonte er, dass eine türkische Bodenoperation „nicht zugelassen werden kann“: Sie würde zu mehr Opfern und weiterem Ärger führen, auch unter den Kurden, die Ankara für den jüngsten Terroranschlag im Zentrum Istanbuls verantwortlich macht.

Etwa zur gleichen Zeit bezeichnete der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die jüngsten Luftangriffe auf irakisches und syrisches Gebiet im Parlament als „erst den Anfang“ und erklärte, er beabsichtige, die syrischen Grenzstädte von Terroristen zu „säubern“.

Die TASS hat die wichtigsten Ergebnisse des Treffens in Astana zusammengestellt.

Die gemeinsame Erklärung

In einer gemeinsamen Erklärung, die im Anschluss an das Treffen veröffentlicht wurde, bekräftigten Russland, Iran und die Türkei, dass es für den Konflikt in Syrien keine militärische Lösung gibt, sie unterstützten die territoriale Integrität der Republik, sie lehnten „alle Versuche ab, am Boden neue Realitäten zu schaffen“ und sie verurteilten die Aktivisierung von Terrorgruppen.

Die Garantiemächte verurteilten außerdem die israelischen Angriffe auf syrisches Territorium, einschließlich ziviler Ziele, lehnten die Sanktionen gegen Syrien ab und forderten die internationale Gemeinschaft auf, Damaskus beim Wiederaufbau seiner Infrastruktur und bei der Lösung des Flüchtlingsproblems zu unterstützen. Außerdem äußerten sie sich besorgt über die Aktionen von Separatisten.

Die Teilnehmer forderten außerdem, dass die nächste Sitzung des Redaktionsausschusses des syrischen Verfassungsausschusses so bald wie möglich stattfinden soll. Moskau rechnet laut Lawrentjew damit, dass die Sitzung im kommenden Januar stattfinden wird. Russland und die UNO sind sich jedoch bisher nicht einig über den Ort des Treffens: Russland schlägt Astana vor, während die UNO trotz der Blockade durch den Westen auf Genf beharrt.

Das nächste Treffen im Astana-Format, das 20. Treffen, soll in der ersten Hälfte des Jahres 2023 stattfinden. Es wird voraussichtlich in Russland stattfinden.

Vor dem Hintergrund der türkischen Operation

Das Treffen der Garanten fand vor dem Hintergrund der türkischen Luftoperation „Schwertkralle“ im Nordirak und in Syrien statt. Anlass war der kürzlich verübte Terroranschlag in Istanbul, dessen Täter nach Angaben Ankaras aus Syrien stammt und mit der von den türkischen Behörden verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans in Verbindung steht. Dabei wird sich die Türkei möglicherweise nicht auf Bombardierungen beschränken: Erdogan zufolge beabsichtigt die Republik, „die syrischen Städte Kobani, Manbij und Tell Rifaat von Terroristen zu säubern“, gemeint sind damit kurdische Verbände.

Laut Lawrentjew haben die russischen Vertreter in Astana „sehr ausführliche Gespräche mit ihren türkischen Gesprächspartnern“ geführt, um sie davon zu überzeugen, von einer groß angelegten Bodenoperation abzusehen. Moskau erwarte, „eine richtige Lösung <…> in der sogenannten Kurdenfrage“ zu finden, um eine Eskalation der Situation in Syrien zu verhindern und „die Lage in der gesamten Region zu stabilisieren.“

Dabei schließt Moskau jedoch nicht aus, so Lawrentjew, dass den Organisatoren des Terroranschlags „eine Art Freigabe“ gegeben worden sei: „Aus den bekannten westlichen Hauptstädten wird sehr ernster Druck auf die Kurden ausgeübt.“ Der russische Diplomat erinnerte daran, dass die syrischen Kurden faktisch „Geiseln“ der USA seien.

Auch in Syrien wurde die Ablehnung der türkischen Pläne zum Ausdruck gebracht: Ayman Sussan, stellvertretender Außenminister der arabischen Republik, sagte in Astana, dass „all diese Aktionen inakzeptabel sind“ und die Türkei „ihre Verpflichtungen“ als Garant für die Beilegung des Syrien-Konflikts nicht einhalte. Damaskus werde „alles tun, was nötig ist“, um sein Gebiet zu verteidigen, versicherte Sussan.

Ein möglicher Gipfel

Eines der Themen, die die Journalisten in Astana interessierten, war ein mögliches Treffen zwischen Erdoğan und seinem syrischen Amtskollegen Baschar al-Assad: Anfang Oktober räumte der türkische Staatschef ein, dass es stattfinden könnte, „wenn die Zeit reif ist“, auch wenn es „im Moment nicht in Frage kommt“, und Mitte November wies er auf die Möglichkeit hin, die Beziehungen zu Syrien nach den Wahlen in der Türkei im kommenden Juni zu überprüfen.

Laut Lawrentjew könnte Erdogan mit Assad in Moskau zusammentreffen, wo „wir immer dafür plädiert haben und auch schon früher die Möglichkeit in Betracht gezogen haben, ein solches Treffen zu organisieren.“

Der Sonderbeauftragte des russischen Präsidenten stellte „Anzeichen und Signale“ für die Bereitschaft der beiden Länder fest, aufeinander zuzugehen und bilaterale Kontakte auch über die Geheimdienste zu pflegen.

Zu den syrisch-türkischen Kontakten „zum Thema Sicherheit“ sagte Ali Asghar Haji, Assistent des iranischen Außenministers für politische Angelegenheiten, dass „diese Gespräche mit Russlands Hilfe ihr Ziel erreichen können.“

Die Rolle von China und den USA

Moskau hält es für sinnvoll, dass sich ein weiterer Beobachter, nämlich China, dem Astana-Format anschließt. Laut Lawrentjew hat Teheran der Idee zugestimmt, während Ankara „eine gewisse Pause“ eingelegt hat, um die Frage zu prüfen.

Außerdem sprach sich der russische Diplomat für die Einbeziehung der USA in das Format aus, was „ebenfalls sehr nützlich wäre.“ Noch mehr würde aber der Abzug der US-Streitkräfte aus dem Land – aus den nordöstlichen Gebieten der Republik und aus der Al-Tanf-Zone, in der sich das Flüchtlingslager Al-Rukban befindet – zu einer weiteren Stabilisierung der Lage in Syrien beitragen.

Ende der Übersetzung


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