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Der Spiegel verschweigt die systemischen Gründe für das Ende des deutschen Wohlstandes

Published On: 18. Dezember 2022 18:17

Der Spiegel berichtet in einem Artikel über das Ende des deutschen Wohlstandes und listet die Problembereiche auf. Dabei verschweigt der Spiegel jedoch die systemischen Gründe für die kommende Verarmung.

Die bösen Kritiker des westlichen Systems, zu denen auch ich gehöre, warnen seit Jahren davor, dass der Wohlstand im Westen und in Deutschland seinem Ende zugeht. Die Vorboten, wie zum Beispiel die früher nie gekannte Altersarmut, waren deutlich zu sehen, wurden von „Qualitätsmedien“ wie dem Spiegel jedoch weitgehend ignoriert. Vor allem wurde nie thematisiert, dass es dafür systemische Gründe gibt.

Der Spiegel hat nun einen Artikel mit der Überschrift „Energie, Rente, Wohnen – Was bleibt vom deutschen Wohlstand?“ veröffentlicht, der die Kernprobleme der Wirtschaftskrise und der kommenden Verarmung in Deutschland an Beispielen durchaus korrekt aufzeigt. Allerdings verschweigt der Spiegel, dass alle diese Probleme hausgemacht sind und in den letzten 30 Jahren auch durch die Berichterstattung des Spiegel selbst verschuldet wurden, denn „Qualitätsmedien“ wie der Spiegel haben über Jahrzehnte genau für die Politik getrommelt, die die heutigen Probleme verursacht hat.

Der Spiegel-Redaktion scheint das sogar bewusst zu sein, denn der Artikel trug zunächst die Überschrift „Niedergang des Standorts Deutschland – Gut gelebt, schlecht gewirtschaftet“ und diese Überschrift hat zumindest suggeriert, dass die heutigen Probleme hausgemacht sind. Davon soll jedoch abgelenkt werden, denn wenn die Menschen in Deutschland wüssten, dass die heutigen Probleme hausgemacht sind und dass auch die aktuelle Regierung den selbstmörderischen Kurs unbeirrt fortsetzt, könnte das zu unangenehmen Fragen führen.

Ich werde hier zunächst die drei Probleme nennen, die die heutige Misere erzeugt haben, danach werden wir anhand des Spiegel-Artikels überprüfen, ob meine These, dass die Probleme systemischer Natur und hausgemacht sind, der Wahrheit entspricht. Dass das so ist, kann man in dem Spiegel-Artikel nämlich zwischen den Zeilen lesen, allerdings stellt der Spiegel die zum Verständnis nötigen Zusammenhänge nicht her.

Die Globalisierung

Ein zentrales systemisches Problem ist die Globalisierung, die uns von westlichen Medien und Politikern knapp 30 Jahre lang als alternativlos verkauft wurde. Bei der Globalisierung ging es darum, dass die Staaten sich aus der Wirtschaft heraushalten und sie so wenig wie möglich regulieren sollten, weil der Markt alles viel besser regeln könne, als die Politik. Das Kredo war dabei das Wort „Freiheit“, wobei es jedoch nur um die „Freiheit“ der Konzerne ging, ihre Profite zu maximieren, indem sie dort produzieren, wo es am billigsten ist und ihre Waren dann – möglichst ohne störende Zölle – weltweit verkaufen können.

Das Ergebnis ist bekannt: Unter Verweis auf „Konkurrenzfähigkeit“ wurden niedrige Lohnerhöhungen gefordert, die produzierende Industrie ist aber trotzdem in Billiglohnländer abgewandert. Ganze Industriezweige, zum Beispiel die Textilindustrie oder die Produktion von Medikamenten, sind aus Deutschland verschwunden. In der Corona-Zeit konnten wir erleben, wie abhängig Deutschland, das eigentlich weltweit führende Pharmakonzerne hat, von Medikamenten-Importen zum Beispiel aus Indien war, weil die Medikamente der deutschen Pharmakonzerne nicht mehr in Deutschland hergestellt werden.

Bei der Globalisierung ging es nur darum, den Konzernen maximale Gewinne zu ermöglichen. Sie sollten maximale Freiheiten haben, weltweit ihre Gewinne zu maximieren. Um die Freiheit und den Wohlstand der Menschen ging es dabei nie, wie ich schon 2018 in einem der ersten Artikel auf dem Anti-Spiegel im Detail aufgezeigt habe.

Privatisierungen

Das zweite systemisch Problem sind die Privatisierungen, die von Politik und Medien seit den 90er Jahren als Allheilmittel gepredigt wurden. Das Kredo war, dass „die Privatwirtschaft“ viel effektiver sei, als der Staat. Daher sollten Stadtwerke (also Strom- und Wasserversorgung), Wohnungsbau, Gesundheitsversorgung, die Bahn und so weiter privatisiert werden.

Das Problem dabei ist, dass es „der Privatwirtschaft“ nur um eines geht: Um die Maximierung ihrer Gewinne. Es war daher absehbar, dass ein privat geführter Wasserversorger alle Investitionen einstellt, die zwar eine hohe Wasserqualität sicherstellen, aber keine zusätzlichen Gewinne bringen. Oder dass die Mieten steigen, wenn Wohnungskonzerne Sozialwohnungen übernehmen. Oder dass die Gesundheitsversorgung schlechter wird, wenn Krankenhäuser sich Rentabilität anstatt auf eine breite medizinische Versorgung konzentrieren müssen. Oder dass die Bahn Verbindungen in ländlichen Regionen einstellt und Investitionen in die Schienen auf das unbedingte Minimum reduziert, weil sie Kosten verursachen, aber keinen direkten Profit bringen.

Die von Medien und Politik als Allheilmittel gepriesenen Privatisierungen von sozialer Infrastruktur mussten zwangsläufig zu höheren Preisen bei schlechterer Qualität führen. Aber die Kritiker dieser Maßnahmen wurden diffamiert und es wurden stattdessen Privatisierungen und „öffentlich-private Partnerschaften“ propagiert, bei denen der Staat das Geld geben darf, die „Privatwirtschaft“ aber die Federführung übernimmt und die Gewinne einstreicht.

Die Energiefrage

Dass die Krise nun vollends ausgebrochen ist, liegt zum einen an den eben genannten Fehlern der letzten 30 Jahre, in denen Globalisierung und Privatisierung Hand in Hand gegangen sind und die schleichende Verschlechterungen der Situation herbeigeführt haben. Das hat Deutschland wirtschaftlich verwundbar gemacht, weil vieles nicht mehr in Deutschland produziert wird, was Abhängigkeiten schafft, und weil die deutsche Regierung kaum noch Einfluss auf die Privatwirtschaft nehmen kann, weil die deutschen Konzerne im Zuge der Globalisierung längst nicht mehr deutschen Unternehmern, sondern internationalen (vor allem US-amerikanischen) Investmentfonds gehören.

Die verfehlte Energiepolitik, bei der die Politik auf erneuerbare Energien setzt, die erstens teuer sind und zweitens nicht stabil zur Verfügung stehen, hat einen weiteren Grundstein für die heutige Krise gelegt.

Nun hat die Politik entschieden, dieses Problem noch zu vergrößern und die billigen Energieträger aus Russland, die 50 Jahre lang den deutschen Wohlstand ermöglicht haben, abzulehnen. Das war der Todesstoß, der die ohnehin bereits strategisch geschwächte deutsche Wirtschaft endgültig umbringen oder aus Europa vertreiben wird. Man muss kein Wirtschaftsexperte sein, um zu verstehen, was das für den Wohlstand der Menschen bedeutet.

Auch dieses Problem ist nicht vom Himmel gefallen (oder von Putins „brutalem Angriffskrieg“ verursacht worden), sondern hat bereits fast ein Jahr vor der russischen Intervention in der Ukraine begonnen und ist ein Ergebnis der verfehlten Energiepolitik der letzten Jahrzehnte.

Verdummung der Leser beim Spiegel

Der Spiegel hat nun den oben genannten Artikel veröffentlicht und wir werden im Einzelnen durchgehen, welche Probleme der Spiegel nennt, die den deutschen Wohlstand in Gefahr bringen. Dabei werden wir abgleichen, ob diese Probleme Folgen der von mir aufgezählten systemischen Fehler der letzten 30 Jahre sind und ob der Spiegel seine Leser auf diese systemischen Probleme hinweist, die nun den Wohlstand in Deutschland endgültig zerstören werden.

Der Spiegel beginnt seinen Artikel mit dem Beispiel einer deutschen Chemiefirma, die in die USA abwandert und deren Führungskraft von den idealen Bedingungen in den USA schwärmt. Dann erfährt man im Spiegel, dass es all das in Deutschland nicht gibt.

Der Spiegel behauptet dann, dass Deutschland nach 2008 einen Strukturwandel verschlafen und stattdessen soziale Wohltaten verteilt hätte. Das Feindbild sind die Sozialleistungen, die angeblich großzügig verteilt wurden. Ich sehe die Ursache der Probleme woanders, aber es ist bemerkenswert, dass der Spiegel die Probleme, vor denen der Anti-Spiegel schon seit langem warnt, nun endlich erkennt, wie eine Auflistung aus dem Spiegel-Artikel zeigt:

  • Allein im Oktober verringerte die energieintensive Industrie ihre Produktion im Vergleich zum Vorjahr um fast 13 Prozent. Jeder vierte Kleinunternehmer und Soloselbstständige denkt ans Aufgeben.
  • Die Chemie- und Pharmabranche plant weiteres Wachstum vor allem in den USA, hierzulande investieren US-Konzerne indes rekordverdächtig wenig.
  • Unter den 100 wertvollsten Unternehmen der Welt ist derzeit nurmehr ein deutsches: SAP auf Platz 97.
  • Laut dem Digital Riser Report, der die digitale Wettbewerbsfähigkeit von 137 Ländern vergleicht, ist Deutschland inzwischen unter den G-20-Staaten Dritt- und unter den G-7-Ländern Vorletzter.

Anschließend listet der Spiegel Problembereiche auf, die wir uns nun anschauen wollen.

Die Energiewende

Dass die von Politik und Medien propagierte Energiewende nur ein Geschäftsmodell zum Geldverdienen und Teil des Problems ist, will der Spiegel immer noch nicht wahr haben. Stattdessen kritisiert der Spiegel, dass die Energiewende zu langsam vorangeht und dass zu wenig Windräder aufgestellt werden. Wie diese Windräder die Industrie bei Windstille mit Energie versorgen sollen, erfahren wir hingegen nicht, dabei war es der windarme Sommer 2021, der die heutige Energiekrise schon vor über einem Jahr ausgelöst hat.

Hinzu kommt, dass alternative Energien unglaublich teuer sind. Ich war sehr überrascht, dass der Spiegel das Anfang Dezember in einem anderen Zusammenhang sogar selbst zugegeben hat. Damals ging es dem Spiegel in seinem Artikel darum, Bundesinkompetenzminister Habeck über den grünen Klee zu loben, der die Wirtschaft bei der Energiewende finanziell unterstützen wollte. In dem Spiegel-Artikel konnte man erfahren:

„Klimafreundliche Produktion sei häufig so kostenintensiv, dass Unternehmen nicht darauf umstellen könnten, weil sie andernfalls einen zu großen Kostennachteil im Wettbewerb hätten, heißt es dem Bericht zufolge im Entwurf der Förderrichtlinie. Deshalb will Habeck bei großen Unternehmen mit hohem CO2-Ausstoß die Mehrkosten ausgleichen, die für eine klimafreundlichere Produktion entstehen.“

Im Klartext: Die deutsche Industrie geht entweder pleite oder verlagert ihre Produktion ins Ausland, weil wir eine Energiekrise und zu hohe Energiepreise haben. Als Lösung wird der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien vorgeschlagen, obwohl „klimafreundliche Produktion häufig so kostenintensiv sei, dass Unternehmen nicht darauf umstellen könnten, weil sie andernfalls einen zu großen Kostennachteil im Wettbewerb“ haben.

Die Energiewende ist vor allem eines: Sehr teuer. Und weil die erneuerbaren Energien vom Wetter abhängig sind, führt sie auch noch zu einer instabilen Stromversorgung. Es sei daran erinnert, dass Deutschland vor der aktuellen Energiekrise bei zu viel Wind den überschüssigen Strom umsonst ins Ausland abgegeben hat und den Strommangel bei Flaute in Deutschland mit aus dem Ausland für Geld importierten Atomstrom ausgleichen musste. Dass dieses Model nicht funktioniert, weiß jeder Experte, aber der Spiegel will das Problem sogar noch verschärfen.

Marode Infrastruktur

Der Spiegel geht dann auf die marode Infrastruktur in Deutschland ein. Über den Zustand der Bahn schreibt der Spiegel:

„Für die 30.000 Kilometer Schiene gilt der gleiche Befund: akut infarktgefährdet. Auf 50 Milliarden Euro schätzt der Chef von DB Netze, Berthold Huber, den Reparaturbedarf (…) Gleise, Steuerungssysteme und Züge sind in einem beklagenswerten Zustand. Seit dem Frühjahr sinkt die ohnehin niedrige Pünktlichkeitsquote der Fernbahnen auf ein bisher nicht gekanntes Niveau. Bei 60 Prozent liegt sie derzeit, bei einigen Strecken wie der Route von Mannheim nach Frankfurt und weiter nach Fulda kommt nur noch jeder zweite Zug pünktlich. Wenn überhaupt. Tatsächlich hat alles noch unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) begonnen. Er wollte die Bahn fit sparen für die Börse – was dazu führte, dass immer weniger repariert wurde. In den Jahren unter Merkel wurde es nicht besser.“

Das ist exakt das, was ich eingangs geschrieben habe: Die Privatisierungen – in diesem Fall bei der Bahn – führen zu schlechterer Versorgung bei steigenden Preisen. Probleme dieser Art gibt es bei staatlichen Bahngesellschaften in anderen Ländern nicht.

Weichen zum Beispiel müssen regelmäßig gewartet und geschmiert werden. Das erfordert viel Personal, ist also teuer. Nach der Privatisierung hat die Bahn die Wartung der meisten Weichen eingestellt, was dazu geführt hat, dass Züge, wenn es auf einer Strecke ein Problem gibt, nicht kurzerhand umgeleitet werden können. Die Folge ist klar: Es kommt zu Verspätungen.

Der Spiegel erwähnt zwar, dass Kanzler Schröder damit begonnen hat, die Bahn für den Börsengang kaputt zu sparen, dass das aber ein systemisches Problem von Privatisierungen generell ist, erwähnt der Spiegel nicht.

Mieten

In Deutschland gab es bis 1998 ein Bauministerium, das auch für sozialen Wohnungsbau zuständig war. Die Älteren unter uns erinnern sich noch daran, dass es damals keine nennenswerte Wohnungsnot oder übertrieben hohe Mieten gegeben hat. Die Schröder-Regierung fand jedoch, dass sozialer Wohnungsbau nicht mehr gebraucht werde und dass der Markt alles ganz toll regeln kann.

Das Ergebnis ist bekannt. Wohnungen sind in Deutschland unbezahlbar geworden, der Markt hat vor allem dazu gesorgt, dass Wohnraum knapp und teuer wurde. Das ist nicht verwunderlich, schließlich will die Privatwirtschaft – egal, ob Wohnungsbaugesellschaft oder privater Vermieter – vor allem eines: Eine möglichst hohe Miete kassieren, da stört ein ausreichendes Angebot an Wohnraum. Der Markt hat daher dafür gesorgt, dass weniger gebaut wurde, weil das zu geringeren Mieteinnahmen geführt hätte. Auch das war für jeden, der ein Grundverständnis für Volkswirtschaft hat, von vorneherein klar.

Trotzdem wurde das Thema sozialer Wohnungsbau in Deutschland fast 25 Jahre praktisch ignoriert. Der Spiegel beschreibt die Lage durchaus zutreffend:

„Es rächt sich, dass Politiker – in Bund, Ländern und Kommunen – das Problem ignoriert, ja mitunter gar wissentlich verschärft haben. Berlin etwa verkaufte bis Mitte der Nullerjahre Hunderttausende städtische Wohnungen, um den Haushalt zu sanieren. Von 2006 an verabschiedete sich auch der Bund aus dem Wohnungsbau. In den vergangenen 20 Jahren fiel die Zahl der Sozialwohnungen auf zuletzt nur noch etwas mehr als eine Million. Statt die niedrigen Zinsen der vergangenen Jahre zu nutzen, Wohnungsbestände im großen Stil zu rekommunalisieren oder neu zu bauen, wie es viele Experten immer wieder forderten, überließ man das Problem dem Markt. Mit den bekannten Folgen: Gentrifizierung, Wohnungsnot, Landflucht machten als Begriffe Karriere, während vor allem private Investoren ihr »Portfolio optimierten« und von einem nie gekannten Immobilienboom quer durch die Republik profitierten.“

Wieder jedoch fehlt beim Spiegel jeder Hinweis darauf, dass es sich um ein systemisches Problem handelt. Auch der Spiegel fand seinerzeit, dass die Privatisierung der Berliner Wohnungen eine tolle Idee sei. Berlin musste den Deal inzwischen – für sehr viel Geld – rückabwickeln, die Privatwirtschaft hat also zweimal verdient: Nach der Privatisierung an den Mieten und bei der Rückabwicklung am Rückverkauf an die Stadt Berlin.

Der Spiegel gibt sogar zu, dass das Problem faktisch „der Markt“ ist, sieht aber keinen Grund, seine Leser darauf hinzuweisen, dass das bei ausnahmslos allen Privatisierungen so ist.

Ich bin keineswegs ein Anhänger einer Staatswirtschaft, aber ich bin der Meinung, dass soziale Themen wie zum Beispiel Wohnungsbau, Gesundheitssystem, Wasser- und Stromversorgung oder auch die Bahn in staatliche Hand gehören, weil es dabei um die Versorgung mit für Wirtschaft und Bürger lebenswichtigen Dienstleistungen geht, bei denen nicht die Gewinnmaximierung an erster Stelle stehen darf.

Der Spiegel ist dem westlichen System bekanntlich treu ergeben, weshalb man Hinweise auf systemische Fehler beim Spiegel nicht erwarten darf. Und wie der aktuelle Artikel zeigt, findet man diese Kritik auch nicht. Stattdessen werden die Probleme zwar beschrieben, dass sie ihre Wurzel aber alle im gleichen „Systemfehler“ haben, wird nicht thematisiert. Für den Spiegel-Leser wird der Eindruck geschaffen, dass all diese Probleme wie eine Naturkatastrophe über das Land kommen, anstatt darauf hinzuweisen, dass sie eine Folge des westlichen Systems sind, das unter anderem der Spiegel nach Kräften unterstützt.

Die hohen Immobilienpreise, die die Folge des durch die Einstellung des sozialen Wohnungsbaus entstandenen Wohnungsmangels sind, hat der Spiegel in der Vergangenheit sogar gefeiert, anstatt davor zu warnen, dass sie die Vorboten einer kommenden Krise sind, wie ich schon 2019 anhand eines der Spiegel-Artikel zu dem Thema aufgezeigt habe.

Gesundheitssystem

Erstaunlich kritisch äußert der Spiegel sich auch zur Lage im deutschen Gesundheitssystem:

„Der Normalzustand in einem der angeblich besten Gesundheitssysteme der Welt? Sieht für Jakob Maske so aus: In seiner Berliner Kinderarztpraxis arbeiten sie derzeit in je zwei bis vier Minuten die kleinen Patienten ab, versorgen an manchen Tagen 200 Kinder mit drei Medizinern. Besonders schwere Fälle überweist Maske üblicherweise in die Klinik. Doch in der zweiten Dezemberwoche fand er in keinem Berliner Krankenhaus mehr ein Bett für die schwer erkrankten Kinder. Grippewelle in der Hauptstadt. Bis nach Cottbus und Halle, mehrere 100 Kilometer entfernt, mussten die Notfälle schließlich transportiert werden.“

Das sind Zustände, die in Deutschland noch vor wenigen Jahren undenkbar waren. Auch hier liegt der Grund in den von mir genannten systemischen Problemen, denn irgendwann ist in Deutschland jemand auf die Idee gekommen, dass Krankenhäuser kostendeckend und sogar mit Gewinnen arbeiten müssten. Das Ergebnis waren unsinnige und knapp bemessene Pauschalen für Behandlungen und die daraus folgende Schließung unrentabler Krankenhäuser. Die heutige Misere, die wegen der Überlastung der Krankenhäuser durch eine Erkältungswelle Schlagzeilen macht, ist ebenfalls hausgemacht.

Dass der Kostendruck, den die Entscheidung, dass Krankenhäuser gefälligst Geld zu verdienen haben, an der Misere Schuld ist, erfährt man im Spiegel nur zwischen den Zeilen:

„Das System ist am Anschlag. Nicht nur bei den Kindern. Und nicht nur zur Erkältungszeit. Es fehlen Ärzte, Hebammen, Intensivpflegekräfte. Spätestens die Pandemie legte die Schwachstellen offen. Die Praxen der niedergelassenen Kinderärzte sind heillos überfordert. Die Krankenhäuser wurden schonungslos auf Wirtschaftlichkeit getrimmt, man könnte auch sagen: kaputtgespart.“

Auch hier nennt der Spiegel das Problem überraschenderweise durchaus beim Namen, vermeidet er es aber wieder, endlich darauf hinzuweisen, dass es ein systemisches Problem des politischen und wirtschaftlichen Systems des Westens ist, das staatliche Betriebe verteufelt und alles privatisieren möchte – auch das Gesundheitssystem.

Die Grundversorgung der Menschen gehört nicht in private, sondern in staatliche Hände. In privaten Händen liegt der Fokus auf dem Erzielen von Gewinn, nicht auf der flächendeckenden Versorgung der Menschen mit zum Beispiel medizinischer Versorgung. Das Ergebnis dieser Politik sehen wir heute, aber der Spiegel erwähnt das Kernproblem nicht einmal.

Gesunde Lebensmittel

In der EU sind die Subventionen der Landwirtschaft immer noch einer der größten Posten des Haushaltes. Das Problem ist, dass diese Subventionen so geregelt sind, dass große Produzenten prozentual höher gefördert werden. Das Ergebnis ist wenig überraschend: Die großen Lebensmittelkonzerne greifen das Geld ab und die kleinen Landwirte gehen pleite.

Der Spiegel berichtet darüber mit dem Beispiel eines kleinen Landwirtes, der besseres Fleisch produziert, das aber auch teurer ist, weil er seinen Schweinen mehr Platz gibt, als es die industriellen Produzenten tun. Doch seit die Energiepreise wegen der verfehlten Energiepolitik steigen und die Haltung der Schweine verteuern und die Inflation als Folge der Russland-Sanktionen dafür gesorgt hat, dass die Menschen weniger Kaufkraft haben, kann der Landwirt nicht mehr kostendeckend arbeiten.

Um solchen Landwirten zu helfen, gab es unter Landwirtschaftsminister Borchert mal Pläne, das Tierwohl zu fördern und solche Landwirte finanziell zu unterstützen. Der Spiegel schreibt:

„Umgesetzt werden Borcherts Ideen womöglich nie, vor allem, da sie mit drei bis fünf Milliarden Euro jährlichen Kosten kurzfristig nicht gerade billig erscheinen. Auf lange Sicht indes könnte sich die Investition lohnen: Denn ohne Reform muss die Volkswirtschaft weiter jährlich 90 Milliarden Euro Folgekosten der Turbo-Landwirtschaft stemmen – weil Grundwasser oder Luft belastet werden, biologische Vielfalt verloren geht.“

Die Politik des Westens, die großen Konzerne zu unterstützen, führt zu massiven Umweltschäden. Aber lächerliche fünf Milliarden Euro pro Jahr, die Abhilfe schaffen würden, sind zu viel Geld. Die Bankenrettung hat seinerzeit 60 Milliarden gekostet und die Bundeswehr hat gerade 100 Milliarden zusätzlich bekommen.

Das bedeutet, dass Geld da ist, es fehlt lediglich der politische Wille, es zum Beispiel für biologische Landwirtschaft auszugeben und kleine Landwirte ausreichend zu fördern, denn solche Maßnahmen würden die Konkurrenten der großen Lebensmittelkonzerne unterstützen. Aber das ist nicht gewollt, lieber nimmt man das Sterben kleiner Bauernhöfe, die Umweltverschmutzung durch industrielle Landwirtschaft und die Verschlechterung der Lebensmittelqualität in Kauf.

Wieder gilt: Der Spiegel stellt den großen Zusammenhang nicht her, was nicht verwundern kann, denn die großen Konzerne, die von dieser Politik profitieren, sind die Werbekunden des Spiegel. Die will der Spiegel natürlich nicht verärgern, also verzichtet er an Kritik an dem System, obwohl es die aktuelle Krise verursacht hat.

Das Ende des Wohlstandes

Der Spiegel hat in seinem Artikel nur wenige der Bereiche angesprochen, die derzeit in der Krise stecken und sich in der EU zum perfekten Sturm anhäufen. Der Spiegel hat aber nicht darauf hingewiesen, dass die Gründe für die heutigen Probleme alle im westlichen System liegen und daher hausgemacht sind. Solange das westliche System nicht geändert wird, ist also keine Besserung zu erwarten.

Das zeigt auch der Spiegel-Artikel, denn Vorschläge zur Lösung des Problems kommen ausgerechnet vom Internationalen Währungsfonds, einem der zentralen Player, die das System erhalten wollen. Der Spiegel schreibt:

„Deutschland, argumentiert er, habe einiges zu tun. Energie, Infrastruktur, Fachkräfte, Digitalisierung – in vielen Bereichen sei der ehemalige Exportweltmeister im internationalen Vergleich zurückgefallen.“

Das Problem mit der Energie ist hausgemacht und das Ergebnis von Energiewende und anti-russischer Politik. Der Fachkräftemangel ließe sich lösen, wenn endlich angemessene Gehälter gezahlt und bessere Arbeitsbedingungen geschaffen würden. Ich denke dabei vor allem an die Bereiche, in denen der Fachkräftemangel besonders akut ist: Kranken- und Altenpfleger, womit wir wieder bei dem Problem wären, dass Krankenhäuser und Pflegeheime gewinnbringend arbeiten müssen, anstatt sich auf medizinische Versorgung und gute Pflege konzentrieren zu können.

Die Infrastruktur (siehe die Probleme bei der Bahn) ist unter anderem wegen der Privatisierungen in einem miserablen Zustand. Gleiches gilt für die Digitalisierung, bei der Deutschland ganz schlecht aussieht, was vor allem daran liegt, dass private Telekommunikationskonzerne dafür zuständig sind. Und die wollen – ich wiederhole mich – ihre Gewinne maximieren, weshalb es für sie uninteressant ist, in ländlichen Gegenden zu investieren.

Eine mögliche Lösung wäre sehr einfach: der Staat baut die Infrastruktur für flächendeckendes Internet und die Telekommunikationskonzerne bezahlen dem Staat eine Gebühr für die Nutzung. So war es früher mal, als die Post noch ein Staatsunternehmen war. Aber solange man Fragen der Infrastruktur der Privatwirtschaft überlässt, wird es – siehe Bahn – Probleme mit der Infrastruktur geben.

Der Internationale Währungsfonds schlägt, wie der Spiegel schreibt, als Lösung „ein großes staatliches Investitionsprogramm“, also neue Schulden, vor:

„Breitbandausbau, eine digitale Verwaltung, Gelder für funktionierende Schnellzugverbindungen, Autobahnen, Brücken, Häfen. Dazu genug Mittel für Bildung, um den Menschen zu ermöglichen, schneller und flexibler von einem Beruf in den anderen zu wechseln – und so das Fachkräfteproblem zu lösen. Und dann wäre da natürlich der Klimaschutz. »Die aktuelle Krise müsste der Weckruf für eine neue, grüne Wirtschaft in Deutschland sein. Dafür sollte die Bundesregierung alle Anstrengungen unternehmen«“

Vor allem der Klimaschutz, also die Energiewende, ist eines der zentralen Probleme der deutschen Wirtschaft, denn sie hat Energie nur verteuert. Solange man das Problem mit den Rezepten lösen will, die das Problem geschaffen haben, ist wenig Gutes zu erwarten.

Mit anderen Worten lautet die „Lösung“ des Problems demnach: „Weiter so!“