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Wie in Russland über das Wahlchaos im US-Kongress berichtet wurde

Published On: 9. Januar 2023 6:00

In den USA war das Chaos der Wahl des Sprechers des Repräsentantenhauses die wichtigste Nachricht der Woche. Das galt auch für das russische Fernsehen.

Das Chaos der Wahl des Sprechers des US-Repräsentantenhauses hat letzte Woche die Schlagzeilen in den USA beherrscht, weshalb es auch das wichtigste Thema des USA-Korrespondenten des russischen Fernsehens war, dessen Bericht darüber ich übersetzt, habe um aufzuzeigen, wie in Russland darüber berichtet wurde.

Beginn der Übersetzung:

Wie die Republikaner ihre eigenen Regeln aufstellen

Das wichtigste Ereignis der Woche in den USA ist die längste Wahl des Sprechers des Unterhauses des Kongresses seit eineinhalb Jahrhunderten. Es geht auch ein bisschen um Fast Food. Nach acht erfolglosen Versuchen von Kevin McCarthy nominierten die Republikaner einen anderen Kevin: Kevin Hern, einen ehemaligen Besitzer von 20 McDonald’s-Restaurants. Aber McCarthy bestellte rechtzeitig Pizza für alle und sie stimmten schließlich für ihn. Für das Spektakel brauchte man eine Menge Popcorn, wie der Bericht unseres Korrespondenten zeigt.

McCarthy begann frech: Bei der Bekanntgabe der Prioritäten des Repräsentantenhauses erwähnte er die Ukraine nicht ein einziges Mal und deutete ein „Ende der verschwenderischen Ausgaben der Regierung Biden“ an. Nicht einmal der Vatikan wollte Zeit auf Biden verschwenden: Der verstorbene Papst Benedikt XVI. hat dem US-Präsidenten die Teilnahme an seiner Beerdigung testamentarisch verboten.

Die Wahl des Sprechers des Repräsentantenhauses wurde von Babygeschrei und dem Lachen von Teenagern begleitet. Die gewählten Abgeordneten kommen traditionell mit ihren Familien zur ersten Sitzung, um ihren Amtseid abzulegen. Doch bei der 118. Einberufung wurde die Feier verschoben. Die Abstimmung könnte sich so lange hinziehen, dass die Kinder wachsen könnten. 14 Versuche, drei Tage hintereinander und null Ergebnisse. Die Nerven der Politiker lagen blank, Streithähne wurden gewaltsam voneinander weggezerrt, obwohl sie alle Parteifreunde waren. Die Republikaner haben die Mehrheit im Repräsentantenhaus, es liegt an ihnen, den Vorsitzenden zu bestimmen.

„Man hat mir die einzige Möglichkeit gegeben, 218 Stimmen zu bekommen, wenn ich bestimmten Mitgliedern bestimmte Positionen, bestimmte Befugnisse gebe. Aber ich werde dafür kämpfen, dass das amerikanische Volk an erster Stelle steht und nicht ein paar Einzelne, die etwas für sich selbst wollen“, sagte Kevin McCarthy, der Chef der Republikaner im Repräsentantenhaus.

Gegen Kevin McCarthy steht der radikale Flügel der Partei. Diejenigen, die in den Kongress kamen, um den Washingtoner Sumpf trocken zu legen. Sie glauben, dass McCarthy schon so lange an der Macht ist, dass auch sein Ruf beschädigt ist. Sie streiten, und der Kongress arbeitet nicht. Ohne Sprecher ist das Unterhaus gelähmt.

„Das ist nicht mein Problem, aber es ist einfach peinlich, dass es so lange dauert, bis sie miteinander klarkommen. Und der Rest der Welt schaut darauf, ob wir uns zusammenreißen können“, sagte Joe Biden.

Der Demokrat Biden kann den Beginn der Arbeit des Kongresses nicht beschleunigen. Unter den Republikanern, die die Macht übernommen haben, gibt es viele, die die dunklen Machenschaften der Präsidentenfamilie untersuchen wollen.

„Ich möchte den Justizausschuss leiten. Ihr kennt mich, Leute, ich befrage gerne Zeugen und bringe die Wahrheit für das amerikanische Volk ans Licht.“ So antwortete der Politiker Jim Jordan auf die Frage, ob er bereit sei, das Repräsentantenhaus zu führen. Bei der Auswahl der alternativen Kandidaten gingen McCarthys Gegner sogar bis zu Donald Trump. Die treuesten Anhänger des ehemaligen Präsidenten waren übrigens die Verrücktesten, aber als er sie aufforderte, sich zu beruhigen, rasteten sie aus: „Mein Lieblingspräsident hat angerufen und gesagt, wir müssten das hinter uns bringen. Aber ich denke, es sollte anders sein, der Präsident sollte Kevin McCarthy sagen: Sir, Sie haben die Stimmen nicht, es ist Zeit zu gehen“, sagte Lauren Boebert.

Zum ersten Mal in einem Jahrhundert hat eine Handvoll widerspenstiger Politiker die Abstimmung gesprengt und damit einen Stich gemacht. Sie haben einen Skandal ausgelöst und sind dann von Fernsehender zu Fernsehsender getingelt, um zu erklären, was das alles zu bedeuten hat. Lauren Boebert wird in den Untertiteln als gewählte Kongressabgeordnete bezeichnet, das heißt, sie ist noch kein Vollmitglied. Das Repräsentantenhaus hat seine Arbeit noch nicht aufgenommen, aber die Republikaner, die die Oberhand gewonnen haben, haben bereits die Regeln festgelegt. Die Metalldetektorrahmen werden von den Eingängen zum Kapitol entfernt. Sie sind dort vor zwei Jahren aufgetaucht, am 6. Januar, nach Trumps Wahlniederlage, als ein Mob seiner Anhänger das Kapitol stürmen wollte, um das Ergebnis zu kippen. Mehr als hundert Beamte wurden verletzt. Während sie die Menge zurückhielten, evakuierten Sicherheitskräfte die Politiker durch unterirdische Tunnel in Sicherheit.

Anlässlich des Jahrestages versammelten sich die Mitglieder des Kongresses auf den Stufen vor dem Gebäude, um an diesen Tag zu erinnern. In seiner Rede sprach ein US-Demokrat von fünf an diesem Tag getöteten Polizisten. Das regte den Fox-Moderator Tucker Carlson auf, der fragte, was seine Kinder wohl mal im Geschichtsunterricht lernen werden, denn die fünf Polizisten wurden nicht getötet, sondern starben Tage später unter sehr mysteriösen Umständen. Selbstmorde, plötzliche Gesundheitsprobleme…

Das einzige Opfer des Angriffs war die unbewaffnete Trump-Anhängerin Ashley Babbitt, die von den Wachen des Kapitols erschossen wurde. Am Jahrestag des Todes ihrer Tochter kam ihre Mutter zum Capitol Hill. Die Frau wurde daran gehindert, eine Gedenkveranstaltung abzuhalten, und wurde in Handschellen auf die Wache gebracht. Für die Behörden sind Trump-Anhänger, die mit dem Angriff in Verbindung gebracht werden, Terroristen.

Obwohl Guy Reffitt aus Texas weder das Kapitol betreten noch Polizeibeamte geschlagen hat, wurde er wegen Behinderung der Justiz zu mehr als sieben Jahren verurteilt. Der größte Fall in der Geschichte der amerikanischen Justiz betrifft etwa tausend Menschen. Morgen beginnt der Prozess gegen Richard Barnett, der in das Büro von Nancy Pelosi gelangt ist und eine unanständige Nachricht auf ihrem Schreibtisch hinterlassen hat.

Jetzt, nach dem 15. Wahlgang, wird Kevin McCarthy auf diesem Stuhl sitzen. Um den begehrten Posten zu bekommen, musste McCarthy viele Zugeständnisse machen. Er erklärte sich bereit, sofort zurückzutreten, wenn auch nur ein einziger Parteikollege seinen Rücktritt fordert. Der Sprecher könnte durch diese Verabredung leicht erpresst werden und so eine Show wie die jetzige wird sich im Kongress wahrscheinlich mehr als einmal wiederholen.

Allerdings haben die Republikaner die epische Wahl des Sprechers als Triumph der Demokratie bezeichnet. Die Demokraten widersprechen: „Die Wahlkatastrophe 2022 geht weiter. Das geschieht, weil die Republikaner bei den Herbstwahlen so schlecht abgeschnitten haben. Sie hätten 30, 40, 50 Sitze gewinnen und den Senat übernehmen müssen. Es hätte die vorhergesagte rote Welle geben müssen. Sie haben es nicht getan und verschlimmern nun das Problem, indem sie sich vor der ganzen Welt wie Vollidioten aufführen. Und es stellt sich die logische Frage: Wenn sie nicht einmal für den Sprecher des Repräsentantenhauses stimmen können, wie werden sie dann dastehen, wenn die wirklichen Themen, wie Haushalt und Staatsschulden, vor den Kongress kommen?“

Es scheint vereinbart worden zu sein, die Schuldenobergrenze nicht anzuheben, und die Demokraten, die es gewohnt sind, überbordende Haushalte zu verabschieden, kratzen sich bereits an den Köpfen. Der neue Kongress wird auch eine Erhöhung der Militärausgaben ablehnen. Im Jahr 2023 werden sie auf dem Niveau von 2022 bleiben. Den Vorsitz im Verteidigungsausschuss wird wahrscheinlich Matt Gaetz führen. „Die Tage des endlosen Geldes und der Waffen für die Ukraine sind gezählt. Ich werde nicht für einen weiteren Dollar für die Ukraine stimmen. Ich werde nicht für eine weitere Waffe für die Ukraine stimmen. Wir sind viel zu sehr in diesen Konflikt verstrickt“, sagte Gaetz.

Aber besonders geschäftstüchtige Kongressabgeordnete haben mit dem Ukraine-Konflikt gutes Geld verdient. Journalisten haben herausgefunden, dass Politiker Aktien von Rüstungsunternehmen gekauft haben und dann für die Militärhilfe für Kiew gestimmt haben. Ob der neue Kongress in der Lage sein wird, den unersättlichen Appetit der Kriegsmaschinerie nicht in Worten, sondern in Taten zu zügeln, ist die offene Frage.

Ende der Übersetzung


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