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China, die USA und die SPD auf dem Weg in einen neuen Kalten Krieg

Published On: 15. Januar 2023 16:28

Der SPD wird noch viel Arbeit ins Haus stehen, wenn sie die deutsche Abhängigkeit von China tatsächlich spürbar herunterfahren will. Hinzu kommt, dass Xi Jinping eine solche Politik mit Argusaugen beobachtet und kaum ohne Konsequenzen geschehen lassen wird.

IMAGO / Xinhua

Joe Biden und Xi Jinping in Bali, Indonesien, 14. November 2022

Kaum war Kevin McCarthy als Sprecher des Repräsentantenhauses gewählt, richtete das US-Parlament einen neuen Sonderausschuss ein. Auf Anregung des Parlamentspräsidenten entstand das „House Select Committee on China“ unter dem Vorsitzenden des Republikaners Mike Gallagher aus Wisconsin. Gallagher machte unmittelbar nach seiner Wahl unmissverständlich deutlich, um was es ihm geht: Eine parteiübergreifende Gewaltanstrengung, um innerhalb von zehn Jahren die Volksrepublik China in etwas zu besiegen, was er den „Neuen Kalten Krieg“ nennt. McCarthy beschreibt die Aufgabe des Ausschusses damit, „die Cyber-, Handels- und militärischen Bedrohungen der Kommunistischen Partei Chinas gegen Amerika aufzudecken und zu bekämpfen“.

Die USA sehen einen 30-jährigen Kalten Krieg mit Chinas Kommunisten

Der mit 38 Jahren junge Gallagher, der in sieben Jahren als Geheimdienstoffizier des Marinekorps unter anderem im Irak Auslandserfahrung mitbringt, befindet, dass die Volksrepublik und das Russland Putins den Kalten Krieg gegen die USA vor ungefähr zehn Jahren begonnen hätten. Es hätte jedoch bis in die Gegenwart gebraucht, dieses zu begreifen – und das auch deshalb, weil die Form der Auseinandersetzung nicht in jeder Hinsicht identisch sei mit dem klassischen Ost-West-Konflikt. Wenn er dennoch von einem Kalten Krieg spreche, dann solle dieses verdeutlichen, dass es sich bei der aktuellen Konfrontation um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handele.

Die USA müssten sich darauf einstellen, dass es sich um eine „long-term competition“ (langwieriger Wettbewerb) handele, nicht um einen „short-term sprint“. Es sei ein „ideologischer Wettbewerb zwischen zwei konkurrierenden Regierungssystemen und den ihnen innewohnenden Werten“. Bei all dem müsse unbedingt darauf geachtet werden, dass der Konflikt „kalt bleibt und nicht heiß wird, denn das wäre verheerend“. 

Gallagher geht davon aus, dass die KPCh für mindestens eine Dekade, vermutlich aber eher für drei Jahrzehnte das größte Sicherheitsproblem für die USA darstellen werde. Die Arbeit des Ausschusses sei insofern langfristig angelegt. Seine Hauptaufgabe sei es, die an unterschiedlichsten Stellen einlaufenden und analysierten Daten und Fakten zur Volksrepublik zu bündeln und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Letztlich gehe es um nicht weniger, als einen möglichen Ausbruch des Dritten Weltkriegs beispielsweise wegen der Taiwan-Frage zu verhindern. Auch deshalb müsse das Komitee überparteilich Empfehlungen entwickeln, wo und in welcher Weise Investitionen vorzunehmen seien, um den Kalten Krieg mit dem kommunistischen China zu gewinnen. Bei all dem sollen die Amerikaner unmittelbar in die Arbeit einbezogen werden – beispielsweise darüber, dass die Sitzungen des Ausschusses unionsweit übertragen werden und vor allem der Ausschuss dem amerikanischen Volk erklärt, weshalb das kommunistische China eine permanente Bedrohung darstelle.

Wichtig sei es für Gallagher jedoch, deutlich zu machen, dass der Feind nicht China oder das chinesische Volk ist, sondern die Kommunistische Partei. Sie sei ein Feind der Freiheit überall auf der Welt, „Orwells Gesellschaftsmodell der totalitären Kontrolle auf Steroiden“. Das träfe nicht nur die „Millionen uigurischer Muslime, die die Kommunisten in der Provinz Xinjiang versklavt haben, und jene chinesischen Bürger, die jüngst gegen dieses Modell protestiert haben, sondern solle von der KPCh zum weltumspannenden Exportmodell gemacht werden. „Wir müssen realistisch sein und das Regime verstehen, mit dem wir es zu tun haben, und uns auf einen Tag zubewegen, an dem wir es vielleicht mit anderen Verhaltensweisen der Kommunistischen Partei Chinas zu tun haben“, meint Gallagher und spielt damit auf die Gefahr eines von China ausgehenden Expansionskrieges an.

Die bundesdeutsche SPD folgt auf den Fuß

Dass die Botschaft aus den USA zumindest bei den bundesdeutschen Sozialdemokraten angekommen ist, dokumentierte der SPD-Mitvorsitzende Lars Klingbeil umgehend. Aus seiner Sicht könne die Bundesrepublik gezwungen sein, mit der Volksrepublik einen ähnlichen Bruch zu vollziehen wie mit Russland: „Wir müssen uns bewusst machen, dass morgen, übermorgen oder in zehn Jahren der Zeitpunkt kommen kann, an dem China Grenzen überschreitet.“ So würde ein militärisches Vorgehen der Volksrepublik gegen die demokratische Republik China auf der Insel Taiwan die Beziehungen ähnlich „fundamental ändern, so wie das jetzt mit Russland der Fall ist“. Dazu sei es unverzichtbar, sich von China unabhängiger zu machen und sowohl andere Märkte zu erschließen als auch andere Partner für den Handel mit Rohstoffen zu finden.

Die Schulden-Macher beim EU-Gipfel

Klingbeils Erkenntnis: Das strategische Denken in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik sei in der Vergangenheit mangelhaft gewesen, wie auch anhand der „verfehlten Russland-Politik der vergangenen Jahre“ deutlich werde. Dem ist durchaus zuzustimmen, auch wenn Klingbeil nicht vergessen sollte, dass es vor allem die SPD gewesen ist, die über Jahrzehnte alle mahnenden Worte zum Umgang mit Moskau und Peking vom Tisch gewischt hatte und der einst von Egon Bahr herausgegebenen Parole vom „Wandel durch Annäherung“ in der Version des „Wandel durch Handel“ gefolgt war. Klingbeils „strategisches Denken“ wird insofern unmittelbar an die Grenzen des Faktischen stoßen: War es in Sachen Russland vor allem der Hunger nach billiger Energie, der den amtierenden Bundeskanzler noch 2021 zum vehementen Verteidiger der Gaspipelines durch die Ostsee gemacht hatte, so spricht in Sachen Volksrepublik die Wirtschaftsbilanz eine unmissverständliche Sprache.

Eine kaum zu überwindende Abhängigkeit

Laut Statistischem Bundesamt war die VRC im Jahr 2021 mit Waren im Wert von 245,4 Milliarden Euro zum sechsten Mal in Folge der wichtigste Handelspartner, gefolgt von den Niederlanden mit 206,1 Milliarden. Auf Platz 3 folgen die USA mit 194,1 Milliarden Handelsvolumen. Nicht nur mit Blick auf Deutschland zeigen die Bilanzen jedoch auch, in welchem Maße der Wohlstand – und die Expansion – der Volksrepublik abhängig ist vom Handel mit EU und USA.

So importierte die BRD aus der VRC im Jahr 2021 Güter im Wert von 141,7 Milliarden Euro, denen lediglich Exporte in Höhe von 103,6 Milliarden gegenüberstehen. Der Überschuss für die Staatskasse der Pekinger Kommunisten ist also bedeutend.

Corona und Wirtschaftspolitik

Hinzu kommt, dass deutsche Unternehmen nicht nur ihr Knowhow an den Jangtse tragen, sondern sogar Firmenzentralen und hochmoderne Industrien dort errichten, wo eine allmächtige Staatspartei über Nacht mit einem Federstrich alles enteignen kann, wenn es ihr so gefällt. Dennoch investieren beispielsweise BMW und BASF Milliarden auf einem Terrain, dessen rechtliche und marktwirtschaftliche Sicherheit alles andere als gewährleistet ist.

Klingbeil wird noch viel Arbeit ins Haus stehen, wenn er die deutsche Abhängigkeit von der Volksrepublik tatsächlich spürbar herunterfahren will. Hinzu kommt, dass Xi Jinping eine solche Politik mit Argusaugen beobachtet und kaum ohne Konsequenzen geschehen lassen wird. Auch wenn die internationale Marktlage Peking zu zwingen scheint, wie im Falle seiner Non-Covid-Politik auch radikale Brüche durchzusetzen, wollen Pekings Schulterschluss mit Moskau, die neue Kalte-Kriegs-Theorie des US-Repräsentantenhauses und Klingbeils Erkenntnisse wenig übereingehen.

Das allerdings hindert den Sozialdemokraten nicht, in klassisch deutscher Großmannssucht festzustellen: „Wir müssen unsere außen- und sicherheitspolitische Kompetenz erweitern, wenn wir international eine Rolle spielen wollen.“ Welche Rolle Klingbeils zögernder Kanzler spielt, wird dieser Tage einmal mehr deutlich mit Blick auf die Debatte um die Lieferung von Leo-2-Panzern an die Ukraine. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, dass die westliche Allianz um die baldige Lieferung schweren Kampfgeräts an die Ukraine nicht herumkommt. Dennoch eiert Christine Lambrecht, von vielen Beobachtern als größtmögliche Fehlbesetzung auf dem Posten des Verteidigungsministers beurteilt, an jeder konkreten Frage zum Thema hilflos vorbei – und des Scholzens SPD klausiert sich einmal mehr im mehr als Vagen.

So drängt sich einmal mehr der Eindruck auf: Entscheidungen trifft die SPD erst dann, wenn sie eigentlich schon zu spät sind. Wie Klingbeil mit einem Hund, der ständig zum Jagen getragen werden muss, nicht nur die Abhängigkeit von der Volksrepublik überwinden, sondern zudem noch eine „internationale Rolle“ spielen will, wird insofern sein Geheimnis bleiben.

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