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Alle Männer des Bundespräsidenten: Die Schweiz hat ihren Skandal um die „Corona-Leaks“

Published On: 27. Januar 2023 10:55

Der Sprecher von Alain Berset versorgte einen Verlag exklusiv mit vertraulichem Material zur Corona-Politik – gegen gefällige Berichte. In Deutschland könnte das nicht passieren. Hier ist das Geschäft zwischen Politik und Medien besser organisiert.

MAGO / Eibner Europa

Schweizer Bundespräsident Alain Berset, 13. Januar 2023

Die Affäre um die regierungsgefällige Corona-Berichterstattung des Schweizer Ringier-Verlags, um durchgestochene vertrauliche Unterlagen und journalistische Selbstaufgabe eines einflussreichen Verlags begann vor fast zwei Jahren wie ein Lawinenabgang: Damals löste sich ein kleines Stück aus dem politisch-medialen Komplex. Mittlerweile steht eins der größten Schweizer Medienhäuser völlig diskreditiert da. Die Staatsanwaltschaft und ein Parlamentsausschuss ermitteln.

Im Mittelpunkt steht der höchste eidgenössische Politiker, Bundespräsident Alain Berset, damals Gesundheitsminister. Wie schon die Twitter-Files zeigt auch die Berset-Ringier-Affäre, wie massiv staatliche Stellen während der Corona-Zeit hinter den Kulissen die öffentliche Debatte manipulierten. Und wie ein Medienunternehmen seine nach außen beteuerte Unabhängigkeit bedenkenlos über Bord warf. Der Skandal im Nachbarland führt auch zu der Frage: Wie steht es um ähnliche heimliche und teils illegale Informationskanäle zwischen Politikern und Journalisten in Deutschland?

Ins Rollen kam die Schweizer Affäre am 3. Februar 2021 in der eigentlich nicht öffentlichen Gesprächsreihe «Inspirational Talk» der Schweizerischen Management Gesellschaft. Dort sagte Ringier-Chef Marc Walder in der Hoffnung, niemand würde es dokumentieren, den entscheidenden Satz: «Wir hatten in allen Ländern, wo wir tätig sind – und da wäre ich froh, wenn das in diesem Kreis bleibt –, auf meine Initiative hin gesagt: ‚Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung, dass wir alle gut durch die Krise kommen‘.“ Zu Walders Leidwesen zeichnete jemand seine Worte auf, und sie gelangten in die Öffentlichkeit. Der Medienmanager gab sich zerknirscht, beteuerte aber sofort, sein Unternehmen, zu dem die auflagenstarke Boulevardzeitung „Blick“ gehört, habe selbstverständlich immer auf ausreichende Distanz zur Regierung und vor allem zu Gesundheitsminister Berset geachtet.

Seit Ende 2022 weiß das Publikum etwas besser über das Verhältnis der beiden Bescheid. Durch eine Recherche von CH Media, vermutlich unterstützt von internen Tippgebern, kamen gut 180 Mails zwischen Bersets damaligem Kommunikationschef Peter Lauener und Ringier-CEO Walder in die Öffentlichkeit. Sie dokumentieren, dass aus Bersets Ressort reihenweise vertrauliche Regierungsinformationen exklusiv an den Verlag flossen. Im Gegenzug berichteten dessen Blätter über Corona-Themen stramm auf Regierungskurs, und ließen Berset in schmeichelhaftem Licht erscheinen. Nach Ansicht der Ermittler handelt es sich in zahlreichen Fällen um Geheimnisverrat.

Mit seiner Durchstecherei verschaffte Bersets Kommunikationschef dem Presseunternehmen einen Wettbewerbsvorteil: Wer eine kritische Betrachtung der Schweizer Corona-Maßnahmen suchte, fand in den Ringier-Publikationen zwar nichts.

Wer aber vor allem wissen wollte, was die Regierung als nächstes vorhatte, konnte im „Blick“ und anderen Medien des Hauses so präzise Vorabinformationen lesen, als hätten seine Journalisten in vertraulichen Beratungen dabeigesessen. „In den vergangenen zwei Jahren hat der ‚Blick‘ wie eine Aussenstelle des Bundesamts für Gesundheit (BAG) gewirkt“, spottet die Neue Zürcher Zeitung.

Nicht nur die Staatsanwaltschaft ermittelt, sondern auch die Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) des National- und Ständerats. Das ist ungewöhnlich; normalerweise wartet die GPK das Ergebnis von juristischen Untersuchungen ab, ehe sie selbst tätig wird. Diese Affäre schien den Parlamentariern allerdings so schwerwiegend, dass sie schon jetzt parallel zur Justiz nachforscht.
Berset hofft offenbar, die Affäre im Amt durchstehen zu können. Er verweist zutreffend darauf, dass gegen ihn selbst bis jetzt nicht ermittelt werde. Sollte es am Ende einen Schuldigen geben, dann seinen damaligen Kommunikationschef. Allerdings findet sich kein Kenner der Verhältnisse, der ernsthaft glaubt, Lauener hätte ohne Wissen seines Chefs derart viele geheime Informationen zur Corona-Politik durchgestochen.

Formal zieht sich Berset außerdem darauf zurück, dass er als Bundespräsident zu dem Verfahren, in dem es um sein früheres Ressort geht, nichts sagen könne. „Ich bin mir Druck gewohnt und auch, dass es immer Fragen gibt, auch berechtigte Fragen“, so Berset zu SRF. „Aber dann gibt es auch die richtigen Orte, um Antworten zu liefern – in diesem konkreten Fall im laufenden Verfahren, das ich nicht weiter kommentieren kann.“ Auch seine Partei, die SP, hält bis jetzt zu ihm. Als ein Journalist wissen wollte, ob Berset noch im Amt zu halten sei, wenn es zu einer Anklage gegen Lauener käme, meinte der Co-Vorsitzende der SP Cedric Wermuth, er antworte nicht auf hypothetischen Fragen.

Die freie Debatte als Gefahr

Von der engen Beziehung zwischen Politik und ausgewählten Medien, wie sie zur Praxis in Deutschland gehört, unterscheidet sich die Affäre in der Schweiz durch zwei Dinge. In Berlin finden zwar regelmäßig sogenannte Hintergrundrunden mit ausgewählten Journalisten statt, früher im kleinen Kreis um Angela Merkel, Peter Altmaier und einige andere Spitzenpolitiker, heute mit dem führenden Personal der Ampel. Die wichtigste Regel dieser vertraulichen Zirkel lautet: Es darf nichts daraus zitiert werden. Eine andere ungeschriebene Regel lautet: Es werden nur ausgewählte Medien ins Vertrauen gezogen.

Erst als der Tagesspiegel-Journalist Jost Müller-Neuhof 2019 vom Bundeskanzleramt verlangte, zumindest Datum, Themen und Teilnehmerkreis auf Anfrage bekannt zu geben, bestätigte die Regierungszentrale überhaupt die Existenz dieser Runden. Sie lehnte gleichzeitig jede Information dazu ab, und erklärte im folgenden Rechtsstreit, die geheimen Runden mit den handverlesenen Medienvertretern seien „für die politische Willensbildung der Regierung unverzichtbar“. Im Juni 2022 entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg schließlich, das Kanzleramt müsse keine Informationen über die kleinen polit-medialen Zirkel herausrücken (Az.: 6 B 1/21), und zwar mit einer originellen Begründung: In den Akten des Bundeskanzleramts gebe es keinerlei Aufzeichnungen dazu, und alle auf Regierungsseite beteiligten Personen seien mit dem Regierungswechsel 2021 ausgeschieden.

Aber nie machten die staatlichen Informanten die Fehler von Lauener, vertrauliche Informationen erstens per Mail zu versenden, und damit gewissermaßen den Fingerabdruck zu hinterlassen. Und die wirklich wichtigen Berliner Hintergrundgespräche bedienen zwar einige wenige – aber nie exklusiv einen einzigen Verlag. Denn das weckt nun einmal den Zorn der Konkurrenten – so wie jetzt gerade in der Schweiz. In ihrer speziellen Grauzone reichte die Bundesregierung nicht nur Informationen über Corona-Maßnahmen und anderes vertraulich, aber geschickter an bestimmte Redakteure weiter. Auch über die Festnahme der vorgeblichen Reichsbürger-Putschisten am 7. Dezember 2022 wussten etliche Medien lange vorher Bescheid, Adressen der Beschuldigten und Zeit des Zugriffs inklusive.

Das Bundesinnenministerium beeilte sich zu erklären, es habe die Information nicht übermittelt, auch nicht die Bundesanwaltschaft. Während die offenbar gut informierten Medienvertreter unisono erklärten, sie hätten von der Verhaftung durch „Recherche“ und nicht näher bezeichnete Kontakte erfahren. Formal handelt es sich auch bei der Weitergabe von Details aus den Haftbefehlen um Geheimnisverrat – genauso wie in Bern. Nur fehlte hier, anders als bei den Eidgenossen, der Nachweis, von wem die Recherchehilfe kam.

Bei der staatlichen Medienfinanzierung auf dem Umweg von Regierungs-Anzeigen achten die Verantwortlichen in Berlin ebenfalls gut darauf, den Geldsegen breit zu streuen. Die Anzeige „Wir entlasten Deutschland“ etwa platzierte die Bundesregierung in etlichen Print- und Onlinemedien (allerdings nicht bei TE). Inhalt der Inserate: eine Aufzählung von Regierungsmaßnahmen wie Gas- und Strompreisdeckelung und der Abbau der kalten Progression, die allerdings ohnehin schon medial breit berichtet wurden, und über die sich alle Details auch gratis auf Onlineseiten der Regierung findet.

Das Geben und Nehmen zwischen Politik und Medien findet in Deutschland geschickter statt als im Zuständigkeitsbereich Bersets – und gleichzeitig systematischer. Den Schweizer Bundespräsidenten könnte dieser Mangel an Diskretion und Gründlichkeit möglicherweise das Amt kosten.

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Categories: Peter F. MayerTags: , Daily Views: 1Total Views: 20
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