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San Francisco: 5 Millionen Dollar Reparation für jeden Schwarzen?

Published On: 28. Januar 2023 12:00

In San Francisco, wo es ein bedingungsloses Grundeinkommen für Transsexuelle gibt, hat ein „afroamerikanisches Reparationsberatungskomitee“ etwas fulminant Progressives für Schwarze im Sinn. Niemand wird es ablehnen können. Das Problem: Es würde die Stadt finanziell ruinieren.

Die kalifornische Stadt San Francisco ist immer wieder für kuriose Gesetze und Vorschriften gut. Man denke etwa an das allgemeine Rauchverbot in Wohnungen – es sei denn, es ist Haschisch. Oder an „GIFT“, das bedingungslose Grundeinkommen für Transsexuelle. Der neueste Vorschlag: Als Wiedergutmachung für die Verbrechen der Sklaverei und des Rassismus sollen Schwarze auf Antrag u.a. eine einmalige Zahlung von fünf Millionen US-Dollar erhalten. Zudem sollen allen Schwarzen sämtliche Schulden erlassen werden. Liegt ihr Einkommen unter 97.000 US-Dollar pro Jahr, wird es auf diese Summe aufgestockt. 

Das ist, grob zusammengefasst, der Plan, den eine vom Stadtrat eingesetzte Kommission mit dem Namen AfricanAmerican Reparations Advisory Committee („Afroamerikanisches Reparationsberatungskomitee“) in ihrem kürzlich vorgelegten Zwischenbericht vorgestellt hat. 

Das 15-köpfige Komitee arbeitet seit Mai 2021 an dem Vorhaben, Schwarzen „Reparationen“ zu zahlen. Lanciert wurde die Idee durch einen Essay des Journalisten Ta Nehisi Coates, der im Juni 2014 in dem Magazin The Atlantic erschien. Knapp sechs Jahre später, im Februar 2020, brachte ein Mitglied von San Franciscos elfköpfigem Stadtrat, Shamann Walton, die Forderung ins Stadtparlament ein.

Der jetzige Bericht stellt auf über 50 Seiten die Sklaverei und anderes Unrecht und Formen der Diskriminierung dar, die Schwarze bis ins 20. Jahrhundert zu erleiden hatten – etwa auch bei der Kreditvergabe von Banken oder der Zerstörung ihrer Geschäfte durch staatlich angeordneten Abriss von Gebäuden im Zuge von Plänen zur Stadtentwicklung. Die Argumentation, die die Idee von „Reparationen“ stützen soll, fällt hingegen relativ kurz aus:

„Eine pauschale Zahlung würde die betroffene Bevölkerung für die jahrzehntelangen Schäden entschädigen, die sie erlitten hat, und die wirtschaftlichen Verluste und Chancenverluste ausgleichen, die die Schwarzen San Franciscos kollektiv erlitten haben, als Ergebnis sowohl vorsätzlicher Entscheidungen als auch unbeabsichtigter Schäden, die durch die Politik der Stadt zementiert wurden.“

Vorteilhaft, wenn Opa Crack vertickte

„Kollektiv“ ist wohl das Wort, auf das es ankommt. Von der ursprünglichen Idee, die wirklichen Nachfahren von Sklaven zu entschädigen – die wegen fehlender Dokumente oft selbst mit genealogischer Forschung nicht zu ermitteln wären – hat sich die Kommission weit entfernt. Stattdessen setzt sie die Hypothese eines kollektiven Leidens aller Schwarzer (mögen diese auch erst in jüngerer Zeit als nigerianische Studenten ins Land gekommen sein), für das die aktuelle Bevölkerung der Stadt San Francisco – die nie Teil eines Sklavenhalterstaats war – kollektiv zu zahlen habe. Dass von den Zahlungen womöglich auch in Kalifornien lebende Söhne afrikanischer Diktatoren oder vielleicht die Nachfahren schwarzer Sklavenhändler profitieren könnten, ist der Kommission keinen Gedanken wert. Sie hat es sich sichtlich zur Aufgabe gemacht, die Kriterien so zu wählen, dass sie wirklich leicht zu erfüllen sind.

Wie also kommt man, als jemand, der sich als Schwarzer identifiziert, an die Millionen? Die beiden einzigen strikten Bedingungen sind: Der Antragsteller muss mindestens 18 Jahre alt sein und sich in offiziellen Dokumenten „seit mindestens zehn Jahren“ als „Schwarzer / Afroamerikaner“ identifizieren. Darüber hinaus sind zwei von acht Bestimmungen – aber nicht etwa alle acht – zu erfüllen:

  • Zwischen 1940 und 1996 in San Francisco geboren und Nachweis, dort mindestens 13 Jahre lang gelebt zu haben.
  • Zwischen 1940 und 1996 nach San Francisco gezogen und Nachweis, dort mindestens 13 Jahre lang gelebt zu haben.
  • Als „Opfer” des „gescheiterten Kriegs gegen Drogen“ inhaftiert gewesen oder der „direkte Nachfahre“ eines solchen „Opfers“ sein.
  • Zwischen 1983 und 2005 eine öffentliche Schule in San Francisco besucht zu haben.
  • Nachfahre von jemandem zu sein, der vor 1865 in den USA versklavt wurde.
  • Jemand bzw. jemandes Nachfahre zu sein, der im Rahmen der „Stadterneuerung“ zwischen 1954 und 1973 zum Umzug aus seiner Wohnung gezwungen wurde.
  • Jemand zu sein, der von der Stadt eine Bescheinigung zur bevorzugten Zuteilung städtisch geförderten Wohnraums (Certificate of Preference) bekommen hat oder ein „direkter Nachfahre“.
  • Mitglied einer „historisch marginalisierten Gruppe“ zu sein, die bei der Kreditvergabe von Banken zwischen 1937 und 1968 benachteiligt wurde oder der zwischen 1968 und 2008 in einem Stadtviertel gelebt hat, dessen Bewohner von Banken benachteiligt wurden.

Das klingt nicht schwierig: Hat der Großvater auf der Straße Crack vertickt und wurde dabei geschnappt, kann man an der Stelle schon ein Häkchen machen; wurde ihm dann, während er im Knast saß, ein Autokredit verweigert, sind bereits die notwendigen zwei Kriterien erfüllt – da muss Opa nicht einmal in San Francisco gelebt haben.

Ein Sitz ist für Knackis reserviert

Der jetzt vorgelegte Bericht ist ein Entwurf. Im Juni soll der Abschlussbericht veröffentlicht und Bürgermeisterin London Breed übergeben werden. Diese wird dann darüber entscheiden, wie weiter zu verfahren ist. Außer der Arbeitsgruppe, die von der Stadt San Francisco eingesetzt wurde, existiert noch eine weitere auf Ebene des Bundesstaates Kalifornien. Sie wurde 2020 von Gouverneur Gavin Newsom berufen und entschied im März 2022 mit knapper Mehrheit, dass Reparationen nur an Nachfahren von Sklaven geleistet werden sollen. 

Der Plan San Franciscos geht, wie gesehen, weit darüber hinaus. Als Vorbild nennt der Bericht die Entschädigungen, die unter Präsident Ronald Reagan an japanischstämmige US-Bürger gezahlt wurden, die während des Zweiten Weltkriegs interniert worden waren. Der Vergleich ist aber irreführend, da diese Zahlungen damals nur an wirkliche Opfer gezahlt wurden – und nicht etwa an jeden Japaner. 

Gewählt wurden die Mitglieder der Kommission vom Stadtrat, und zwar „einstimmig“, wie es in dem Bericht heißt. Es gab also offenbar für jeden Sitz nur einen einzigen Kandidaten. 

Jeder Sitz ist für jeweils eine Gruppe von Menschen reserviert, die genau definiert ist. Sitz 1 etwa ist bestimmt für „eine Person, die für ein Medienunternehmen arbeitet, das hauptsächlich der afroamerikanischen Gemeinschaft dient, ein Geschichtenerzähler afroamerikanischer Geschichten oder ein Historiker mit Fachkenntnissen in afroamerikanischer Geschichte ist“. Sitz 2 ist mit jemandem zu besetzen, der von „Gentrifizierung“ aus San Francisco vertrieben wurde – also jemand, der die exorbitanten Mieten nicht zahlen wollte oder konnte. Sitz 6 muss von jemandem besetzt werden, der sich schon mal am Arbeitsplatz diskriminiert gefühlt hat, Sitz 15 von jemandem, der in einer Sozialwohnung lebt. Interessant ist das Kriterium für Sitz 5: Dieser ist bestimmt für „ein Individuum, das inhaftiert war“. Verurteilte Straftäter bringen offenbar eine Expertise, einen Blickwinkel oder eine moralische Eignung mit, die der Stadtrat von San Francisco als besonders wertvoll ansieht. Der Sitz wird von einem gewissen Omerede „Rico“ Hamilton besetzt. Was seine Straftaten waren und welche sonstigen Qualifikationen er hat, ist nicht bekannt.

Die anderen Mitglieder der Kommission hat die britische Tageszeitung Daily Mail in einem Beitrag vorgestellt. Der Vorsitzende, Eric McDonnell, hat einen Bachelor in Geschichte der Universität San Francisco und vertritt die Ansicht, heutige Weiße seien Nutznießer der Sklaverei. Die Zeitung zitiert ihn mit den Worten:

„Dieses Land ist seit seiner Gründung mitschuldig, und zwar nicht nur bei der Sklaverei. Ich glaube, dass die Schäden, die schwarzen Amerikanern zugefügt wurden, sowohl historische als auch gegenwärtige Auswirkungen haben. Wenn weiße Amerikaner sagen: ‚Ich habe das nicht getan’, dann mag das faktisch wahr sein, aber es sagt nichts darüber aus, ob sie davon profitiert haben oder nicht, weil sie davon profitieren. Und weil sie davon profitiert haben, gibt es eine moralische Verpflichtung, bereit zu sein, in diese Sache zu investieren. Jahrhunderte des Schadens und der Zerstörung schwarzer Leben, schwarzer Körper und schwarzer Gemeinschaften sollten mit Jahrhunderten der Reparatur beantwortet werden.

Jahrhunderte der Reparatur – wer sich bislang noch nicht als Schwarzer identifiziert hat, hat also noch genug Zeit und kann ggf. bei der Geburt von Kindern die Ethnie ankreuzen, die ihnen später die Millionen bringen wird.

Schulden? Abschaffen! Einkommen? Aufstocken!

Zwar ist die Forderung einer Fünf-Millionen-Dollar-Zahlung die, die die Schlagzeilen bestimmt, doch auch die anderen Ideen des Berichts haben es in sich. Die Notwendigkeit einer Aufstockung des Einkommens schwarzer Haushalte auf umgerechnet knapp 100.000 Euro pro Jahr (und zwar „für mindestens 250 Jahre“) wird mit dem „erheblichen rassischen Wohlstandsgefälle in der Stadt San Francisco“ begründet. Durch die Anhebung des Einkommens könnten „sich schwarze Menschen eine Wohnung besser leisten und eine bessere Lebensqualität erreichen“. Das ist so bestechend logisch – warum ist nicht eher jemand auf diese Idee gekommen? Schlagzeilen verdient hätte auch der Vorschlag eines „umfassenden Schuldenerlasses, für alle Bildungs-, Privat-, Kreditkarten-, Kurzzeitkredite etc.“ Man beachte das „et cetera“ – die Zeit, wo Rechnungen bezahlt werden mussten, wird in San Francisco bald definitiv der Vergangenheit angehören. Was kann schiefgehen? Eigentlich nichts. Die enormen Vorteile wiederum sind nicht in Abrede zu stellen:

„Schwarze Haushalte haben mit größerer Wahrscheinlichkeit teurere und riskantere Schulden und mit höherer Wahrscheinlichkeit ausstehende Studienkredite. Wenn dies mit niedrigeren Haushaltseinkommen kombiniert wird, kann dies zu einem Schuldenkreislauf führen, aus dem es kein Entrinnen gibt. Die Beseitigung dieser Schulden gibt schwarzen Haushalten die Möglichkeit, Vermögen aufzubauen.“

Endlich mal ein Plan zum Vermögensaufbau, der funktioniert. Da kann sich so mancher deutsche Finanzberater eine Scheibe abschneiden. 

Einen Haken ihres Vorhabens sehen dessen Autoren selbst: Er würde gegen derzeit geltendes Recht verstoßen, insbesondere gegen das Diskriminierungsverbot, das 1996 in Kalifornien durch ein Referendum (Proposal 209) Verfassungsrang erhielt und dessen Abschaffung durch einen neuerlichen Volksentscheid im November 2020 von Kaliforniens Bevölkerung mit einer deutlichen Mehrheit von 57 Prozent der gültigen Stimmen abgelehnt wurde. Das Diskriminierungsverbot muss weg, sagen die Autoren, egal, was die Wähler sagen: Die „derzeitigen Bedingungen für Schwarze in San Francisco“ rechtfertigten es, sich dafür einzusetzen, „dieses Bundesstaatsgesetz infrage zu stellen, indem man die anhaltenden rassischen Unterschiede mit der gleichen Präzision angeht wie die diskriminierenden Handlungen, die gegen diese rassische Gruppe unternommen wurden“. Das ist schwierig zu verstehen, meint aber offenbar: Es bedarf eines neuen Gesetzes, das bestimmt, dass Rassendiskriminierung nicht immer schlecht ist, sondern ganz okay, wenn die richtigen Leute sie mit lauteren Absichten betreiben und sie den Richtigen nützt.

Ruinös, progressiv, unablehnbar  

In vielen kritischen Kommentaren zu dem Entwurf steht, die Umsetzung des Plans könne die Stadt San Francisco womöglich 50 Milliarden Dollar kosten (bei einem jährlichen Haushalt von 14 Milliarden). Diese Kommentatoren haben eine aus der Luft gegriffene Zahl von 10.000 Anspruchsberechtigten genommen und sie mit fünf Millionen multipliziert. Übersehen haben sie, dass die Fünf-Millionen-Dollar-Idee ja nur ein Teil des Gesamtpakets sind. Zudem dürfte die Zahl von 10.000 Antragstellern viel zu konservativ sein. Angesichts der ätherischen Regeln, nach denen die Anspruchsberechtigten bestimmt werden sollen, ist der Himmel die Grenze.

Das „Reparationsberatungskomitee“ hat also einen Plan vorgestellt, dessen Umsetzung die Stadt ruinieren würde, der aber in einer so progressiven Stadt wie San Francisco politisch kaum abzulehnen ist. Etwas Besseres hätte man sich gar nicht wünschen können! Und wenn dann, woran nicht zu zweifeln ist, die 35 Prozent von San Franciscos Bevölkerung, die asiatisch-stämmig sind, die 15 Prozent Latinos und selbstverständlich auch die Angehörigen indigener Stämme (0,5 Prozent der Einwohner) wegen der von ihnen erfahrenen rassistischen Diskriminierung ebenfalls Geld und Schuldenerlass verlangen, wird das volle Unterstützung verdienen. 

Bislang haben sich weder Mitglieder des Stadtrats noch Bürgermeisterin Breed zu dem Plan geäußert. Aber spätestens im Juni, wenn der Abschlussbericht vorliegt, werden sie es müssen. Das wird spannender als ein Football-Spiel der 49ers.

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