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Markus Lanz mit neuen Spielregeln? Jetzt nur noch dreieinhalb gegen Willi

Published On: 2. Februar 2023 7:33

Markus Lanz hat die Spielregeln geändert. Nicht mehr „Vier gegen Willi“, sondern dreieinhalb. Aber richtig ausgewogen wird sein Talk dadurch leider auch nicht. Der Politologe Hamed Abdel-Samad war am Mittwoch der einzige Gast, der wirklich Tacheles redete. Auf fast verlorenem Posten. Von Michael Plog

Screenpring: ZDF / Markus Lanz

Die Gäste wie immer: Sie pauschalisieren, egalisieren, bagatellisieren, sie drücken sich, nur ein halber Lanz ist – offenbar aus persönlicher Sympathie – gelegentlich auf der Seite Hamed Abdel-Samads, leistet ihm Gesellschaft auf einem verlorenen Posten. Den der Politologe aber tapfer verteidigt.

Thema des Abends: der Zustand unseres Justizsystems. Symptome: die vielen Messerattacken in jüngster Zeit – und die großen Fragezeichen in der Bevölkerung: Wie kann es sein, dass Straftäter mit einer ganz offensichtlich überlangen Straftaten-Agenda einfach so weiter herumlaufen – und morden können? Aktueller Anlass war das „Brokstedt“-Attentat im Regionalzug zwischen Kiel und Hamburg, bei dem ein Palästinenser in der vergangenen Woche zwei Jugendliche getötet und sieben weitere Menschen teils schwer verletzt hatte.

Die Runde gibt sich über weite Strecken fast so hilflos wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser, die kurz nach der Tat keine Antworten gab, sondern selbst nur Fragen stellte. Obwohl sie selbst es ist, die sich gegen die von der EU geforderte Verschärfung der Abschiebungsregelungen stellt.

Zu Beginn des Talks keimt im Zuschauer noch etwas Freude auf. Darüber, dass mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger eine gestandene Politikerin vom alten Schlag in der Runde sitzt, die immerhin zweimal FDP-Bundesjustizministerin war und sich in ihrem Metier halbwegs auskennt. In Zeiten einer Emilia Fester oder Annalena Baerbock geradezu ein Lichtblick. Doch zu früh gefreut: Auch Leutheusser-Schnarrenberger – ab hier LS genannt, die Doppelnamenwummser mögen es verzeihen – bringt die Debatte nicht wirklich voran. Immerhin erwähnt sie ein Detail, das in der medialen Berichterstattung bisher unterging: dass der Palästinenser sogar noch während seiner Untersuchungshaft gewalttätig gewesen sei. Er habe einen Mithäftling und einen Justizbeamten bedroht.

Darin sieht LS eine vertane Chance. Man hätte den Attentäter länger in U-Haft lassen können und müssen. Selbst sein eigener Anwalt habe gesagt, dass man ihn nicht so einfach hätte rauslassen dürfen. LS mahnt, man hätte dem Gewalttäter „jemanden an die Seite stellen müssen. Da gibt es sozialpsychiatrische Dienste.“ Die alte Lösungs-Leier also. Kommt einem nur allzu bekannt vor.

An den Ursachen freilich hätte es wenig geändert, und der Einzige, der dies ausspricht, ist an diesem Abend jener Politologe namens Abdel-Samad, der selbst ägyptisch-deutscher Abstammung ist und kein Blatt vor den Mund nimmt. 20.000 Messerangriffe in Deutschland im vergangenen Jahr – das sind mehr als 50 pro Tag! Was tun? Was läuft falsch in diesem Land?

EU-Innenministertreffen Stockholm

Noch bevor Abdel-Samad loslegen kann, zieht sich auch die Vertreterin der Judikative demonstrativ aufs Wartegleis zurück. Andrea Titz, selbst Richterin und Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, mahnt, man wisse über den Täter von Brokstedt einfach noch zu wenig. Nur Bruchstücke, nur aus den Medien. Das mag stimmen, überlegt der Zuschauer. Und ist geneigt, diese zur Schau gestellte Objektivität zu goutieren. Das muss wohl diese richterliche Freude an der Neutralität sein. Leider: Dieser Eindruck wird sich im Verlauf der Sendung noch ins Gegenteil verkehren.

Abdel-Samad beklagt die Häufung der von Medien und Politik stets so genannten „Einzelfälle“. „Das ist ein Phänomen geworden“, sagt er, „aber politisch passiert nichts.“ Die Debatte werde tabuisiert. „Bevor wir anfangen, über diese Phämomene offen und ehrlich zu reden, kommen Politiker und Medienleute und sagen uns, wie wir die Debatte nicht führen dürfen.“ Der islamkritische Publizist regt sich auf und redet sich – äußerlich ganz ruhig, aber inhaltlich offenbar kochend – in Rage. „Wir dürfen nicht über Herkunft sprechen, wir dürfen nicht über Kultur sprechen und wir dürfen nicht über die Sozialisation dieser Menschen sprechen – was für ein Narrativ die zu Hause über Deutschland hören.“

Das eigentliche Problem sei eine „Politik, die so eine Debatte überhaupt nicht haben will“. Man habe aus der Flüchtlingswelle seit 2015 überhaupt nichts gelernt. Auch nach den Silvestervorfällen 2015 auf der Kölner Domplatte seien „die Menschen verunsichert“ gewesen, so Abdel-Samad. „Sie wollten eine Debatte. Es wurde ihnen untersagt.“ Die Parteien hätten das Thema sogar aus ihren Programmen gestrichen, einzig die AfD habe es thematisiert.

Journalist Gregor Peter Schmitz, Stern-Chefredakteur, bringt sich in die Debatte ein. Mit einem bemerkenswerten Redebeitrag. Man müsse doch sehen, „dass wir keine Gewaltexplosion“ bei Migranten haben. Und er fordert tatsächlich, dass auch in den betroffenen Gruppen selbst das Thema diskutiert werden müsse. In seiner Welt scheinen sich Gruppen junger Migranten in schönstem Politikersprech der „wortdeutschen Tiefebene“ über gesellschaftliche Dinge unterhalten zu können. Um eigene Gewaltprobleme zu lösen. Der Zuschauer stellt sich hier eine ganz knappe Frage: „Hä?“ Und ein paar längere: Was macht dieser Mann in dieser Runde? Sollte er vielleicht lieber weiter Illustrierte vollschreiben?

Heuchelei oder Lebenslüge

Lanz lässt Faesers Statement nach der Tat einspielen. Keine Antworten, nur eine Frage: Wieso konnte dieser Mörder überhaupt noch immer im Land sein? Lanz ist verärgert: „Sollte sie nicht Antworten geben, statt Fragen zu stellen?“ LS gibt ihm Recht: „Da müsste man versuchen, was Inhaltliches zu sagen. Da ist sie zuständig. Jeder fährt mal Regionalbahn und fragt sich: Sag mal, kann mir das auch passieren?“ Faesers Fragestunde trage „nicht zu einem bisschen Sicherheit bei“.

„Wie kann es sein, dass sich die Politik jetzt so ahnungslos stellt?“, fragt Lanz und LS antwortet, sie habe „mal ins Gesetz geguckt“. Erneut keimt Hoffnung beim Zuschauer auf. Da kennt sich aber eine aus. Doch Pustekuchen. LS kommt zu dem Schluss: „Wir wenden unser Recht zum Teil nicht konsequent genug an.“ Aha.

Auftritt Schmitz, zweiter Akt: „Herkunft allein macht noch keinen Täter“, sagt er. Und Sozialpolitik sei noch immer „die beste Kriminalpolitik. Eigentlich.“ In Deutschland werde alles „nur allein auf die Herkunft des Täters“ reduziert. Man müsse aber „vielleicht auch auf die Umstände“ schauen, „in denen sich manche dieser Menschen befinden“. Er wandelt auf den Spuren seines Kollegen Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung, dessen Videokommentar aus der Migrationsdebatte bereits Kultstatus genießt: Junge Geflüchtete, so Schmitz, würden „Traumata mit sich herumschleppen, die dann auch entsprechen betreut und behandelt werden müssen“.

Samad holt ihn auf den Boden der Tatsachen zurück: „Wir haben auch andere Flüchtlinge im Laufe der Geschichte in diesem Land gehabt. Die Vietnamesen, die hierher gekommen sind, die waren auch hochtraumatisiert, sie waren bettelarm. Wann haben sie Menschen mit Messern angegriffen?“ Über seine eigene Zeit in Japan sagt er: „Die haben auch viele Migranten.“ Aber es gebe „diese ungesteuerte Migration nicht“. Und deshalb auch keine Probleme.

Brokstedt und der deutsche Skandal

Richterin Titz sieht in den gesetzlichen Rahmenbedingungen kein Problem . „Wir greifen hart durch, soweit es uns möglich ist. Wir entscheiden aber nicht nach irgendwelchen ideologischen Vorgaben.“ Samad hakt nach: „Es gab tausend Opfer in Köln. Wie viele Täter wurden bestraft?“ Titz weiß es nicht, aber Lanz kann helfen. Mit ernüchternden Zahlen. 1210 Strafanzeigen, davon verurteilt: ganze 36. Und nur zwei wegen sexueller Nötigung. „Ich finde, der Staat, der sagt ‚Wir schaffen das‘, hat mit diesen Zahlen schon eine Antwort“, sagt Abdel-Samad

Auftritt Schmitz, dritter Akt: Er findet, da habe sich „ja Einiges getan, weil wir das Tor zur Bildung geöffnet haben“. Der Redebeitrag verpufft. Lanz zählt stattdessen das Strafregister des Brokstedt-Attentäters auf. Dauert bisschen. Danach fragt er: „Haben wir es da nicht mit jemandem zu tun, der eigentlich seit fünf Jahren nicht mehr im Land sein sollte?“ Abdel-Samad wird deutlicher: „Der flieht vor der Hamas und benimmt sich hier wie die Hamas!“

Schmitz, letzter Akt: Döntjes aus Bayern, wo eine Abschiebung Proteste verursacht habe, weil der Betroffene „dann doch irgendwie integriert ist und …“ Schmitz kann seinen einsamen Gedanken nicht mehr fortführen. Lanz unterbricht ihn: „Nochmal ganz klar: Wir reden nicht über Migranten generell. Ich rede heute Abend nur über Schwerkriminelle.“ Und auffällig sei schließlich: „14 Prozent der Geduldeten sind verantwortlich für Gewalttaten, obwohl sie nur zwei Prozent der Bevölkerung stellen.“

Von Abdel-Samad will er wissen, was eigentlich ein fiktiver, fähiger Mathematiker aus Ägypten anstellen müsse, um nach Deutschland zu kommen. Der Politologe erklärt es ihm. Ziemlich kompliziert, das Verfahren, und ziemlich langwierig. „Es ist einfacher für ihn, sich als Syrer zu verkleiden und zu sagen: Ich stelle einen Asylantrag.“ Asylrecht sei „eine gute Errungenschaft, aber es ist nicht die primäre Aufgabe des deutschen Staates. Es gibt andere Errungenschaften wie die innere Sicherheit. Dass jemand im Zug sitzt und Sicherheit hat. Dass eine Frau Joggen geht und keine Angst hat.“ Dies alles habe sich in Deutschland fundamental verschlechtert. „Der Staat ist für diese Bürger zuerst verantwortlich, bevor er den Rest der Welt rettet.“

Schmitz (Epilog): „Bleiben wir auch da bei den Fakten. Wir haben keine Gewaltexplosion in Deutschland.“ Abdel-Samad: „Woher wissen Sie das?“ Schmitz: Gucken Sie die Kriminalstatistiken an.“

Talk vom 13. Dezember 2022

Apropos Statistik: Titz gibt zu Bedenken, dass die „Strafjustiz eklatant unterbesetzt“ sei. Und bis 2030 würden bis zu 35 Prozent in Pension gehen, bei ohnehin derzeit nur 25.000 Richterstellen. Die permanente Überarbeitung führe dazu, „dass es zu Phänomenen wie Haftentlassung kommen kann“.

Schmitz (mittlerweile hinter dem Vorhang): „So war es ja in Brokstedt.“ Doch Titz kontert: „Nein, da liegt der Fall etwas anders.“ Der Zuschauer wundert sich: Ach, plötzlich kann sie sich zu Brokstedt doch ganz klar äußern? Erstaunlich!

Abdel-Samad will keine Missverständnisse. Er erklärt die Denke der Migranten: Sie leben eine Opferrolle. Sie denken, der deutsche Staat hat mir nichts zu sagen. Wenn sie auf Arabisch mit mir gesprochen haben, dann haben sie wirklich ganz abfällige Worte benutzt. Gegen Richter, selbst gegen den eigenen Rechtsanwalt. Die deutsche Gesellschaft, das sind Ungläubige. Denen kann man nicht vertrauen. Sie glauben nicht an Allah, sie haben Sex vor der Ehe, sie trinken Alkohol. Man kann sie nicht respektieren.“ Kurzum: Es sei eine „Kultur, die in Asymmetrie zum Westen steht“.

Schmitz ruft etwas von hinter der Bühne: Der Satz „Das stimmt nicht“ fällt und irgendwas mit „Boden des Grundgesetzes“. Abdel-Samad ist müde: „Das ist mir zu allgemein.“ Das Stichwort „Grundgesetz“ aber spießt er auf: Die freie persönliche Entfaltung des Individuums sei in Artikel 2 verankert. „Wo ist dieses Recht bei einem Mädchen, das religiös vereinnahmt wird, ein Kopftuch im Alter von sechs Jahren trägt wie ein Korsett. Wo ist der Staat, der diesem Mädchen ermöglicht, seine Persönlichkeit frei zu entfalten?“ Schmitz bleibt stumm. Auch die beiden Damen haben keine Antwort. Und Lanz? Der bügelt das Thema kalt ab, wendet sich an LS und schneidet ein neues Thema an. Guten Abend.

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