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Zwei Aufrufe, vier Demos, ein Ziel – Oder der Köder muss dem Fisch schmecken …

Published On: 14. Februar 2023 11:45

Aktuell kursieren zwei Aufrufe zum Krieg in der Ukraine durchs Internet. Der eine mit viel Aufmerksamkeit, entsprechender medialer Resonanz, der andere eher still und leise, deutlich weniger bekannt. Beide sind notwendig, um ein möglichst breites Spektrum an Menschen zu motivieren, für Frieden aktiv zu werden. Auch zwei Demonstrationen wurden für das letzte Februar-Wochenende im Zuge des Ukraine-Krieges angekündigt: eine in Ramstein und eine in Berlin.

Über den ersten Aufruf wurde auch hier auf TKP berichtet. Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer sind prominent genug, um durch alle Medien zu gehen, sogar durch den Mainstream. Obwohl ihr “Manifest für Frieden”  ganz klar Positionen bezieht, die dem gesellschaftlich gewünschten Narrativ entsprechen, wird er von manchen verrissen. So lese ich u.a. “Der irrsinnige Aufruf von Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer” und von dem Ukrainer Andrij Melnyk kam wenig überraschend der Kommentar: “Hallo ihr beide Putinschen Handlanger:Innen @SWagenknecht & #Schwarzer, euer Manifest für Verrat der Ukrainer könnt ihr zusammenrollen & gleich in den Mülleimer am Brandenburger Tor werfen.

Und das obwohl der Aufruf der beiden Prominenten mit Worten beginnt, die bei mir instinktiv das Gefühl ausgelöst haben: “Das kann ich nicht unterschreiben”.

Heute ist der 352. Kriegstag in der Ukraine. Über 200.000 Soldaten und 50.000 Zivilisten wurden bisher getötet. Frauen wurden vergewaltigt, Kinder verängstigt, ein ganzes Volk traumatisiert. Wenn die Kämpfe so weitergehen, ist die Ukraine bald ein entvölkertes, zerstörtes Land. Und auch viele Menschen in ganz Europa haben Angst vor einer Ausweitung des Krieges. Sie fürchten um ihre und die Zukunft ihrer Kinder. Die von Russland brutal überfallene ukrainische Bevölkerung braucht unsere Solidarität.

Nachdem ich das gelesen hatte, fiel es mir zugegebenermaßen sehr schwer, den weitestgehend richtigen und wichtigen Rest dieses Aufrufs überhaupt noch zur Kenntnis zu nehmen. In einer Facebook-Diskussion äußerte ich meine Bedenken, fragte nach der Solidarität mit den Menschen im Donbass seit 2014 und bekam als Antwort von einem definitiv ukraine-kritischen Journalisten: “Spielt das eine Rolle? Wir können dieses Blame-Game weiterspielen und uns in atomisierten Kleinstgruppen über die reine Wahrheit streiten. Das ist ja ein linkes Hobby. Nur, wem nützt das?

Auch wenn alles, was danach folgte, meinen Vorstellungen entspricht, „es begann mit einer Lüge” und eine Lüge kann ich nicht unterschreiben, selbst wenn sie einem guten Zweck dient. Da ich seit 2014 aufgrund des Krieges in der Ukraine im Rahmen der Friedensmahnwachen auf die Straße ging, seit 2016 die Kriegsopferhilfe im Donbass unterstütze und das Leid der Menschen dort sowie die mangelnde Solidarität der Menschen bei uns mit Schaudern zur Kenntnis nehmen musste, gingen bei mir buchstäblich sämtliche Nackenhaare hoch.

Die Vorgeschichte seit 2014 zu ignorieren, die Toten seit 2014 zu ignorieren, das Leid der russischstämmigen Ukrainer seit 2014 zu ignorieren, die Aussagen von Merkel und anderen Verantwortlichen zum Scheinabkommen Minsk2 zu ignorieren, die Aussagen der Rand Corporation zu ignorieren, die OSZE-bestätigten intensiven Angriffe der West-Ukraine auf den Donbass seit 16.2.2022 zu ignorieren …

… und dann ausschließlich über den Kriegsbeginn – nein, die Kriegsausweitung – am 24.2.2022 zu schreiben …

Das mag anschlussfähig sein, das mag notwendig sein, um breitere Bevölkerungsschichten zu erreichen. Alles das ist wahrscheinlich wichtig und richtig, um wirklich Masse auf die Straße zu mobilisieren.

Es gab auch überraschend neutrale bis fast positive Berichte, die zeigen, dass der gewählte Weg Wirkung zeigt. So z.B. im Stern-Artikel “Gegenwind mit Ansage: Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht veröffentlichen Friedensmanifest”. Selbst bei T-Online, einer Plattform, die fast immer nur noch durch Hetze auffällt, findet man einen neutralen Artikel, der nahezu wortgleich auch bei der Rheinischen Post zu lesen ist. Gestartet am 10.2. vormittags, hatten innerhalb der ersten 8 Stunden fast 40.000 Menschen unterzeichnet, am 12.2. gegen 13 Uhr waren es bereits knapp 250.000, am 13.2. gegen 12 Uhr knapp 350.000. Der Köder schmeckt eben dem Fisch, nicht dem Angler. Das Konzept der beiden Damen geht auf und das ist wohl auch gut so.

Aber auch wenn ich es definitiv für notwendig halte, öffentlich ein Zeichen zu setzen, und jeden verstehen kann, der das Manifest unterzeichnet: ich persönlich werde es nicht mittragen, obwohl ich damit selbst in der alternativen Szene vermutlich eine Minderheitsmeinung vertrete.

Keine Ausrede für “Nichtstun”!

Menschen, denen es ähnlich geht wie mir, haben aber ebenfalls eine Option ein Zeichen zu setzen. Der Aufruf von Wolfgang Effenberger und Dr. Amir Mortasawi (alias Afsane Bahar) erreichte mich per E-Mail bereits Anfang Februar. Er wurde nur über E-Mail an Freunde und Bekannte verteilt, da die beiden die offiziellen Plattformen nicht nutzen wollten. Wer wollte, konnte per E-Mail-Rückantwort unterschreiben.

Dazu ein kleiner Einschub am Rande: change.org wurde von einem Absolventen des Young Global Leader Programmes gegründet, Campact-Kampagnen haben sich in der Vergangenheit immer wieder als systemtragend erwiesen und schon vor Jahren – bald einem Jahrzehnt – wurde vor AVAAZ gewarnt. Damals wurde die Plattform vom “Philanthropen” Georg Soros und seiner Open Society Foundations finanziert. Ein Freund von mir nannte diese Petitions- und Unterschriftenplattformen “Registrierung von Aktivisten”, schließlich wissen “die” dann dank Big Data Analysen anschließend sehr genau, wer welche politische Haltung vertritt.

Aber zurück zur Kampagne von Wolfgang Effenberger und Dr. Mortasawi. Ihr Aufruf “Aufstehen fürs Überleben” wurde am 31.1.2023 verfasst und erstmals am 4.2.2023 auf der Seite von Dr. Mortasawi veröffentlicht.

Die einleitenden Worte waren mir wie der ganze Aufruf bereits aus der Mail bekannt, den ich ohne Bedenken unterzeichnet hatte.

Zutiefst besorgt um das Leben und Überleben in der Mitte Europas richten wir diesen Aufruf vorrangig an die Menschen in den deutschsprachigen europäischen Ländern. Bei einer Vielfalt gesellschaftspolitischer Ansichten werden wir von der gemeinsamen Überzeugung getragen, dass unsere Welt zu keiner Zeit seit der Kubakrise 1962 so nah an der Katastrophe war. Wenn der gegenwärtig in den Massenmedien geschürten wahnhaften Kriegsbegeisterung nicht effektiv entgegengewirkt wird, besteht die große Gefahr, dass der Ukraine-Krieg zum Einsatz von Atomwaffen in Europa führt.

Die beiden Initiatoren sind befreundet und waren der Auffassung, dass man aufgrund der aktuellen Entwicklung dringend aktiv werden müsse. Wolfgang Effenberger, ehemaliger Major der Reserve und Publizist, Dr. Amir Mortasawi, Arzt und Publizist teilen die Befürchtungen, die die schnelle Eskalation nach sich ziehen kann. Dazu sagte mir Wolfgang Effenberger in einem Telefonat: “Der Weg von Helmen über Panzer, zu Kampfpanzern und Kampfflugzeugen führt immer wahrscheinlicher in Richtung Einsatz von NATO-Truppen und in die Gefahr der atomaren Vernichtung Europas. Wir beide waren daher der Ansicht, dass es jetzt nicht um Frieden, der ja nach Karl Jaspers als Voraussetzung der Wahrheit bedarf, sondern erstmal ums nackte Überleben geht. Es geht nicht um Schuldzuweisung, sondern darum etwas zu tun, um diese tödliche Entwicklung aufzuhalten. Das war unsere Motivation für diesen Aufruf.

Bis jetzt erreichte der Aufruf der beiden Herren bei weitem keine vergleichbare Reichweite wie der, der beiden Damen auch wenn namhafte Unterzeichner wie Eugen Drewermann darauf zu finden sind. Das mag auch an der Prominenz – dem Bekanntheitsgrad – liegen. Dieser Artikel soll eine Kleinigkeit dazu beitragen, daran etwas zu ändern. Wer hier mitzeichnen möchte, schickt eine Mail an [email protected] mit Angabe von Vorname, Nachname, Beruf und Land. Weniger professionell aber eben eine Alternative.

Zwei Aufrufe – ein Thema – und damit für jeden die Möglichkeit, entsprechend seiner eigenen Überzeugungen öffentlich Gesicht für den Frieden zu zeigen.

Man kann auch beide zeichnen. Hauptsache man tut überhaupt etwas!

Schritt 1 unterschreiben – Schritt 2 auf die Straße

Für Protest auf der Straße stehen drei Termine in drei Regionen zur Wahl: München, Berlin und Ramstein. Es gibt eigentlich fast keinen Grund mehr, sich nicht öffentlich zu engagieren.

München: Am 18.2. finden in München mehrere Demonstrationen gegen die berüchtigte Münchner Sicherheitskonferenz statt. Trotz gemeinsamer Forderungen gibt es getrennte Versammlungsorte, da sich das Anti-Siko-Bündnis nicht für eine Zusammenarbeit mit “Macht Frieden” von „München steht auf“ durchringen konnte. Je nach politischer Überzeugung trifft man sich ab 13 Uhr am Stachus oder zeitgleich am Königsplatz. Details dazu hier.

Berlin: In einigen Medien, die über den Aufruf von Schwarzer und Wagenknecht berichteten, wurde auch auf die geplante Demonstration in Berlin hingewiesen. Selbst in der Weltwoche aus der Schweiz konnte man lesen:  „Für den 25. Februar haben Alice Schwarzer und Sarah Wagenknecht zu einer Friedendemo in Berlin aufgerufen. Wenn nicht alles täuscht, ein wichtiges Datum. Die deutsche und europäische Friedensbewegung wird sichtbar werden und die Diskurshoheit der Waffenlieferer und Endsiegstrategen in Frage stellen.

Ramstein: Für alle, denen Berlin zu weit ist, bietet sich der 26.2.23 in Ramstein an. Dort findet vor der US-Airbase in Ramstein eine Veranstaltung unter dem Motto: “Ramstein schließen -Ami go Home” statt. Treffpunkt ist um 12 Uhr der Bahnhof-Vorplatz. Wer unterstützen möchte, kann sich per E-Mail an [email protected] wenden. Auch die Initiatoren dieser Veranstaltung haben bei weitem nicht die Prominenz und Mobilisierungspotenzial, wie Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer. Ihrer Forderung nach unverzüglicher Schließung der US-Airbase, den vollständigen Abzug aller US-Truppen unter Mitnahme aller hier stationierten Waffen, kann ich mich aber bedenkenlos anschließen. Seit 2004 haben Wolfgang Jung und Fee Strieffler in der Luftpost  u.a. über die größte Zentrale der US-Luftwaffe in Europa und Drehscheibe der US-geführten “Friedensmaßnahmen” berichtet.

Aber: Es ist fast gleichgültig, welche Petition man zeichnet, es ist fast gleichgültig auf welche Demonstration man geht.

Wichtig ist jetzt einzig und allein, man zeigt offen sein Gesicht und macht deutlich, dass man mit der Kriegsherrschaft nicht einverstanden ist.

Nachtrag

Die Entstehung dieses Artikels zeigt mir erneut, dass ich bei TKP im richtigen Medium gelandet bin. Wohl ahnend, dass auch Peter F. Mayer meine Sicht auf das Manifest nicht besonders gefallen könnte, schrieb ich ihn vorab an. Schließlich ist er als Herausgeber und Chefredakteur für die “Blattlinie” verantwortlich. Es kam zu folgendem kurzen Dialog.

hi peter, hast du ein problem damit, wenn ich einen kritischen text zur wagenknecht/schwarzer-petition schreibe? mir macht das nämlich ein wenig bauchweh.

Ich weiß nicht. Typisch für die wissenschaftlichen Sozialisten, dass jede kleine Abweichung von der richtigen Linie heftiger bekämpft wird, als der Klassenfeind. Ich bin froh über jede Aktion, die wenigstens ungefähr in die richtige Richtung geht. Aber wenn du unbedingt willst, dann mach.”

Wie man sieht, ich wollte. Abweichenden Meinungen eine Plattform zu bieten, ein breites Meinungsspektrum zu präsentieren ist das, was Journalismus für mich ausmacht. Inhalte von Aufrufen, die meiner Meinung nicht entsprechen, muss ich eben auch aushalten – solange sie in Richtung Frieden gehen.

Bildquelle


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