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Orbans interessanteste Aussagen aus dem Interview in der Weltwoche

Published On: 4. März 2023 6:00

Der ungarische Ministerpräsident Orban hat der Schweizer Weltwoche ein sehr interessantes Interview gegeben. Ich zitiere hier die aus meiner Sicht interessantesten Aussagen Orbans zusammen.

Ich habe bereits darüber berichtet, dass der ungarische Ministerpräsident Orban der Schweizer Weltwoche ein ausführliches Interview gegeben hat. Da ich das Interview im Netz nicht finden konnte, habe ich die Leser gebeten, mir den Text zu schicken. Ich bekam dazu sehr viele Mails, allen Lesern sei hier dafür noch einmal gedankt!

Das Interview mit Orban ist sehr interessant und ich empfehle jedem, es komplett zu lesen, auch wenn es hinter der Paywall versteckt ist. Guter Journalismus, wie solche Interviews, die man im Mainstream nicht finden kann, sind ihr Geld wert. Obwohl ich recht ausführlich zitiere, ist das Interview noch viel länger.

Ich werde hier nach Themen sortiert (also in anderer Reihenfolge, als im Original) die in meinen Augen interessantesten Fragen der Weltwoche und Orbans Antworten darauf zitieren. Über Orbans Aussage, eine „europäische NATO“ ohne die USA wäre besser als die heutige NATO, habe ich bereits berichtet und zitiere das daher nicht noch einmal.

Die größten Probleme für Ungarn

Weltwoche: Herr Ministerpräsident, wie kommt Ungarn mit dem Ukraine-Krieg zurecht? Wo liegen die grossen Herausforderungen für Ihr Land?
Viktor Orbán: Am härtesten getroffen werden wir durch die Sanktionen der EU gegen Russland. Sie haben die Preise für Öl und Gas in die Höhe getrieben. Wir haben die Industrie in Ungarn zuletzt massiv vorangebracht. Die Energie, die es dazu braucht, müssen wir importieren. 2021 kostete uns das 7 Milliarden Euro. 2022 waren es 17 Milliarden Euro.“

Orban über die EU

Weltwoche: Der Ukraine-Krieg, der 2014 begann, eskalierte vor einem Jahr. Was ist für Sie die wichtigste Erkenntnis?
Orbán: 2014 standen bedeutende Persönlichkeiten an der Spitze der europäischen Länder, insbesondere Frau Merkel. Ich war mit ihr zwar oft uneins, aber sie hatte unbestritten politisches Gewicht und Format. Damals hiess es, dieser Konflikt müsse von Europa geregelt werden. Heute hat sich Europa aus der Diskussion verabschiedet. In den Brüsseler Entscheidungen erkenne ich öfter amerikanische Interessen als europäische. In einem Krieg an den Grenzen Europas haben heute die Amerikaner das letzte Wort. Ich werfe den Amerikanern nichts vor, denn der Löwe frisst nun einmal Fleisch. Man kann von ihm nicht verlangen, zu grasen.
Weltwoche: Sie sagen: Europa ist verschwunden, nicht mehr zu erkennen in diesem Krieg. Was ist der Grund?
Orbán: Es gibt tiefere Gründe, und es gibt schieres Pech. Der tiefere Grund ist: Wir kennen weder gefühls- noch verstandesmässig eine europäische Identität. Das muss über kurz oder lang das Selbstvertrauen erschüttern. Wenn wir die Diskussion über die Zukunft Europas ernsthaft geführt hätten, ohne Tabus, so dass selbst eine Revision der Grundsatzverträge möglich gewesen wäre, hätten wir zu Kriegsbeginn wohl eine gefestigte Identität gehabt. Dann kam auch noch Pech hinzu. Hätte Donald Trump die amerikanische Präsidentschaftswahl gewonnen, gäbe es keinen Krieg. Der deutsche Machtwechsel tat sein Übriges.
Weltwoche: Man könnte in der Deutung noch einen Schritt weitergehen. Der tiefere Grund für die Schwäche Europas ist die EU. Sie zersetzt die Nationalstaaten, ohne etwas Funktionierendes an deren Stelle zu errichten.
Orbán: Das sehe ich auch so. Die EU will eine «ever closer union». Wir einigen uns nicht auf das Ziel, sondern auf den Weg. Das ist der Grund für Europas Krankheit.
Weltwoche: Ist die Europäische Union heute eine Bedrohung für Europa?
Orbán: Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. Ich zweifle nicht daran, dass die Politiker in Brüssel guten Willens sind. Sie glauben, etwas aufzubauen. In Wahrheit reissen sie etwas Funktionierendes ein, ohne zu wissen, was danach kommen soll. Ich habe 26 Jahre im Sozialismus gelebt. Als ich den Satz von der «ever closer union» hörte, erinnerte ich mich an meine Marx-Studien. Marx hat eine ganze Bibliothek vollgeschrieben, wie der Kommunismus verwirklicht werden könne. Aber keinen Satz darüber, wie das Leben im Kommunismus aussehen würde. Wir sind intellektuell auf derselben Schiene unterwegs. Ich habe bei dieser EU immer das Gefühl: Das habe ich schon gehört, das habe ich schon gesehen.“

Orban über Krieg und Kriegsziele

Weltwoche: Wer gewinnt diesen Krieg?
Orbán: Niemand kann ihn gewinnen. Die Ukrainer haben eine Atommacht mit 140 Millionen Einwohnern gegen sich, die Russen die ganze Nato. Das macht die Sache so gefährlich. Wir haben eine Pattsituation, aus der leicht ein Weltkrieg entstehen kann.
Weltwoche: Wie gross ist Ihre Sorge, dass es zu einem Atomkrieg kommt?
Orbán: Nach menschlichem Ermessen kann das nicht passieren. Aber Verzweiflung gehört zum Wesen des Krieges. Da walten andere seelische und geistige Kräfte als im normalen Leben. Und es gibt immer auch die Möglichkeit von Missverständnissen und Unfällen.
Weltwoche: Meine Beobachtung ist: Russland kann, darf diesen Krieg aus existenziellen Gründen nicht verlieren. Der Westen redet sich ein, der Krieg sei existenziell, was aber niemand wirklich glaubt. Für die Russen geht es um mehr, darum werden sie nicht verlieren.
Orbán: Das klingt schlüssig. Was ich am eigenartigsten finde: Ich sehe einen Krieg, bei dem die Ziele nicht klar sind. Keine Partei ist in diesem Punkt konsequent. Wir wissen nicht, was den Russen reichen würde. Sie haben sich öffentlich nie festgelegt. Und was ist eigentlich Europas Kriegsziel? Wir hören die gefährlichsten Dinge, bis hin zur Forderung nach einem Systemwechsel in Russland. Ein Krieg, in dem die Parteien nicht definieren, welches Ziel sie haben, ist die grösste Gefahr. Wenn man’s nicht definiert, kann’s uferlos werden.
Weltwoche: Und die Amerikaner? Was ist ihr Ziel?
Orbán: Das ist ein Rätsel. Der Präsident sagt jeden Monat etwas anderes.“
Weltwoche: Was passiert, wenn Russland diesen Krieg verliert?
Orbán: Das möchte ich mir nicht ausmalen. Russland ist eine Atommacht. Es wäre eine geopolitische Erschütterung, ein Gross-Erdbeben von globalen Ausmassen, potenziell verheerend, viel schlimmer als die Implosion Jugoslawiens. Allein die Tatsache, dass man solche Szenarien im Westen mittlerweile auf die leichte Schulter nimmt, zeugt von einer beunruhigenden, ja erschreckenden Distanz zur Wirklichkeit, einer Blindheit gegenüber den Risiken der eigenen Politik.
Weltwoche: Wie schaffen wir Frieden in der Ukraine?
Orbán: Der Frieden beginnt in den Herzen. Er muss den Kopf erreichen, der dann die Hand führt. Das ist die Reihenfolge: Man muss sich den Frieden wünschen, dann muss man ihn wollen, und dann muss man ihn machen. Heute fehlt schon der Wille, zumindest im Westen.
Weltwoche: Wie sieht es im Rest der Welt aus?
Orbán: Die Chinesen, die Inder, die Araber, die Türken, die Brasilianer wollen Frieden. Der Westen hat seine Fähigkeit verloren, die Welt hinter einer Sache zu vereinen. Seine philosophischen Prämissen sind räumlich begrenzt. Das ist eine neue Erfahrung.“

Orban über Trump und die US-Demokraten

Weltwoche: Was muss in den USA passieren? Werden sie ihre Politik ändern?
Orbán: Die ungarische Erfahrung ist eindeutig: Wenn in Washington die Demokraten an der Macht sind, gehen wir in Deckung. Die wollen uns immer ändern, so wie auch die Brüsseler Politiker. Sie wollen uns vorschreiben, wie wir mit Migration umgehen und wie wir unsere Kinder erziehen. Das ist respektlos. Wir sind ein erfolgreiches Land und leisten unseren Beitrag für Europa. Wir sind die Grenztruppen in den Burgen an den Rändern des Kontinents. Diese Arbeit wird nicht anerkannt. Darum warten wir darauf, dass unsere republikanischen Freunde wieder an die Macht kommen.
Weltwoche: Könnte ein Donald Trump, der «dealmaker», mit Putin einen «Deal» schaffen? Ist Donald Trump die letzte Friedenshoffnung der Welt?
Orbán: Nicht die letzte. Aber er ist eine Hoffnung.
Weltwoche: Könnte er den gordischen Knoten im Ukraine-Krieg durchtrennen?
Orbán: Er würde das wohl in ein paar Wochen tun.“

Orban über Putin

Orbán: Als ich Präsident Putin zum letzten Mal traf, zwei Wochen vor Kriegsbeginn in Moskau, an diesem absurd, absurd langen Tisch, an dem man einen olympischen Dreisprung-Wettbewerb durchführen könnte, fragte ich ihn: Ist für Sie die Nato-Mitgliedschaft Ungarns ein Problem? Fordern Sie von Ungarn, die Nato zu verlassen? Ich sagte ihm, wir sollten das gleich zu Beginn klären. Er antwortete, Ungarns Nato-Mitgliedschaft sei kein Problem, nur eine ukrainische und eine georgische. Sein Problem, sagte er mir weiter, seien die bereits installierten US-Raketenbasen in Rumänien und Polen sowie ein möglicher Vorstoss der Nato in die Ukraine, nach Georgien, um dort Waffen zu stationieren. Ausserdem hätten die Amerikaner wichtige Abrüstungsverträge gekündigt. Deshalb könne er in der Nacht nicht mehr ruhig schlafen. Der deutsche FDP-Politiker Otto Graf Lambsdorff war mein aussenpolitischer Mentor. Er machte mich auf den Unterschied zwischen Verstehen und Akzeptieren aufmerksam. Ich verstehe, was Putin gesagt hat. Aber ich akzeptiere nicht, was er getan hat.
Weltwoche: Welchen Eindruck hatten Sie von Putin? Was ist er heute für ein Mann? Wo steht er in seinem Leben?
Orbán: Ich kenne Putin seit über einem Jahrzehnt. Bis zum Ausbruch des Krieges trafen wir uns jedes Jahr. Er ist der Mann, der Russland mit all den Atomwaffen, mit seinen Abermillionen Menschen und unendlichen Weiten tatsächlich führt. Er ist der Chef, er kontrolliert, so weit möglich, dieses gewaltige Land über elf Zeitzonen. Die Ungarn sagen: Das ist ein anderes Café, eine andere Gewichtsklasse.
Weltwoche: Hat sich Putin über die Jahre verändert?
Orbán: Ich habe keine Veränderung zum Schlechten wahrgenommen. Putin sagte immer, was er wollte, und er war nie glücklich, wenn ich seinen Wünschen widersprach. Ich musste immer um unseren ungarischen Standpunkt kämpfen, aber man konnte mit ihm vernünftige Lösungen finden. Und wenn wir uns auf etwas geeinigt hatten, hielt er sich daran.“

Orban über die Genderideologie

Weltwoche: Wo sehen Sie die grösste Gefahr der Genderideologie?
Orbán: Wenn man Kinder hat, weiss man genau, dass das Alter zwischen vierzehn und achtzehn schwierig ist. Die Kinder müssen in die Welt hereinwachsen. In dieser Zeit müssen wir ihre Identität stärken, nicht schwächen und verunsichern, wie das die Genderideologen tun. Damit machen sie unsere Kinder kaputt. Unwiderruflich, unumkehrbar. Dazu haben sie kein Recht.
Weltwoche: Der frühere EU-Kommissions-Chef Jean-Claude Juncker begrüsste Sie einmal mit den Worten: «Hello, dictator!» Nehmen wir an, Sie seien für einen Tag der Diktator der EU. Was würden Sie tun?
Orbán: Ich würde tun, was Herr Juncker gerne tat: Ich würde mich betrinken. Zum Glück besteht die Möglichkeit nicht. Es gibt ein gutes Handbuch, zusammengestellt vom früheren bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber. Er beschreibt, wie sich die EU auf der Grundlage der Subsidiarität neu organisieren liesse. Es fehlt nicht am Wissen, sondern an der Absicht.“


In meinem neuen Buch „„Putins Plan – Mit Europa und den USA endet die Welt nicht – Wie das westliche System gerade selbst zerstört ““ gehe ich der der Frage, worum es in dem Endkampf der Systeme – den wir gerade erleben – wirklich geht. Wir erleben nichts weniger als den Kampf zweier Systeme, in dem Vladimir Putin der Welt eine Alternative zum neoliberalen Globalismus anbietet. Wurden die Bürger im Westen gefragt, ob sie all das wollen, ob sie zu Gunsten des neoliberalen Globalismus auf ihren Wohlstand und ihre Freiheiten verzichten wollen?

Das Buch ist aktuell erschienen und ausschließlich hier direkt über den J.K. Fischer Verlag bestellbar.

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