der-generalstabs-planDer Generalstabs-Plan
wie-london-in-den-lockdown-schlitterte-und-kommunikation-alles-warWie London in den Lockdown schlitterte und Kommunikation alles war
berlinale-politisch-wie-eh-und-je:-koennen-wir-die-filme-nicht-einfach-weglassen?

Berlinale politisch wie eh und je: Können wir die Filme nicht einfach weglassen?

Published On: 5. März 2023 14:06

Wer denkt, dass es bei Filmpreisverleihungen um Filme geht, hat wohl die letzten Jahrzehnte verschlafen. Die Berlinale bewies soeben erst wieder eindrucksvoll, wie jeder verliehene Preis bis ins letzte Detail von metapolitischer Taktik bestimmt war. Ein Resümee und Ausblick.

Was haben Filmfestivals und die sogenannten Allstar-Spiele der US-Sport Profiligen gemein? Sie werden von Jahr zu Jahr immer schlechter, die Besten ihres Fachs spielen darin mittlerweile kaum noch eine Rolle und kaum ein Mensch interessiert sich mehr für sie. Was für eine Analogie! Das muss erläutert werden.

Für die Nicht-Sportaffinen: Ein Allstar-Spiel findet einmal pro Jahr statt, wobei die von den Anhängern gewählten besten (oder zumindest populärsten) Spieler in zwei Mannschaften zusammengewürfelt werden und dann gegeneinander antreten. Das erst vor wenigen Wochen abgehaltene Allstar-Spiel der US-Basketballliga NBA, zum Beispiel, endete mit einem Ergebnis von 184-175, ein Rekordergebnis. Dennoch klagte der Trainer einer der beiden Mannschaften, dass dies „nichts mehr mit Basketball“ zu tun habe.

Der Grund für solch harsche Kritik? Nun, beim Allstar-Game wird nicht verteidigt, was Jahr für Jahr zu höheren Ergebnissen führt. Zum Vergleich, bei einem normalen Basketballspiel der NBA erzielen die Mannschaften um die 110 bis 120 Punkte und selbst das ist schon viel im Vergleich zu vor 20-30 Jahren, als defensiv geführte Spiele schon mal mit 88-89 endeten. Doch die NBA, ein Unternehmen, dachte sich: das Publikum will ein Spektakel sehen, es will Offensive sehen!

Dieser Trugschluss wird nirgendwo deutlicher als beim Allstar-Spiel. Denn während es noch in den 90ern in der Ära eines Michael Jordan auch dort den Anschein von Verteidigung gab, so hat man sich diese mittlerweile komplett abgewöhnt, sodass alle Spieler einfach nur tatenlos rumstehen während ihr Gegenüber zum Korb zieht und eine Show ohne Widerstand hinlegt. Das klingt jetzt nach ironischer Überhöhung, doch Youtube liefert das entsprechende Beweismaterial. Ohne einen realen sportlichen Wettstreit, ist es mehr wie ernüchternd einem Haufen Millionären dabei zuzusehen, wie sie ihre Hinterhoftricks füreinander aufführen.

Zwei entscheidende Beobachtungen sind aber noch zu machen, bevor ich aufhöre, den cinephilen Leser mit der Beschreibung eines schlechten Basketballspiels zu quälen. Zunächst spielen einige der momentan besten Basketballspieler (darunter ein Slowene und ein Serbe) in diesem Allstar-Spiel kaum eine Rolle, denn ihr gesamtes Spielverständnis ist inkompatibel mit diesem Schaulaufen der Eitelkeiten. Und im Übrigen schaltet das Publikum mittlerweile reihenweise den Fernseher ab, denn ohne Spannung und Ambition erscheint es fast wie eine Verhöhnung des Zuschauers, denn als ein Spiel der Besten untereinander. Beides Phänomene, die auch bei Filmpreisverleihungen zu beobachten sind.

Transpersonen werden Preise nachgeworfen, die den Großen vorenthalten blieben

Bei Film-Festivals verhält es sich ganz ähnlich. Einige der Größten ihres Fachs, wie Alfred Hitchcock, Stanley Kubrick oder Terrence Malick erhielten nie einen Oscar für einen ihrer Filme. Und auch Kassengold wie Tom Cruise wird zwar gerne als Erfolgsgarant an Bord geholt, aber von der Akademie der Filmkünste lieber müde belächelt. Nein, um zu gewinnen, bedurfte es immer schon einer bestimmten Kombination von Talenten und Ansichten, ob nun Oscars oder Berlinale, das Prinzip ist immer gleich.

Freilich, während die Oscars in der Vergangenheit vor allem mit dem Versprechen des Glamours Hollywoods punkteten, waren die europäischen Filmfestivals immer schon stolz darauf „politischer“ zu sein. Doch das Wettbieten um die wokeste Veranstaltung hat auch vor den Oscars keinen Halt gemacht und so müssen Festivals wie die Berlinale die politische Latte noch einmal höher legen, denn das erwarte man ja von Filmpreisverleihungen. Es ist das Äquivalent der Filmpreise zum „Spiel ohne Defensive“. Wie beim Allstar-Spiel werden auch hier vor allem offene Türen eingelaufen. Kein Beitrag, kein Preis, kein Jurystatement, das nicht ohne die vorhersehbare politische Botschaft auskommt.

Ein Kind gewinnt den Bären für die Darstellung eines Transkindes? Im Allstar-Spiel ein Slam-Dunk! Während die Kommentatoren schreiend aufspringen, kämpft die Menge im Stadion mit dem Schlaf. Eine transsexuelle Schauspielerin gewinnt ebenfalls einen Bären dafür, dass … sie transsexuell ist? Auf dem Basketballfeld spielt Lebron James einen Blind-Pass zwischen den Beinen zum heranfliegenden Mitspieler, der den Ball im Sprung fängt und nach einem 360 Grad Salto mit dreifacher Pirouette unter dem Applaus der Gegenspieler in den Korb legt. Gähn.

Typecasting bei der Preisverleihung: Für jeden Geschmack etwas dabei!

In Berlin erzählte eine Iranerin (ist sie eigentlich Filmschaffende? Oder Schauspielerin? Wer weiß? Wen kümmerts?) etwas über den Iran, was sich damit deckt, was wir schon seit Monaten und Jahren über den Iran hören. Irgendwas mit Kopftüchern, Frauen und sowieso ist es dort ganz schlecht. Wenn wir endlich mit Putin fertig sind, sollten wir wohl dringend dort mal nach dem Rechten sehen. Das sagte zwar niemand direkt, aber wer das Massieren der öffentlichen Meinung seit Jahrzehnten verfolgt, weiß worauf so etwas hinauslaufen soll.

Apropos: Selbstverständlich steht auch die diesjährige Berlinale ganz im Zeichen des Kriegs in der Ukraine. Selenski schaltete sich per Video bei der Öffnung zu und richtete wichtige Worte an die Filmschaffenden, die mit der richtigen Haltung wohl irgendwas zum Sieg der Ukraine beitragen würden. Da trifft es sich auch gut, dass Sean Penn zugegen war und um seinen biographischen Film über Selenski zu präsentieren, den er in einem marketingtechnischen Lottosechser bereits vor Kriegsausbruch begann und diesen somit mit dokumentierte. Solche Drehbücher schreibt nur das Leben, nicht wahr? Im Zuge der Solidaritätsbekundungen mit der Ukraine fiel übrigens auf, dass nur einer der Preisträger, nämlich die transsexuelle Schauspielerin, mit einem blau-gelben Pin an der Jacke bei der Pressekonferenz der Preisverleihung saß. Da ginge mehr, es zeigt aber wieder einmal, wer in Berlin die Speerspitze im Kampf gegen die imperialen Ambitionen Putins darstellt.

Weitere „Highlights“ waren zwei Frauen, die einen Bären für ihren Film über…zwei Frauen bekamen. Als sie in der Pressekonferenz auf das Thema Frauen angesprochen wurden, sagten die Regisseurinnen, sie hätten den Film nicht gemacht, um einen Film über Frauen zu machen, sondern es hätte sich einfach so ergeben. Deshalb gab’s wohl auch nur den silbernen Bären.

Fast schon nostalgisch mutete hingegen der Regie-Bär für den französischen Regisseur Philippe Garrel an. Er ist ein Fan des kürzlich verstorbenen Jean-Luc Godard, des Altmeisters des maoistischen Autorenkinos. Garrels Filme handeln „von Liebe, Drogen und dem Filmemachen“ und genau so sieht er auch aus. Zerzaust und mit Sonnenbrille saß der selbstreferentielle Altlinke auf dem Podium der Berlinale und bezeichnete diese als seinen „Last Chance Saloon“, also als letzten Strohhalm, um noch einen Preis abzugreifen. Dafür gab es leichtes Gelächter, auch wenn es nicht wirklich ein Kompliment ist. Er ist jener Typus des Alt-68ers, den man sich aus Nostalgie noch hält, während schon die nächste Generation an Revoluzzern in den Startlöchern steht.

Glück hatte auch der Gewinner eines Kurzfilm-Bären, ein Ureinwohner Australiens, den lediglich seine Abstammung davor bewahrte in Teufels Küche zu kommen, als er meinte, es wäre „in Ordnung in die Welt hinauszugehen und Erfolg zu haben“ und die Botschaft auf den Weg mitgab: „Seid stark in eurer Identität, wo immer ihr auch hingeht, und haltet eure Identität und Kultur hoch.“ Man stelle sich vor, usw. usf.

Alles schön und gut, aber wie soll man das noch überbieten?

Doch die Berlinale muss auch an die Zukunft denken. Statt der Iranerin würde sich für nächstes Jahr z.B. eine Taiwanesin anbieten. Gibt es da einen Film, der was taugt? Wen kümmerts, Hauptsache die Botschaft stimmt. Doch während Themen wie Taiwan und der Iran echte Dauerbrenner zur Festivalgestaltung sind, haben andere hot topics eine deutlich kürzere Halbwertszeit. Nach den Bären für eine Transperson und ein Kind, das ein Transkind spielt, wird dieses Thema sich schon bald abnutzen. Fragt mal Conchita Wurst, wie das ist, wenn sich ein Hype mal legt. Mittlerweile nennt der Herr sich nur noch Wurst und läuft nicht mehr in Frauenkleidern rum.

Aber die Organisatoren der Berlinale sind ja Profis, in Berlin plant man voraus. Einen Vorgeschmack auf das, was noch kommen könnte, lieferte Paul Preciado, der einen Spezialpreis für „Orlando, meine politische Biographie“ erhielt. Zugegeben, alleine schon der Titel ist auszeichnungswürdig. Bei der Pressekonferenz nach Erhalt des Preises plädierte Preciado dafür, dass die Repräsentanz non-binärer Personen (zu denen er sich zählt) sich ändern müsse, da diese, wie er es mit einer eigenen Wortschöpfung bezeichnet, bisher nur unter einem „nekropolitischen Starren, einem Starren, das uns umbringt“ dargestellt wurden. Daher müsse man „neue Wege der Repräsentanz erfinden“ und dabei „nicht nur Transmenschen, sondern alle“ mitnehmen. An die Nicht-Binären richtete er den Aufruf, diese mögen über sich selbst „jenseits der Kategorien von Heterosexualität, Homosexualität, ja sogar Mann und Frau, die in gewisser Weise wie klinische Diagnosen sind, denken“, denn diese „leben ja nur ihr Leben als Lebewesen“. Redner wie Zuhörer waren den Tränen nahe. So kraftvolle Worte. Spontaner Applaus brach aus. Wäre bloß überall und zu jeder Zeit Berlinale, die Welt wäre ein besserer Ort.

Nun ist diese Rede von Preciado keine Garantie für das nächstjährige Thema, aber auf jeden Fall ein Testballon, der signalisiert, wohin die Reise gehen könnte. Denn letztlich erweisen sich Festivals wie die Berlinale in ihrem Revoluzzertum als stockkonservativ. Themen wie Frauenrechte, Rassismus, Antisemitismus, udg. lassen sich problemlos Jahr für Jahr recyceln, der Hype um Transpersonen ist dabei lediglich das neueste „erneuernde Element“, wie es in der Sprache der Fördermittelanfragen heißt, das Jahr für Jahr dazu dient, aufzuzeigen wie sehr man sich am Zahn der Zeit bewegt. Schon bald jedoch werden auch die vielen Männer in Frauenkleidern nur noch langweilen und die Suche nach neuer Grenzverlegung beginnen. Nicht-binäre müssen sich aber ins Zeug legen, denn im Gegensatz zu Transmenschen erscheinen diese rein äußerlich als deutlich weniger provokant, sodass sie mit inhaltlich umso überspitzteren Standpunkten punkten müssten.

Doch warum tue ich hier eigentlich die Arbeit der Veranstalter der Berlinale? Über den nächsten Grund für ergriffene stehende Ovationen sollten sie sich schon selbst den Kopf zerbrechen. Stattdessen kehre ich noch einmal zurück zum Allstar-Spiel. Denn auch ein Filmfestival suggeriert, dass hier die Besten ihres Faches zusammenkommen, um ihre Kunst (bzw. ihren Sport) zu feiern. Tatsächlich waren auch einige Stars zugegen, wie z.B. Cate Blanchett, die ihren neuen Film „Tár“ präsentierte, der zwar vielversprechend die Hauptdarstellerin als lesbische Powerfrau, die sich in der Männerdomäne der Dirigenten durchsetzt, inszeniert, danach aber mit Vorwürfen des sexuellen Machtmissbrauchs gegen die Protagonistin die politische Eindeutigkeit vermissen lässt, die nötig wäre um einen Bären einzuheimsen.

Stattdessen genügt es mittlerweile vollkommen, sich die politischen Stellungnahmen der Teilnehmer durchzulesen, um zu verstehen, warum diese ausgezeichnet wurden. Die vereinzelt noch wahrnehmbaren Standardsprüche der Preisträger, sie wären „Geschichtenerzähler“, sowie die Beteuerung es „ginge um den Film, um das Kino“ können dabei nicht darüber hinwegtäuschen, dass wenn die Berlinale einen Trainer hätte, er wohl gleich seinem Kollegen beim Allstar-Spiel feststellen müsste: „Das hat nichts mehr mit Filmen zu tun!”

Anzeige

Categories: Peter F. MayerTags: , Daily Views: 1Total Views: 26
der-generalstabs-planDer Generalstabs-Plan
wie-london-in-den-lockdown-schlitterte-und-kommunikation-alles-warWie London in den Lockdown schlitterte und Kommunikation alles war