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Warum die Afrikaner dem Westen nicht vertrauen

Published On: 12. April 2023 6:00

Die russische Nachrichtenagentur TASS hat einen sehr lesenswerten Artikel über das Verhältnis der Afrikaner zu Russland und dem Westen veröffentlicht.

Für die russische Nachrichtenagentur TASS schreibt ein Urgestein des russischen Journalismus namens Andrej Schitow, der jahrzehntelange Erfahrungen als Auslandskorrespondent hat und dessen Analysen ich sehr oft übersetze, weil sie alleine aufgrund seiner reichhaltigen Erfahrung sehr interessant sind. Nun wurde Schitow im Zuge der Bemühungen Russlands, seine Beziehungen zu Afrika zu verbessern und in der Vorbereitung auf den kommenden Russland-Afrika-Gipfel mit einer Delegation auf eine Afrikareise geschickt und hat anschließend über seine Erfahrungen berichtet. Auch wenn Schitow, wie er selbst deutlich sagt, kein Afrika-Experte ist, finde ich seinen Erfahrungsbericht von einer Reise zu Gesprächen mit der afrikanischen politischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Elite sehr interessant und habe ihn daher übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Warum die Afrikaner weiterhin an Russland glauben und dem Westen nicht vertrauen

Andrej Schitow darüber, was ihn seine Reise nach Tansania und Äthiopien gelehrt hat.

Der junge Tansanier Paternus Niyegira erzählte mir neulich auf dem Journalistenseminar im russischen Kulturzentrum in Dar es Salaam leidenschaftlich, wie nützlich die frühere Zusammenarbeit mit der UdSSR für sein Land war und wie sehr sie geschätzt wurde. Daraufhin habe ich vorsichtig angemerkt, dass er sich allein aufgrund seines Alters gar nicht mehr an diese Zeiten erinnern zu können scheint. „Meine Mutter hingegen, die mir alles von Kindesbeinen an beigebracht hat, erinnert sich noch gut daran.“ Am nächsten Tag nahm er mich mit zu einem Treffen mit dem örtlichen Politikwissenschaftler Nowatus Igosha, der mir bestätigte, dass diese Art der Mund-zu-Mund-Propaganda in Afrika, wo die Tradition der Ahnenverehrung heilig ist, die Norm ist; ihm zufolge werden die Kinder auch in seiner eigenen Familie so erzogen.

Diese flüchtige Episode bestätigte mir anschaulich, was ich bereits in Moskau von Experten gehört hatte, als ich mich auf meine erste Reise in das subsaharische Afrika vorbereitete. Für die Bewohner des Kontinents ist die Erinnerung der Generationen kein leeres Wort, und es ist vor allem dieser Erinnerung zu verdanken, dass die Afrikaner Russland weiterhin vertrauen und an Russland glauben. Zu Amerika und dem Westen insgesamt haben sie dagegen kein solches Vertrauen, und das nicht nur wegen der kolonialen Vergangenheit.

Eine unveränderte Priorität

Auf dem russisch-afrikanischen parlamentarischen Forum, das kürzlich in Moskau stattfand, äußerte der russische Präsident Wladimir Putin die Überzeugung, dass „Afrika eine führende Rolle in der entstehenden multipolaren Weltordnung spielen wird“, weil „alle objektiven Voraussetzungen dafür gegeben sind.“ Dazu gehören eine überwiegend junge Bevölkerung von rund 1,5 Milliarden Menschen und „eine riesige Rohstoffbasis – fast ein Drittel der weltweiten Bodenschätze“.

Das russische Staatsoberhaupt erinnerte an die „bedeutende Unterstützung“ der Völker Afrikas durch die Sowjetunion während ihres heldenhaften Kampfes um die Unabhängigkeit und betonte, dass „unser Land der Zusammenarbeit mit den afrikanischen Staaten immer Priorität eingeräumt hat und weiterhin einräumen wird“ und dass dies „eine der ständigen Prioritäten der russischen Außenpolitik“ sei. Das wurde später in dem neuen außenpolitischen Konzept der Russischen Föderation bestätigt.

Derzeit laufen aktive Vorbereitungen für das Gipfeltreffen russischer und afrikanischer Staatsoberhäupter, das im Sommer in St. Petersburg stattfinden soll. In diesem Rahmen haben die Russische Assoziation für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Afrika (AECAS) und der Gortschakow-Fonds zur Unterstützung der öffentlichen Diplomatie einen professionellen Wettbewerb für afrikanische Journalisten unter dem Motto „Building the Future Together“ ausgeschrieben. Die TASS hat zur Teilnahme an diesem Projekt eingeladen und unsere Reise organisiert. In der ersten Phase besuchten wir Äthiopien und Tansania und Besuche in anderen Ländern sind ebenfalls geplant.

Übrigens besuchte Sergej Michailow, der Generaldirektor der TASS, Uganda, wo er sich mit lokalen Kollegen traf und ihnen Informationsunterstützung versprach, einschließlich des kostenlosen Zugangs zum Newsfeed unserer Agentur für die wichtigsten afrikanischen Medien. Und der Erste Stellvertretende Generaldirektor Michail Gusman führte ein Exklusivinterview mit dem ugandischen Präsidenten Yoweri Kaguta Museveni, der das starke Engagement Kampalas für die Teilnahme am Gipfel in St. Petersburg bestätigte und die Aussichten seines Landes auf eine Zusammenarbeit mit Russland lobte.

Amerikanischer Blitzkrieg: ein weiterer „Reset“?

Aber auch die unfreundlichen Länder, wie man sagt, schlafen nicht. Kurz vor unserem Besuch besuchte US-Vizepräsidentin Kamala Harris Tansania und reiste auch nach Ghana und Sambia. US-Außenminister Anthony Blinken besuchte im März Äthiopien und Niger. Auch die First Lady der USA, Jill Biden (Februar: Namibia und Kenia), die Finanzministerin Janet Yellen (Januar: Senegal, Sambia und Südafrika) und die Ständige Vertreterin der USA bei den UN Linda Thomas-Greenfield (Januar: Ghana, Mosambik und Kenia) haben in den letzten Monaten versucht, Afrika mit ihrer Anwesenheit zu beglücken.

Von außen betrachtet sieht das Ganze wie eine Art diplomatischer Blitzkrieg aus. Die Ziele liegen auf der Hand: In erster Linie geht es darum, Russland und China einzudämmen und ihrem wachsenden Einfluss in Afrika entgegenzuwirken. Die propagandistische Verpackung sind Argumente über die Konfrontation zwischen „Demokratie“ und „Autoritarismus“ in der modernen Welt, insbesondere im Zusammenhang mit den Ereignissen in der Ukraine, obwohl selbst die amerikanische Presse zugibt, dass afrikanische Kollegen von solchen „Lektionen über Demokratie“ von westlichen Politikern ein wenig genervt sind.

Der Besuch von Harris wurde von vielen Kommentatoren, darunter Politico in Washington und The South China Morning Post in Hongkong, als Versuch gewertet, die Beziehungen zwischen den USA und Afrika „neu zu gestalten“. Über die afrikanische Reaktion auf diese Bemühungen werde ich noch etwas sagen, denn ich habe versucht, sie während meiner Reise selbst zu begreifen. Gelegentlich erinnerte ich meine Gesprächspartner daran, welche Belastung der von Joe Biden während der Regierung Barack Obamas verkündete „Reset“ der amerikanisch-russischen Beziehungen der Welt beschert hat.

Doch die Afrikaner wissen und verstehen das selbst sehr gut. Auch die Amerikaner geben zu, dass die vor ihnen liegende Aufgabe in Afrika nicht einfach ist – und das nicht nur wegen der berüchtigten abfälligen Äußerungen des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump über die Länder des Kontinents, der sie mit Latrinen verglichen hat. In einem Kommentar zu Harris‘ Reise weist insbesondere die New York Times darauf hin, dass es für die USA schwierig ist, den Verbündeten zu spielen und gleichzeitig das Versprechen von Präsident Biden zu erfüllen, gegen ausländische Regierungen vorzugehen, die Anti-LGBTQ-Gesetze fördern und die Menschenrechte einschränken. Laut der Zeitung sieht sich Uganda beispielsweise bereits mit „wirtschaftlichen Sanktionen“ der USA konfrontiert, die aus diesem Grund verhängt wurden.

Die Zeitung erinnert daran, dass sich die USA in Afrika seit jeher auf sogenannte „Ankerstaaten“ konzentriert haben, also auf „große oder finanzstarke Länder, die für die regionale Stabilität von entscheidender Bedeutung sind“. Peking hingegen schenkt im Gegensatz zu Washington „selbst kleinen afrikanischen Ländern sorgfältige diplomatische Aufmerksamkeit“, indem es „stabile strategische diplomatische und wirtschaftliche Partnerschaften“ mit ihnen aufbaut. Es ist kein Zufall, dass Chinas Außenminister seit über drei Jahrzehnten Afrika ihren ersten Besuch nach dem Jahreswechsel abstatten.

So eine politische Konsequenz trägt Früchte. Der New York Times zufolge ist China „entweder der erst- oder der zweitgrößte Handelspartner für alle drei von Harris besuchten Länder, weit vor den USA“. Insbesondere Tansania hat bereits das Niveau einer umfassenden strategischen Partnerschaft mit China erreicht. Das war das Ergebnis des Besuchs der afrikanischen Präsidentin Samia Suluhu Hassan im vergangenen November in Peking und ihrer Treffen und Gespräche mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping; gleichzeitig wurden wichtige neue Handels- und Wirtschaftsabkommen im Wert von mehreren Milliarden Dollar angekündigt.

Zwar versprechen die Amerikaner Afrika nun auch 55 Milliarden Dollar im Laufe von drei Jahren. Doch wie Bloomberg angibt, sind in dieser Summe 21 Milliarden Dollar in Form von Darlehen des Internationalen Währungsfonds enthalten. Mit anderen Worten, dieses Geld stammt nicht nur von den USA und dem kollektiven Westen, sondern auch von anderen Ländern, darunter Russland und China, obwohl die Amerikaner das auf ihrem eigenen Dezembergipfel mit afrikanischen Regierungschefs mit großem Pomp verkündet haben. Auch in der Politik verfolgen sie in erster Linie ihre eigenen Ziele: So war die Afrikareise laut der New York Times für Harris eine Möglichkeit, innenpolitische Kritiker zurückzuweisen, die sich weigern, ihre Führungsqualitäten anzuerkennen; und Jill Bidens Reise erregte in den USA die meiste Aufmerksamkeit, fast als direkte Bestätigung dafür, dass ihr Mann für eine neue Amtszeit als Präsident kandidieren will.

Wie man Goldfische fängt

Doch nun ist es an der Zeit, zu meiner eigenen Erfahrung mit Afrika zurückzukehren. Man sagt, dass die ersten Eindrücke oft die wahrsten sind, also werde ich mir erlauben, sie zu teilen. Und der wichtigste von ihnen waren die Menschen, die wir auf unserer Reise getroffen haben und die ich jetzt innerlich als gute Freunde wahrnehme.

Mit ‚wir‘ meine ich übrigens mich und meine TASS-Kollegin Irina Mandrykina und die Projektleiterin von NESSA, Galli Monastyrewa, sowie den Kosmonauten und Helden Russlands Sergej Kud-Swertschkow. Seine Teilnahme an der Reise erregte in den lokalen Medien großes Aufsehen und er nutzte die Gelegenheit, um der afrikanischen Jugend am Vorabend des 12. April nicht nur die ruhmreiche Raumfahrtgeschichte Russlands in Erinnerung zu rufen, sondern auch die geschäftlichen Beziehungen zu Kollegen zu vertiefen, darunter die Leiter des äthiopischen Instituts für Weltraumforschung und -technologie sowie führender technischer Universitäten in Addis Abeba und Dar es Salaam. Ethiopian Airlines, mit der wir geflogen sind, hat es nicht versäumt, uns an ihren Status als größte Fluggesellschaft des Kontinents zu erinnern und uns eine Führung durch ihr gut ausgestattetes Ausbildungszentrum für Flugpersonal zu geben, das nicht nur für ihr Land, sondern für ganz Afrika arbeitet.

Was unsere neuen Bekanntschaften betrifft, so waren die russischen Botschafter in Äthiopien und Tansania – Evgeny Terjochin und Andrej Avetisjan – persönlich an wichtigen Treffen in beiden Ländern beteiligt. Die größte Unterstützung erhielten wir jedoch von den Leitern der russischen Wissenschafts- und Kulturzentren – Wjatscheslaw Konnik in Addis Abeba und den Eheleuten Maria und Rifat Patejew in Dar es Salaam. Diese Personen verdienen in der Tat eine besondere Erwähnung. Das Lob im Außenministerium und im Akademischen Institut für Afrika in Moskau ist für sich genommen schon viel wert, aber selbst das verblasst im Vergleich zu den „Mama Moskau!“-Rufen, die Maria Patejewa auf dem lokalen Markt zugerufen werden. Und die vollen Häuser bei den Treffen und die Einladung unseres Kosmonauten Kud-Swertschkow zu den beliebten Fernsehsendungen von Dr. Brooke Hailu Beshah in Äthiopien und Faida Ngaga in Tansania sind auch ganz und gar unseren Zentren von Rossotrudnichestvo zu verdanken.

Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung in den „Korridoren der Macht“ in Washington – vom Weißen Haus und dem Außenministerium bis hin zum IWF und der Weltbank – habe ich mich an den Gedanken gewöhnt, dass es nicht schwierig ist, Stellungnahmen von Beamten in Entwicklungsländern zu erhalten. Wie zu erwarten war, haben sich diese jedoch im eigenen Land als weit weniger zugänglich erwiesen. Trotz vorheriger Anfragen über die Botschaften und unser Außenministerium wurde mir in Äthiopien sofort erklärt, dass niemand ohne Zustimmung von höchster Ebene für die ausländische Presse Stellung nehmen würde. In Tansania erklärte Prexedis Ndomba, Leiter des Metropolitan Institute of Technology (DIT), dass er für die Politik an seiner Universität zuständig sei, aber auf die Frage nach den Wettbewerbsvorteilen Russlands antwortete er nur, dass sein Land eine Politik der Blockfreiheit verfolge und diese strikt einhalte.

Wem gehört „unser alles“?

Generell hat die Praxis wieder einmal gezeigt, dass man ohne Fleiß keinen Preis bekommt, und das gilt vielleicht noch mehr für Afrika. Aber wenn man sich Mühe gibt, ist vieles möglich. In Tansania wurde im Übrigen nicht nur Puschkins „Geschichte vom Fischer und dem Fisch“ ins Suaheli übersetzt, sondern auch ein Musical auf der Grundlage dieser Geschichte inszeniert. Übrigens wurden sowohl „Zar Saltan“ als auch „Die Insel Bujan“ nach Patejews Version von Sansibar inspiriert. Und in Äthiopien hält man Puschkin mit seinen abessinischen Wurzeln sowieso für einen von ihnen; er ähnelt oberflächlich sogar den Einheimischen; in Addis Abeba gibt es ein Denkmal zu seinen Ehren. (Anm. d. Übers.: Puschkin, der wohl größte Dichter der russischen Literatur, war zur Hälfte Afrikaner, aber Anfang des 19. Jahrhundert trotzdem unbestrittenes und respektiertes Mitglied der russischen Aristokratie, was für einen „Mischling“ im Europa des 19. Jahrhunderts, als Afrikaner dort bestenfalls als Attraktionen ausgestellt wurden, undenkbar gewesen wäre. Der Rassismus, der in Europa seit Jahrhunderten gegenüber „Wilden“ oder „Eingeborenen“ aus den Kolonien der europäischen Mächte normal war, war Russland immer fremd)

Die Franzosen haben übrigens vor kurzem versucht, sich „unser alles“ anzueignen: Ausgerechnet mit Puschkin begannen sie eine Vortragsreihe über ihre Kultur für die Bewohner Zentralafrikas. Offenbar in dem Glauben, dass Russland unter Puschkin einfach keine eigene nationale Kultur hatte, sondern nur die französische übernommen hat. Ein krasseres Beispiel für Kulturimperialismus kann man nicht finden.

In der Buchhandlung in Dar es Salaam sahen wir weitere Übersetzungen russischer Klassiker, die von „Rossotrudnichestvo“ produziert wurden. Rifat Patejew ist ein anerkannter Experte für Suaheli, der die Sprache fast besser beherrscht als seine einheimischen Kollegen. Seit vielen Jahren moderiert er im lokalen Radio seine eigene Sendung. Übrigens habe ich bei unserem Treffen mit der Leitung des DIT eine spontane Blitzumfrage darüber durchgeführt, woher die Leute ihre Informationen hauptsächlich beziehen: Von den zwei Dutzend Versammelten stimmte keiner für Zeitungen, fast keiner für das Fernsehen, alle für Online-Quellen und fast alle für das Radio. So viel zur Wahl der afrikanischen technischen Intelligenz.

„Wenn Du es sagst, begründe es auch“

Was die politischen Kommentare angeht, so ist das an den Offiziellen nicht vorübergegangen. Vieles haben wir einfach selbst gesehen und gehört – wie Putins Porträt hinter dem Fenster eines Busses oder die Rufe „Russland! Russland! Russland!“ auf der Straße, wenn die russische Sprache zu hören ist. Die Einheimischen sagen, dass beides ganz typisch ist.

Oder ein anderes Beispiel: Hilal, der Taxifahrer, der uns in Dar es Salaam fuhr, fragte uns zunächst, ob wir Deutsche seien (im ehemaligen Deutsch-Ostafrika waren die Weißen, die wir unterwegs trafen, meist Deutsche). Als er die Antwort hörte, brach er sofort in einen leidenschaftlichen Monolog darüber aus, wie gut die Russen seien, weil sie sich Amerika entgegenstellten, die Schwachen verteidigten und generell für Gerechtigkeit einträten. Er behauptete, dass alle seine Bekannten der gleichen Meinung seien. Allerdings erklärte er nicht, woher diese Ansichten stammen, obwohl ich ihn danach fragte.

Als wir den Fall danach unter uns diskutierten, erinnerten wir uns an ein Sprichwort aus den russischen „wilden 90er“: „Wenn Du es sagst, begründe es auch!“ Doch auch darauf mussten wir nicht lange warten. Der Verleger und Miteigentümer einer Buchhandlung, Walter Bagoya, der uns etwas Ähnliches erzählte, begründete seinen Standpunkt damit, dass die Amerikaner „Patrice Lumumba ermordet haben“ (also den ehemaligen führenden Politiker und Nationalhelden der Demokratischen Republik Kongo, der zu einem der Symbole des afrikanischen Unabhängigkeitskampfes wurde) und außerdem „Rassismus und Kolonialismus unterstützt haben“, in Libyen und vielen anderen Ländern einmarschiert sind, „Farbrevolutionen“ inszeniert haben und der Welt jetzt die „LGBT-Agenda“ aufzwingen.

Er fügte hinzu, dass man Amerika genau deshalb nicht trauen könne und werde, ganz egal, welche Versprechungen Kamala Harris und andere machen würden, wenn sie nach Afrika kommen. Und er hat mir bereitwillig erlaubt, ihn zu zitieren. Für mich war das ein Echo auf die Geschichten, die ich am Tag zuvor über den Konservatismus der Afrikaner und ihre von Generation zu Generation weitergegebenen familiären Werte gehört hatte.

Um des Gemeinwohls willen

In Addis Abeba fanden wir klare Bestätigungen dafür, wie Afrika seine dankbaren Erinnerungen bewahrt. Getatschu Gebries, der Besitzer des Blue Sky Hotels, in dem wir wohnten, ist Absolvent der Timirjasew-Akademie in Moskau. Er und sein Sohn Samuel kümmerten sich um uns wie um ihre eigene Familie und organisierten zusammen mit Connick von „Rossotrudnichestvo“ ein Treffen des örtlichen Klubs der sowjetischen und russischen Absolventen. Ich bin weit von der Geschäftswelt entfernt, aber meiner Meinung nach gab es neben nostalgischen Erinnerungen eine Menge nützlicher Informationen für die heutigen und zukünftigen Beziehungen zwischen unseren Ländern und Völkern. Und auch ich persönlich habe jetzt jemandem in Äthiopien, an den ich mich mit Dankbarkeit erinnern kann.

Ich möchte bei all dem aber keineswegs den falschen Eindruck erwecken, dass alle in Afrika nur davon träumen, dass Russland wiederkommt. Ja, sie erinnern sich an die Vergangenheit, aber man kann nicht von Erinnerungen leben, und das Leben nimmt seinen Lauf. Mehrfach habe ich die Meinung gehört, dass wir in Afrika seit der Sowjetzeit viel verpasst haben; ich habe den äthiopischen Politikwissenschaftler und Fernsehmoderator Hailu Beschah gefragt (er hat unseren Kosmonauten Kud-Swertschkow zu einem Interview eingeladen, aber eigentlich heißt seine Sendung The Diplomatic Corner), und er hat mir geantwortet, dass für Russland „der Zug noch nicht abgefahren ist“, aber schon am Abfahren sei.

Es gibt eine östliche Weisheit: Der Meister wurde gefragt, ob man lange auf einen Wandel zum Besseren warten solle, und er antwortete, wenn man wartet, dann wartet man lange. In Afrika wird niemand auf uns warten. Die Menschen sind mit ihren eigenen unmittelbaren Bedürfnissen beschäftigt, zumal es sowohl in Äthiopien als auch in Tansania, wie wir auf Schritt und Tritt feststellen konnten, noch viele Entwicklungsprobleme zu lösen gibt.

Es wäre zu anmaßend von mir, zu beurteilen, warum das so ist. Aber selbst ich kann erkennen, dass es falsch ist, alles auf das koloniale Erbe zu schieben. Tansania, dem es vergleichsweise besser zu gehen scheint, wurde Anfang der 1960er Jahre von der kolonialen Unterdrückung befreit; was mich an seiner heutigen Erfahrung am meisten beeindruckt, ist die Anwendung einer Art von „checks and balances“. Äthiopien ist zu Recht stolz auf die Tatsache, dass es nie eine Kolonie war. Doch als ich das neue Forschungszentrum in Addis Abeba sah – ein ganzer Gebäudekomplex, der gerade von einem chinesischen Unternehmen gebaut wurde -, fragte ich, was man von Russland erwartet, und man sagte mir: Rüsten Sie die Labors mit modernen Geräten aus und stellen Sie ihnen ausgebildete Wissenschaftler zur Verfügung, und wir werden alles nach Ihnen benennen. Ich hatte den Eindruck, dass das ernst gemeint war, ohne einen Hauch von Ironie.

Allerdings kann der Austausch, auch in wissenschaftlicher Hinsicht, durchaus von gegenseitigem Nutzen sein. Ich nutzte die Teilnahme des echten Experten an unserem Projekt und fragte unseren KosmonautenKud-Swertschkow, welche konkreten Vorteile Russland aus der Zusammenarbeit mit Afrika im Bereich der Raumfahrt ziehen könnte. Er nannte mir sofort eine ganze Reihe von Beispielen: von geopolitischen über geografische bis hin zu kommerziellen. Für uns ist es wichtig, nicht nur den Freundeskreis zu erweitern, sondern auch den Partnerkreis und den Kundenkreis für unsere Waren und Dienstleistungen. Die Afrikaner ihrerseits sind an einer Zusammenarbeit mit uns interessiert, insbesondere am Start ihrer eigenen Satelliten; darüber haben sie bei den Treffen gesprochen.

Es ist wohl fein zu Gast zu sein, doch viel feiner ist es daheim

Als neuer Afrika-Freund werde ich zum Schluss meine Eindrücke vom Alltagsleben mit Ihnen teilen. Der erste war die unerwartete Kühle des Morgens, als wir in Addis Abeba ankamen, als wären wir im Sommer auf einer Datscha außerhalb Moskaus. Übrigens erinnerte uns eine einheimische Pflanze mit lila Blüten an Flieder. Danach war zwar alles in Ordnung und die Sonne brannte unbarmherzig auf Tansania nieder. Aber wir brauchten weder Mantel noch Regenschirm, obwohl wir vor der Regenzeit gewarnt wurden. Während der Zeit im Auto wurden wir nur ein paar Mal von kurzen Regengüssen erwischt.

Ich glaube nicht, dass sich jemand die Mühe gemacht hat, sich in Moskau im Voraus gegen Gelbfieber impfen zu lassen. Ein Mittel gegen Malaria kaufte ich auf Rat erfahrener Leute vor Ort, obwohl ich nicht ein einziges Mal eine Mücke gesehen oder gar gehört hatte.

Wir rieben uns mit einer Zitronengras-Tinktur (lemon grass) gegen Mücken ein, die einen erstaunlichen Geruch hat. Afrikanische Gerüche sind generell eine ganz eigene Geschichte. Mein Koffer riecht jetzt nach natürlichem Kaffee, der aus Äthiopien stammt (gibt es eine raffiniertere, bekanntere und beliebtere Weltmarke?). Und neben meinem Arbeitscomputer, direkt vor meiner Nase, steht eine Schale mit zwei duftenden Guavenfrüchten, die in Tansania direkt vom Boden gepflückt wurden.

Dort habe ich übrigens auch einmal zwei riesige Avocados gegessen, gesüßt mit einer köstlichen Papaya. Wir verzehrten den Saft und das Fruchtfleisch von Kokosnüssen. Das übrige Essen war nicht beeindruckend – abgesehen davon, dass es in Äthiopien unglaublich scharf ist. Man sagt, das hilft gegen einige lokale Parasiten.

Die afrikanische Tierwelt bekamen wir nicht zu sehen, da wir es nicht geschafft haben, die besten Reservate der Welt zu erreichen. Unsere Entschädigung waren eine Fülle von Vögeln, darunter Marabus, auf dem äthiopischen See am Fuße eines Vulkans, und etwa eineinhalb Dutzend Kobras und andere Schlangen in einem winzigen Privatzoo in Tansania. Einerseits ist das schade, aber andererseits machen wir oft Witze über die Stereotypen anderer, die sich wundern, dass auf dem Roten Platz in Moskau keine Bären herumlaufen…

Die Afrikaner schienen mir größtenteils offene, aufrichtige, freundliche und einladende Menschen zu sein. Der Politikwissenschaftler Igosha, den ich anfangs erwähnte, sagte, dass Kindern von früh an Respekt für andere, die Fähigkeit, ihre Interessen zu berücksichtigen, und ein Gefühl der Würde beigebracht wird. Die Patejews bestätigten später, dass sich das in allem manifestiert – vom Verhalten in der Öffentlichkeit (Unhöflichkeit und Frechheit werden von der Gesellschaft verurteilt) bis hin zu Aussehen, Sauberkeit und Ordnung. Die Straßen afrikanischer Städte sind in der Regel sauber und oft gefegt. Auf dem DIT-Campus sah ich ein Schild mit einer ausführlichen Erläuterung über die dortige Kleiderordnung.

Zwar gibt es, wenn man unseren altgedienten Afrikanisten Glauben schenken darf, weder in Suaheli noch in Amharisch ein Wort für „Gewissen“, aber was das bedeutet und wie es sich in der Praxis auswirkt, habe ich noch nicht verstanden. Die sprichwörtliche „Hottentotten-Moral“, nach der es gut ist, eine Kuh zu stehlen, und es schlecht ist, sie durch Diebstahl zu verlieren, hat nichts mit der Realität zu tun. Die goldene Regel der Moral, andere so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte, gilt auch in Afrika. Die Menschen dort sind, gelinde gesagt, nicht reich, aber sie sind insgesamt mit sich und ihrem Leben zufrieden, murren nicht über ihr Schicksal und wissen, wie man zufrieden und dankbar ist. Auch das liegt vor allem an den starken familiären Bindungen, bei denen es zum Beispiel als selbstverständlich gilt, zwei Tage zu reisen, um an der Beerdigung eines weit entfernt verwandten Schwippschwagers in einem weit entfernten Dorf teilzunehmen.

Kurzum: Afrika war gut. Aber zu Hause ist es noch besser. Es war für mich eine sehr befriedigende Erfahrung, wieder in meinem Heimatland zu sein. Zuvor hatte ich mich oft an die bissigen Bemerkungen unserer Klassiker erinnert, dass Russen ihre Landsleute im Ausland normalerweise nicht gerne treffen. Aber hier begann die russische Sprache schon am äthiopischen Flughafen wie Musik für mich zu klingen, und zu Hause wurde dieses Gefühl noch stärker.

Ich denke, allein dafür lohnt es sich, in jedes, auch weitentfernte Land zu reisen.

Ende der Übersetzung


In meinem neuen Buch „„Putins Plan – Mit Europa und den USA endet die Welt nicht – Wie das westliche System gerade selbst zerstört ““ gehe ich der der Frage, worum es in dem Endkampf der Systeme – den wir gerade erleben – wirklich geht. Wir erleben nichts weniger als den Kampf zweier Systeme, in dem Vladimir Putin der Welt eine Alternative zum neoliberalen Globalismus anbietet. Wurden die Bürger im Westen gefragt, ob sie all das wollen, ob sie zu Gunsten des neoliberalen Globalismus auf ihren Wohlstand und ihre Freiheiten verzichten wollen?

Das Buch ist aktuell erschienen und ausschließlich hier direkt über den J.K. Fischer Verlag bestellbar.

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