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Kritik an EU-Kommission: EVP-Chef Manfred Weber mimt den Migrationspolitiker

Published On: 17. April 2023 16:16

EVP-Chef Manfred Weber warnt vor der Migrationskrise, sucht den Schulterschluss mit Italiens Giorgia Meloni und kritisiert die EU-Kommission. Aber zu den EU-Schlafwandlern, die er kritisiert, gehört Weber mit seinen Forderungen selbst, die ganz den alten Migrationsillusionen verhaftet sind.

IMAGO / Lehtikuva

EVP-Chef Manfred Weber

Manfred Weber scheint die Migrationskrise zu seinem zentralen Thema zu machen. „Die EU schlafwandelt in eine neue Migrationskrise, obwohl der rasant steigende Migrationsdruck offensichtlich ist. In Italien sind in den ersten drei Monaten dieses Jahres über 300 Prozent mehr Migranten als im vergangenen Jahr angekommen“, sagte er der Bild. Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP) will in dieser Woche im EU-Parlament über seine Forderung debattieren, direkte Verhandlungen mit Tunesien aufzunehmen, von wo derzeit ein Großteil der Migranten übers Mittelmeer nach Italien kommt. Hintergrund ist ein Bericht der EU-Grenzschutzagentur Frontex an die EU-Kommission, in dem gewarnt wird, dass die Vorjahreszahl der Migranten (330.000) dieses Jahr bereits im Sommer erreicht sein wird. 57 Prozent der in Italien ankommenden Migranten gingen dort in die Schlepperboote.

Webers Motivation dürfte nicht nur an der Sache liegen. Der seinerzeitige angebliche Spitzenkandidat für das Amt des Kommissionspräsidenten hat vermutlich erkannt, dass das offenkundige Migrationsversagen auch ein Hebel sein könnte, Ursula von der Leyen unter Druck zu setzen. Die wurde ihm bekanntlich seinerzeit von Macron und Merkel als Kommissionspräsidentin vorgezogen – und tut seither nichts, um der anschwellenden Migrationskrise entgegenzuwirken. Glaubwürdigkeit als Begrenzerin hat die Vertraute von Merkel auf dem Feld ohnehin nicht zu vermitteln. Weber dagegen war zwar stets lauter Befürworter des Resettlement-Programms, aber zumindest rief er dabei auch hörbar – zum Beispiel nach Bekämpfung illegaler Migration „mit aller Härte„.

Früher schon wurde ihm vorgeworfen, allzu freundlich gegenüber Ungarns Viktor Orbán, dem Gottseibeiuns der europäischen Willkommenspolitiker zu sein, nun ruft er nach Solidarität mit Italiens Giorgia Meloni. Die EVP unterstütze die italienische Regierung „voll und ganz bei der Priorisierung dieses Problems auf europäischer Ebene“. Er und die EVP bedauerten, „dass seitens der Kommission und der EU-Staaten auf EU-Ebene nicht viel Bewusstsein, kein Zuhören oder viel Handeln für ein ernstes Problem besteht“. Schon erstaunlich: Ein CSU-Politiker ruft zum Schulterschluss mit der in Deutschland meist als „Postfaschistin“ diskreditierten Meloni – und kritisiert die von einer CDU-Politikerin geführte EU-Kommission.

Webers konkrete Forderung steht allerdings durchaus im Einklang mit der seinerzeitigen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Deren Türkei-Deal, der wohlgemerkt noch nicht mal ein echter Vertrag war, und Europa beziehungsweise vor allem das Hauptzielland Deutschland durch den autoritär regierenden Islamisten Erdogan erpressbar machte, soll nach Webers Wunsch offenbar Vorbild für einen Migrationspakt mit Tunesien werden: „Ähnlich wie beim Türkei-Abkommen muss den Schlepperbanden gemeinsam das Handwerk gelegt werden.“ Er vergaß zu erwähnen, dass die Türkei immer wieder mehr oder weniger offen mit Schleppern kooperierte und Migranten als Druckmittel gegen die EU und vor allem den alten Erzfeind Griechenland instrumentalisierte. Offenkundig ist es weniger der Merkel-Deal als vielmehr die konsequente Grenzsicherung der Griechen, die die Balkan-Route in jüngerer Zeit immerhin ein wenig entlastet.

Auch Webers zweite konkrete Forderung entspricht ganz den seit Jahren als völlig illusionär erwiesenen Dauerforderungen der Ex-Kanzlerin und anderer deutscher Migrationspolitiker: „Die deutsche und die französische Regierung, aber auch die anderen, können nicht tatenlos zusehen, sie müssen freiwillig Asylberechtigte in ihr Hoheitsgebiet bringen.“ Dahinter steht also immer noch die Vorstellung, der Schlüssel europäischer Asyl-Politik bestehe darin, Wohlstandsmigranten von einem besonders belasteten Land aktiv in andere umzusiedeln. Die Erfahrungen von 2015 ff zeigen aber, dass erstens die meisten EU-Mitgliedsländer daran kein Interesse haben und allenfalls lächerlich geringe Kontingente bewegen. Und zweitens – viel entscheidender: Die großen Attraktivitätsunterschiede der Versorgung und fehlende inneneuropäische Abschiebungen führen dazu, dass tatsächlich nicht die Regierungen, sondern die Migranten selbst entscheiden, wo sie sich niederlassen.

Als Akutmaßnahmen wären Webers Vorschläge vielleicht sogar noch sinnvoll. Aber aus den Erfahrungen seit 2015 sollten EU-Migrationspolitiker eigentlich gelernt haben, dass es nicht nur ums Akute geht, sondern um eine zukunftsfeste Minderung der Wohlstandsmigration. Dazu müssten endlich die entscheidenden Hebel der Migrationspolitik überhaupt erstmal als solche erkannt werden. Wenn es Weber um mehr als seine Selbstinszenierung und Revanche gegen von der Leyen ginge, müsste seine Forderung auf eine EU-weite Harmonisierung der Versorgung von „Schutzsuchenden“ zielen.

Nur diese könnte nämlich das tatsächlich noch viel mehr als Italien belastete Deutschland, das für viele dort ankommende Migranten das Wunschland ist, allmählich entlasten. Denn selbstverständlich bedeutete eine Harmonisierung die Absenkung der verlockenden Standards in Deutschland. Solange die Anziehungswirkung (Pull-Faktor) als entscheidendes Steuerungsinstrument ignoriert wird, bleibt eine begrenzende Asyl- und Migrationspolitik auf europäischer und nationaler Ebene illusionär.

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