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Zeige deine Wunde

Published On: 20. Mai 2023 4:06

Ostererlebnis besonderer Art

Es war kurz vor Ostern und die Supermärkte waren voller Menschen, die für das lange Wochenende einkauften oder in den ersehnten Urlaub fuhren. Doch für mich stellte sich ein Ostererlebnis besonderer Art ein: Ich bekam ein erhebliches Zahnproblem. Was für andere zwar ein unangenehmes, aber doch zu bewältigendes Problem darstellt, ist für mich eine Katastrophe. Denn nichts ist für mich so angstbesetzt wie der Gang zum Zahnarzt. Diese Angst begleitet mich schon, solange ich denken kann.

Angst blockiert unsere Lebendigkeit

Meine Bemühungen, der Ursache meiner Angst auf den Grund zu gehen, waren bisher nicht sehr erfolgreich. Nach einer vorübergehenden Besserung tauchte die alte Angst immer wieder auf und schien sogar noch zuzunehmen. Dabei ist Angst an sich eine sinnvolle Sache. Um einer bedrohlichen Lebenssituation zu entkommen, wird unser Organismus durch Angst auf Kampf oder Flucht vorbereitet. Ein Ereignis kann aber so überwältigend, eine Angst so groß sein, dass sie uns überfordert. Um unser empfindliches Nervensystem vor dem „Durchbrennen“ zu schützen, müssen wir sie ins Unbewusste verschieben. Dort bleibt sie in ihrer ursprünglichen Intensität erhalten und blockiert als Schattenanteil unserer Psyche den Fluss der Lebensenergie. In jeder Situation, die der ursprünglichen traumatischen Erfahrung gleicht, kommt sie wieder hervor und versperrt uns erneut unseren Lebensweg.

Vom Chaos zu einer neuen Ordnung

In eine solche Situation war ich nun mal wieder hineingeraten. Hilflosigkeit und Panik machten sich breit. Der Verstand tat das Seinige noch dazu und verstärkte die Emotionen mit dramatischen Bildern, die das Gefühl des Ausgeliefertseins noch erhöhten. Alles, was normalerweise in Stresssituationen hilft — zur Ruhe kommen, entspannen, meditieren — ist jetzt unmöglich. Man erstarrt wie zu Stein, fühlt sich wie angenagelt. Doch das psychische Geschehen, das sich in solchen Situationen in unserem Kopf abspielt, lässt sich inzwischen wissenschaftlich gut erklären. Komplexitätswissenschaften wie die Synergetik oder die Chaosforschung betrachten das Gehirn als ein komplexes, sich selbst organisierendes System, dem das Vermögen zur Emergenz innewohnt. Das heißt: Wenn wir in eine chaotische Lebenssituationen geraten und uns auf dieses Chaos einlassen, beginnen sich alte, dysfunktional gewordene neuronale Strukturen aufzulösen. Das Gehirn baut dann eine neue Ordnungsstruktur auf und springt damit gleichzeitig auf eine höhere evolutionäre Ebene.

Vom Sterben zum Auferstehen

In all dem Chaos dieser Ostertage gab es immer wieder Lichtblicke, auch Phasen der Ruhe und der Zuversicht. Und wie so oft in schwierigen Lebenslagen stellte sich auch hier unerwartete Hilfe ein. Sie kam für mich in Form eines plötzlichen Einfalls. Ich erinnerte mich an eine kurze Passage aus einer Märcheninterpretation des Theologen und Psychotherapeuten Eugen Drewermann. Darin vergleicht er die Angst mit einem riesigen Berg, der sich vor unserer Tür auftürmt und uns den Weg ins Freie versperrt. Dieses unüberwindbar scheinende Hindernis zum Verschwinden zu bringen, so Drewermann, ist keine Angelegenheit von Anstrengung und Willensanspannung nach der Devise: „Reiß Dich zusammen!“ oder „Kopf hoch und durch!“. Es ist genau umgekehrt eine Frage des Ruhigwerdens und des „Nicht-Handelns“. Der Berg der Angst, so Drewermann, verschwindet nicht durch unser Tun. Er verschwindet durch die „Wirkung unseres eigenen Wesens“ und die Erkenntnis, dass wir unschätzbar kostbare, über alle Maßen wertvolle, unzerstörbare, ewige Wesen sind. Um dies zu erkennen, „muss man gegen die Hektik der Angst und gegen den Zwang des ständigen Selbstbeweises denken können: Es genügt, da zu sein, und was ich wirklich bin, ist unendlich viel wichtiger, als was ich tue“.

Was war nun meine Auferstehungserfahrung in diesen Ostertagen? Ja, ich habe es geschafft! Der Berg vor meiner Haustür war verschwunden. Ich bin zum Zahnarzt gegangen. Aber was noch wesentlicher war: Etwas Neues, eine bisher nicht gekannte Entschlossenheit stellte sich ein, meiner alten Kindheitsangst mit therapeutischer Unterstützung auf den Grund zu gehen. Der Rest entwickelte sich wie von selbst. Eine passende Therapiemethode wusste ich schon. Ein geeigneter Termin fand sich bei Nachfrage erstaunlich schnell, ohne Wartezeit. Das Ganze ging einher mit einem Gefühl von Stimmigkeit und Richtigkeit und der Ahnung, mit diesem Schritt ein ganz neues Kapitel meines Lebens aufzuschlagen

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Zeige deine Wunde!

Es war kurz vor Ostern. In den Supermärkten drängten sich die Menschen, um für das lange Wochenende einzukaufen. Familien bepackten ihre Autos, um in den ersehnten Urlaub zu fahren. Für mich stellte sich ein Ostererlebnis besonderer Art ein: Ich bekam ein erhebliches Zahnproblem. Was für andere zwar ein unangenehmes, aber doch zu bewältigendes Problem darstellt, ist für mich eine Katastrophe. Denn nichts ist für mich so angstbesetzt wie der Gang zum Zahnarzt. Diese Angst begleitet mich schon, solange ich denken kann. Meine Bemühungen, ihrer Ursache auf den Grund zu gehen, waren bisher nicht sehr erfolgreich. Nach einer vorübergehenden Besserung tauchte die alte Angst immer wieder auf. Ja, sie schien sogar noch zuzunehmen. Angst blockiert unsere Lebendigkeit Dabei ist Angst an

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