Die Mar von den unmotivierten Studentinnen
Nach der Familiengründung wollen Akademikerinnen und Akademiker nicht Vollzeit arbeiten
Die Behauptung, dass Frauen selbst schuld seien, wenn sie keine Karriere machen, wird oft wiederholt. Fehlende Kinderbetreuungsplätze, Präsenzkultur, Männernetzwerke und andere strukturelle Hürden sind jedoch nicht der Grund dafür, dass Frauen an Universitäten seltener Karriere machen. Der konservative Redakteur Rico Bandle behauptete in der Schweizer «SonntagsZeitung», dass Frauen selbst nicht karriereorientiert seien und glücklich seien, wenn sie zu Hause für Kinder und Mann sorgen können. Er bezog sich dabei auf eine noch unveröffentlichte Studie der Ökonomin Margit Osterloh und der Soziologin Katja Rost von der Universität Zürich, die untersuchte, weshalb Frauen in akademischen Spitzenpositionen im Vergleich zum Frauenanteil bei den Studierenden untervertreten sind.
Die beiden Forscherinnen befragten rund 10.000 Studentinnen und Studenten der Universität Zürich und der ETH und kamen zum Schluss, dass die Mehrheit der Studentinnen nicht Karriere machen wolle. Diskriminierung sei deshalb nicht der Grund für den geringen Frauenanteil in Spitzenpositionen. Gleichstellungsmassnahmen wie Quoten seien unnötig und würden zudem «ambitionierte» Männer diskriminieren, sagten die Studienautorinnen der «SonntagsZeitung».
Politologe Michael Hermann kritisierte gegenüber «watson» die Art und Weise, wie die Forscherinnen die Studierenden befragten. Nur bei der Wahl eines Vollzeitpensums hätten diese angeben können, ob sie Karriere machen wollen. «Da sieht man, dass diejenigen, die den Fragebogen designt haben, mit alten Rollenbildern arbeiten.» Auf eine spätere Nachfrage der «SonntagsZeitung» akzeptierte Rost diese Kritik. «Sicherlich hätte man vieles anders oder besser machen können.» Doch es sei heute Realität, dass eine wissenschaftliche Karriere nur mit einem «150-Prozent-Pensum» möglich sei.
Irreführende Dateninterpretation
Markus Theunert von männer.ch hatte Einblick in die Studie und zeigt anhand von drei Kernaussagen, wie Bandle die Daten der Studie irreführend interpretiert hat. Bandle schrieb: «Der wichtigste Grund für die tröpfelnde Leitung (Untervertretung der Frauen in Führungspositionen, Anm. Red.) sind nicht etwa Diskriminierung oder erschwerte Bedingungen für Mütter, wie oft gesagt wird, sondern dass viele Studentinnen keine oder nur geringe Karriereambitionen haben.» Was Bandle verschwieg: Aus der Studie geht laut Theunert hervor, dass die befragten Studenten fast genauso wenig Lust auf eine Führungsposition haben wie die befragten Studentinnen.
Bandle: «Ihr (die weiblichen Befragten, Anm. Red.) Familienbild ist nach wie vor eher konservativ geprägt: Tendenziell bevorzugen sie einen Partner, der älter und erfolgreicher ist als sie.» Mit den Begriffen «eher» und «tendenziell» verschleierte Bandle, dass nur eine Minderheit der befragten Frauen einen Partner mit besseren Karriereaussichten wünscht. Eine Mehrheit der Studienteilnehmenden möchte einen Partner mit gleich guten oder geringeren Karriereaussichten.
Bandle: «Wenn Kinder da sind, wollen sie (die weiblichen Befragten, Anm. Red.) Teilzeit arbeiten, der Mann soll Vollzeit für das Haupteinkommen sorgen.» Diese Aussage von Bandle entspricht nicht dem Resultat der Umfrage: Nicht einmal ein Drittel der befragten Studentinnen wünscht, dass der Partner nach der Familiengründung Vollzeit arbeitet. Auch eine Mehrheit der befragten Männer lehnt dies laut Theunert ab.
Manipulation der öffentlichen Meinung
Theunert wirft Bandle vor, er habe mit «verzerrter Dateninterpretation Geschlechterrollen von gestern zur Normalität von heute stilisiert» und damit die öffentliche Meinung manipuliert. Ziel sei es, traditionelle Geschlechterrollen als normal und modern darzustellen. Chefredaktor Arthur Rutishauser warf den Kritikerinnen fehlende Frauensolidarität mit den beiden Forscherinnen vor und unterstellte männlichen Kritikern, sie würden ein solches Verhalten als Mansplaining bezeichnen.
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Die Mär von den unmotivierten Studentinnen
Nach der Familiengründung wollen Akademikerinnen und Akademiker nicht Vollzeit arbeiten. © pab Barbara Marti / 30.05.2023 Frauen seien selber schuld, wenn sie keine Karriere machen. Diese Behauptung der «SonntagsZeitung» plapperten viele nach. Fehlende Kinderbetreuungsplätze, Präsenzkultur, Männernetzwerke und andere strukturelle Hürden sind nicht der Grund dafür, dass Frauen an Universitäten seltener Karriere machen. Die Studentinnen selber wollen nicht, suggerierte der konservative Redaktor Rico Bandle in der Schweizer «SonntagsZeitung». Frauen seien glücklich, wenn sie zu Hause für Kinder und Mann sorgen können, schrieb er in seinem Artikel über eine noch unveröffentlichte Studie der Ökonomin Margit Osterloh und der Soziologin Katja Rost von der Universität Zürich. Im Auftrag der Universität untersuchten die beiden Forscherinnen, weshalb Frauen in akademischen Spitzenpositionen im Vergleich zum Frauenanteil
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