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Die AHV lässt Behinderte im Stich

Published On: 7. Juni 2023 10:37

Ab dem Rentenalter ersetzt bei den Hilfsmitteln die knausrige AHV die großzügige IV. Der Autor ist Redakteur des Online-Portals seniorweb.ch. Lina Müller (Name geändert) leidet an den Spätfolgen der Kinderlähmung. Die Infektionskrankheit verunsicherte bis in die Sechzigerjahre Eltern und Kinder. Lina erkrankte während einer der letzten Wellen. Wenig später besiegte eine Impfung das Leiden in der westlichen Welt. Nach mehreren Operationen und orthopädischen Korrekturen litt sie während Jahrzehnten kaum unter körperlichen Beschränkungen. Dann zeigte sich, dass sie die Krankheit doch nicht völlig überwunden hatte. Sie wurde schwächer und musste sich beruflich einschränken. Die IV genehmigte eine Teilrente, bewilligte einen Handrollstuhl und ermöglichte, dass die Wohnung barrierenfrei umgebaut wurde. Lina Müllers Schicksal beweist, dass die Schweizer Sozialversicherungen in ihrem Fall bis hierher funktionierten. Doch als Lina das Pensionsalter erreicht, wird sie im Stich gelassen. Der Fall zeigt, dass bei unseren Sozialwerken eine Lücke klafft, in die Behinderte tief und schmerzhaft fallen können.

Im Alter meist stärker behindert

Statt einer IV-Rente erhält Lina Müller nun die übliche AHV-Rente. Für die Hilfsmittel muss die AHV zwar die bisherigen Leistungen der IV übernehmen (Besitzstandsgarantie). Doch die Folgen von Behinderungen verschlimmern sich im Alter häufig. Darauf nimmt die AHV keine Rücksicht. So kann es bei Betroffenen zu großen finanziellen Problemen kommen. So auch bei Lina Müller. Weil der bisherige Handrollstuhl nicht mehr genügt, braucht sie ein viel teureres Modell mit Elektroantrieb. Außerdem muss sie ihre Wohnung weiter umbauen und benötigt für ihr Auto eine behindertengerechte Anpassung. Alles zusammen kostet das rund 32.000 Franken. Vor ihrem 64. Geburtstag hätte die IV die Rechnungen bezahlt. Jetzt muss sie alles selbst stemmen.

Unser Sozialsystem berücksichtigt nicht, dass im Alter Beeinträchtigungen zunehmen. Und es vernachlässigt jene, die erst im AHV-Alter behindert werden. Ganz schließt die Altersversicherung die Rentnerinnen und Rentner mit Behinderungen nicht aus. Aber die Leistungen sind viel geringer als jene der IV und reichen bei weitem nicht aus, um die oft hohen Kosten zu decken. Behinderte bekommen kein Geld für einen Wohnungsumbau, einen E-Rolli oder eine Autoanpassung.

Zuständigkeitslücke

Francesca Rickli hat 2019 ihre Doktorarbeit an der Universität Zürich diesem Thema gewidmet. Die Ethnologin interviewte und begleitete während 16 Monaten über 30 Seniorinnen und Senioren. Die meisten litten schon vor der Pensionierung unter Mobilitätseinschränkungen. Eine kleinere Gruppe wurde erst im AHV-Alter damit konfrontiert. Ethnologin Rickli bestätigt, dass die damaligen Erkenntnisse auch heute noch zutreffen. Sie spricht von einer Zuständigkeitslücke zwischen IV und AHV. Die Betroffenen nützen Spitex, Mobilitätsdienste sowie die verbliebenen Hilfsmittel und seien auf die Unterstützung der Familienangehörigen angewiesen. «Stirbt zum Beispiel der Lebensgefährte, bricht dieses Gefüge auseinander.»

Laut Gesetz soll die IV Menschen ins Erwerbsleben integrieren, die AHV jedoch nur noch die Existenz sichern. Diese Unterscheidung ist veraltet. Sie widerspricht den Aufgaben, welche die Seniorinnen und Senioren heute übernehmen. Sie engagieren sich als Freiwillige, sie betreuen Angehörige, sie leisten als Großeltern Familienarbeit. Indem die AHV den Behinderten dies verunmöglicht, entzieht sie der Allgemeinheit Ressourcen.

«Katastrophale Situation»

Annette Paltzer bestätigt die Missstände. Sie ist Präsidentin von Age Plus. Der Verein will die Situation von Behinderten im Alter verbessern. Die Soziologin und Heilpädagogin hat seit ihrer Geburt eine zerebrale Bewegungsstörung. Sie bezeichnet die Situation als «katastrophal» und macht die Politik dafür verantwortlich. Diese habe das System falsch aufgestellt und erkenne das Problem erst schleppend. Außerdem erfülle die Schweiz noch zu wenig die Uno-Behindertenrechtskonvention, die sie unterzeichnet hat.

In Deutschland erhält 93-Jährige einen Lift

Auch Deutschland ist kein Hilfsmittel-Schlaraffenland. Doch sind dort Leistungen möglich, die bei uns undenkbar wären. In letzter Instanz hat kürzlich ein Gericht entschieden, dass die Pflegekasse den größten Teil der Kosten für einen Aufzug zu tragen hat. Der Lift ermöglicht einer 93-Jährigen ins obere Stockwerk zu gelangen. Der Fall musste den ganzen Behör

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Die AHV lässt Behinderte im Stich

Peter Steiger / 7.06.2023  Ab dem Rentenalter ersetzt bei den Hilfsmitteln die knausrige AHV die grosszügige IV. Der Autor ist Redaktor des Online-Portals seniorweb.ch. Lina Müller (Name geändert) leidet an den Spätfolgen der Kinderlähmung. Die Infektionskrankheit verunsicherte bis in die Sechzigerjahre Eltern und Kinder. Lina erkrankte während einer der letzten Wellen. Wenig später besiegte eine Impfung das Leiden in der westlichen Welt. Nach mehreren Operationen und orthopädischen Korrekturen litt sie während Jahrzehnten kaum unter körperlichen Beschränkungen. Dann zeigte sich, dass sie die Krankheit doch nicht völlig überwunden hatte. Sie wurde schwächer und musste sich beruflich einschränken.  Die IV genehmigte eine Teilrente, bewilligte einen Handrollstuhl und ermöglichte, dass die Wohnung barrierenfrei umgebaut wurde. Lina Müllers Schicksal beweist, dass die Schweizer Sozialversicherungen

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