Der Finger in der Wunde – umgeschrieben ohne Sonderzeichen und Satzzeichen, aber mit Umlauten: Der Finger in der Wunde

Veröffentlicht am: 6. Juli 2023 | Anzahl Kommentare: 3 Kommentare

Die Notwendigkeit der Aufarbeitung

Ein Meinungsbeitrag von Anke Behrend.

Immer wieder hören wir den Ruf nach Aufarbeitung. Es ist dringend erforderlich, angesichts der vergangenen Jahre des Unrechts und des Leids, das vielen von uns zugefügt wurde. Wir wollen Gerechtigkeit, offiziell anerkannt, nicht nur von unseren eigenen Kreisen. Wir möchten den Anderen offiziell beweisen können, dass sie im Unrecht waren. Sie müssen sich entschuldigen. Mindestens! Wir verlangen Genugtuung und die Wiederherstellung unserer Ehre, unseres Ansehens und unserer Würde. Wir wollen, dass sie verstehen, was sie getan haben. Dass sie es nie wieder tun. Wir wollen nichts mehr und nichts weniger als unser Recht!

Die Bedeutung der Aufarbeitung

Denn so kann es nicht einfach enden. Als ob nichts geschehen wäre. Sie gehen einfach weiter. Wir konzentrieren uns jetzt auf den Klimawandel. Die Wissenschaft ist sich einig. Und wir haben bereits Experten. Nein, Expert_innen. Damit ihr nicht einmal wisst, worüber ihr euch zuerst empören sollt. Damit ihr alle wieder mitmacht. Deshalb brauchen wir die Aufarbeitung. Deshalb schreiben wir seit Monaten die gleichen Texte, in denen immer dasselbe steht, nur die Autoren sind immer andere, und dann doch wieder die gleichen. Sie schreiben genau das, was wir sowieso schon wissen und was jeder bereits gesagt, gelesen, gehört und geschrieben hat. Und dann jubeln wir wie beim ersten Mal und finden die Texte, die wir schon hundertmal gelesen haben, großartig. Brillant! Sensationell! Like! Aufarbeitung!

Die Herausforderungen der Aufarbeitung

Immer wieder zeigen wir uns gegenseitig die menschenverachtenden Aussagen, Fotos und Videos, denn die Anderen erreichen wir nicht. Jedes Mal schockiert es einige von uns genauso wie im Winter ’21, als sie uns mit der Impfpflicht bedrohten. Als Politiker und Medien uns zu Aussätzigen erklärten und uns zum Abschuss freigaben. Das kannten wir bisher nur aus Büchern. Und dann kommt die Angst zurück und die Wunden heilen nicht. Sind wir etwa traumatisiert? Aufarbeitung ist notwendig. Keine Rücksicht auf Verluste. Wer das nicht ertragen kann, kann gehen. Oder sich einfach impfen lassen. Nein, warte. Das war ein anderer Text. Natürlich wollen wir niemanden re-traumatisieren. Wir sind empathisch. Frieden, Liebe, ihr wisst schon. Aufarbeitung!

In den Medien geschieht etwas, zögerlich, halbherzig. Das Narrativ darf nicht sterben, vor allem nicht plötzlich und unerwartet. Deshalb muss immer betont werden, dass es nur wenige sind, die Anderen aber viele. Alles richtig gemacht. Aber wir kennen die Zahlen. Ihr könnt uns nichts vormachen. Und die anderen? Sie fühlen sich bestätigt. Sie beharren darauf, dass sie es nicht besser wussten. Bei jedem Versuch, sie zur Rechenschaft zu ziehen, festigen sie ihre Rechtfertigungen. Kein Hauch von Zweifel, keine Einsicht. Oder sie waren schon immer kritisch, konnten es nur nicht sagen. Hier 3 Minuten 30 im Nachmittagsmagazin, dort ein Artikel im Lokalteil. Das reicht nicht. Es interessiert nicht. Die anderen Skandale sind zu groß. Man ist müde. Und so schwelgen wir seit Monaten in den alten Tweets von Lauterbach und posten Woche für Woche Videoschnipsel mit den überheblichen Äußerungen von Experten, Sängern, Komikern… es sind so viele. Zu viele. Aufarbeitung? Was haben wir uns davon erhofft? Einen Showdown? Diese Krise endet nicht wie ein Blockbuster mit einem Happy End: Das Gute triumphiert! Credits an alle Mitwirkenden. Denn was würde passieren, wenn jetzt alles ans Licht käme? Wenn die 63 Prozent der Mitmacher plötzlich nicht mehr auf der „richtigen“ Seite wären? Wenn sie erkennen müssten, was sie getan haben und was mit ihnen getan wurde? Würde es Rachegefühle geben? Rufe nach Vergeltung? Und das alles in der aktuellen Situation mit einem Krieg fast vor der Haustür und innenpolitischer Instabilität? Aufarbeitung. Sie wird kommen. Es werden Wissenschaftler gefunden, vielleicht Historiker, die die notwendigen Daten erheben. Journalisten werden die Akten durchsehen, unsere Bücher lesen, unsere Filme anschauen. Sie werden Dokumentationen produzieren und ihrerseits Bücher schreiben. Und ja, höchstwahrscheinlich werden wir dann Recht bekommen. Vielleicht nicht in allen Punkten. Aber immerhin. Aber wann wird das sein? Keine Ahnung. Wir müssen geduldig sein, bis „Corona“ in die Ferne gerückt ist und verblasst wie eine seltsame Mode, für die man sich heute schämt. Ein altes Foto mit einer schrecklichen Frisur – und dann diese Maske im Gesicht. Wie konnten wir nur…? Meine Güte, was für ein Wahnsinn. Wie hieß der nochmal, der da etwas von „verzeihen“ faselte? Jörg? Nein, Jens, glaube ich. Der hatte so ein eckiges Gesicht. Buschmann? Nein. Egal. Bis dahin müssen wir uns gedulden und loslassen, aber nicht vergessen. Und die Wunden heilen lassen.

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Der Finger in der Wunde

Veröffentlicht am: 6. Juli 2023 | Anzahl Kommentare: 3 Kommentare Ein Meinungsbeitrag von Anke Behrend. Aufarbeitung! Dröhnt es – ungehört – in Dauerschleife. Und nichts wäre dringender angesichts der vergangenen Jahre des Unrechts und des Leids, das vielen von uns angetan wurde. Endlich Recht bekommen, offiziell, nicht nur aus „unseren“ Kreisen. Es den Anderen amtlich beweisen können, darum geht es: Ihr habt falsch gelegen. Ihr müsst euch entschuldigen. Mindestens! Wir wollen Genugtuung und die Wiederherstellung unsere Ehre, unseres Ansehens und unsere Würde. Wir wollen, dass ihr begreift, was ihr getan habt. Dass ihr es nie wieder tut. Wir wollen nicht mehr und nicht weniger als unser Recht! Aufarbeitung! Denn so kann es doch nicht enden. Im Nichts. Als wäre nichts

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