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Sprachlupe: Die erstaunliche Unwirklichkeit des Scheins

Published On: 29. Juli 2023 10:03

Daniel Goldstein / 29.07.2023

Es ist erstaunlich, was alles als „unglaublich“ bezeichnet wird. Und mit „unglaublich“ soll keine Frage des Glaubens verbunden sein. Was haben die Bedeutung der Ehe in Indien, das Wissen zweier berühmter Dirigenten, das Dilemma der EU mit Tunesien, das Abstimmungsverhalten beim Covid-Gesetz und die Stärke der Mutter eines Mordopfers gemeinsam? Genau: Sie sind alle unglaublich – oder zumindest hat jemand sie öffentlich so bezeichnet, meistens in einem Radiointerview. Sollten wir damit dazu eingeladen werden, diesen Aussagen keinen Glauben zu schenken, wie es das Wort „unglaublich“ nahelegt? Wohl kaum – es war eher eine Einladung, diesen Aussagen trotz ihrer Unglaublichkeit Glauben zu schenken. Vielleicht soll es in Zeiten von Fake News ein Beweis für die Wahrheit sein, etwas als „unglaublich“ zu bezeichnen: Wer würde es wagen, etwas Erfundenes zu präsentieren, das wirklich unglaublich ist und daher nicht geglaubt werden kann? Oder aber: Das Wort ist bereits so abgenutzt, dass kaum jemand mehr darüber nachdenkt, ob es wörtlich gemeint ist; stattdessen wird „unglaublich“ als gesteigertes „sehr“ wahrgenommen, das sich nicht auf die Glaubwürdigkeit der Aussage bezieht.

Unsportlicher Wettlauf

Wird „unglaublich“ tatsächlich häufiger gesagt als früher oder kommt es mir nur so vor? Das Digitale Wörterbuch dwds.de zeigt in einer Wortverlaufskurve, dass die relative Häufigkeit seit 1985 kontinuierlich ansteigt und sich in dieser Zeit etwa vervierfacht hat. Eine Stichprobe in der Schweizer Mediendatenbank SMD ergibt eine Verdoppelung innerhalb eines Jahrzehnts. Dabei lässt sich auch ablesen, welche Personen besonders oft mit Unglaublichem in Verbindung gebracht werden oder selbst zu diesem Sprachbild greifen: Vor allem Sportler. In den frühen 2010er Jahren schaffte es sonst nur Christoph Blocher in die „Top Twenty“, in den letzten zwölf Monaten waren es Wladimir Putin und Queen Elizabeth II. Die Sportberichterstattung nimmt in den Medien gerne eine Vorreiterrolle ein, wenn es darum geht, dick aufzutragen (vgl. „Sprachlupe“ vom 28.7.2018). Sie ist auch bekannt für ihre Anleihen beim Englischen. Könnte „unglaublich“ also auch aus den USA Rückenwind bekommen haben? Ein – unwissenschaftlicher – Hinweis darauf liefert Thomas Zurbuchen: Der ehemalige Leiter der NASA-Forschung, der zur ETH wechselt, hat das Wort in einem Tamedia-Interview gleich sechsmal verwendet. Etwas weniger auffällig ist ein Blick auf die Wortstatistik von Google Books (Ngrams): Sie zeigt einen moderaten Anstieg für „unbelievable“ und „incredible“ ab 1990, ist aber nur bis 2009 verfügbar. Bis dahin reicht auch die Kurve für „unglaublich“, die zuletzt steil angestiegen ist und vor allem früher einsetzt als die englischen Entsprechungen.

Modisch genau, immer wieder

Diese Wortmode dürfte also hausgemacht sein – genauso wie „genau“, das ich in den ersten Absatz geschmuggelt habe, um Ihnen quasi auf die Schulter zu klopfen: Bravo, Sie haben bereits bemerkt, dass all diese Phänomene „unglaublich“ sind. Dieser bestätigende Ausruf wird auf der ersten Silbe betont, anders als das gewöhnliche Adjektiv. „Génau“ scheint mit landestypischer Verspätung in die Schweiz gekommen zu sein. Sprachkolumnisten in Deutschland und Österreich haben diesen Trend bereits vor einigen Jahren aufgegriffen, noch ohne auf die Betonung einzugehen; Altmeister Harald Martenstein fand ihn sogar schon bei einem Vorgänger von 1958. Seitdem hat man gelernt, sich mit diesem Wort sogar selbst auf die Schulter zu klopfen: Das habe ich jetzt aber gut gesagt. Unglaublich? Genau!

Themenbezogene Interessenbindung des Autors/der Autorin: Keine

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Sprachlupe: Die unglaubliche Unglaublichkeit des Scheins

Daniel Goldstein / 29.07.2023  Es ist unglaublich, was alles just diese Anpreisung bekommt. Und «unglaublich» soll keine Zweifel wecken, ob etwas zu glauben sei. Was haben die Wichtigkeit der Ehe in Indien, die Erscheinung bzw. das Wissen zweier berühmter Dirigenten, das Dilemma der EU mit Tunesien, die Konstanz des Abstimmungsverhaltens beim Covid-Gesetz und die Kraft der Mutter eines Mordopfers – was haben sie miteinander zu tun? Genau: Sie sind alle unglaublich – oder wenigstens hat sie jemand öffentlich so bezeichnet, meist in einem Radiointerview. Wollte man uns damit einladen, die Aussagen nicht zu glauben, wie es das Wort «unglaublich» ja nahelegt? Wohl kaum – eher war es eine Einladung, der Sache Glauben zu schenken, obwohl das schwerfallen mag. Vielleicht soll

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