Alexander Dugin oder wenn ein Idealist Unterdrückung anordnet

2. August 2023, 18:04 Uhr, von Alexej Danckwardt

Die Debatte über Zensur und Repression in Russland

Alexander Dugins programmatischer Artikel mit dem kontroversen Titel „Russland braucht Zensur und Repression“ hat bereits eine Antwort von Gert Ewen Unger erhalten. Es ist ratsam, sowohl Dugins Ausgangsartikel als auch die bereits veröffentlichte Kritik daran zu lesen. Warum also noch einen Artikel zu einem Thema, das Deutschland nicht unmittelbar betrifft? Obwohl die Kritik am Liberalismus, der mittlerweile zur Perversion geworden ist, der gefühlten Mehrheit in Deutschland gefallen wird.

Das Problem mit Dugin und seiner idealistischen Ideenwelt

Gert Ewen Unger verstrickt sich leider in einer Debatte darüber, was Liberalismus ist und verteidigt die Freiheiten, die er durch Dugins Vorschläge bedroht sieht. Das eigentliche Problem mit Dugin und seiner Ideenwelt ist jedoch ein ganz anderes: Er ist ein Idealist. Im philosophischen Sinne ist er der Gegenpart eines Materialisten. „Das Bewusstsein bestimmt das Sein“ gegenüber „das Sein bestimmt das Bewusstsein“. Bevor wir uns jedoch mit den Sackgassen des Idealismus als Grundlage dieses Denkens in Bezug auf die Debatte über Zensur und Repression befassen, klären wir zunächst, worum es Dugin wirklich geht und warum der Titel des Artikels seinen Inhalt verzerrt.

Die Frage nach Zensur und Repression in Russland

Braucht Russland Zensur und Repression? Dugin sagt „ja“, ohne jedoch auf das „warum“ einzugehen. Ewen Unger lässt sich davon herausfordern und sagt, wenn auch nicht kategorisch, „nein“. Doch mitten in Dugins Text steht klar und deutlich, dass es bereits Zensur und Repression in Russland gibt, genauso wie überall sonst auf der Welt. Die Frage ist nur, gegen wen oder was sie sich richten.

Im „liberalen“ Westen, so schreibt Dugin, richten sie sich gegen Linke („Stalinisten“) und Rechte („Nazis“). Also gegen jeden, der nicht mit den liberalen Metamorphosen zum Transhumanismus, LGBT-Totalitarismus, Identitätsverlust auf allen Ebenen und anderen Erscheinungen der Postmoderne einverstanden ist. Hat Dugin mit dieser Zustandsbeschreibung Recht? Ja, er hat uneingeschränkt Recht.

Und in Russland? Auch hier richten sie sich gegen Linke und Rechte, wie Dugin nur wenige Absätze später schreibt. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass Russland noch nicht so weit auf dem Weg zum „liberalen Faschismus“ fortgeschritten ist wie die Länder des Westens. Deshalb wurden bisher nur diejenigen zensiert und strafrechtlich verfolgt, die auf der rechten Seite des politischen Spektrums Volksverhetzung betrieben oder dem radikalen Islamismus anhingen. Auf der linken Seite des politischen Spektrums wurden diejenigen verfolgt, die praktische Schritte zu einer Revolution unternahmen, die jedoch tatsächlich vom Westen organisiert und finanziert wurden. Ein Beispiel für Ersteres ist der Hetzer gegen Migranten Alexei Nawalny, ein Beispiel für Letzteres ist Sergei Udalzow, der Geld von einem Agenten des Westens für Terrorakte angenommen hatte. Nach seiner Strafe trat er der KPRF bei und ist nun häufig im kommunistischen Fernsehen zu sehen. Ohne Zensur und Repression.

Bislang war Russland im Vergleich zum „liberalen“ Europa freier und offener. Hier kann man kommunistische Symbole zeigen und die „Internationale“ singen, anders als in Polen oder im Baltikum. In Foren wird heftig diskutiert und kaum eine Meinung wird wegen „political correctness“ zensiert oder ruft den Staatsanwalt auf den Plan. Auch Versammlungen in der Öffentlichkeit, wie Kundgebungen und Demonstrationen, sind möglich, nur werden illegale, nicht angemeldete Versammlungen konsequenter aufgelöst. Wie schnell sich das ändern kann, haben wir in den letzten neun Jahren in der Ukraine erlebt, und damit kommen wir langsam zum zentralen Punkt dieser Kritik.

Dugins Forderung nach weniger Zensur und Repression gegen Linke und Rechte

Lassen Sie uns zunächst festhalten: Dugin fordert nicht die Einführung von Zensur und Repression, im Gegenteil, er stellt fest, dass sie bereits existieren. Nur richten sie sich aus seiner Sicht gegen die Falschen, nämlich gegen Linke und Rechte wie im Westen. Und das möchte der Philosoph geändert sehen, was für die von ihm gemeinten Linken und Rechten mehr Freiheit bedeuten würde, nicht weniger.

Stattdessen soll der russische Staat die nicht näher definierten „Liberalen“ ins Visier nehmen. Die treffendere Überschrift des Artikels wäre daher: „Russland braucht weniger Zensur und Repression gegen Linke und Rechte, dafür endlich mal welche gegen die Liberalen“.

Diese Forderung ist jedoch reine Fantasie. Dugin spricht von einem abstrakten Staat, der über der Gesellschaft und der Wirtschaft schwebt und unabhängig von ihnen Entscheidungen trifft. Ein Modell, das nur in der Fantasie eines Idealisten existiert und in der Realität nicht umgesetzt werden kann. Natürlich ist die Realität komplexer als die marxistische Formel „Der Staat ist ein Instrument der herrschenden Klasse“ es beschreibt. Sie ist komplexer, sonst wäre politischer Kampf und auch Revolutionen nicht möglich. Doch die marxistisch-materialistische Analyse bietet eine realistischere Perspektive auf die Frage nach Zensur und Repression in Russland

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Alexander Dugin oder wenn ein Idealist Repression verordnet

2 Aug. 2023 18:04 Uhr Von Alexej DanckwardtAuf den programmatischen Artikel von Alexander Dugin mit dem genauso aufsehenerregenden wie den Kern des Artikels verfehlenden Titel „Russland braucht Zensur und Repression“ hat bereits Gert Ewen Unger geantwortet. Es empfiehlt sich also Dugins Ausgangsartikel genauso zu lesen, wie die schon veröffentlichte Kritik daran. Warum dann also noch Artikel zu einem Thema, das Deutschland nicht unmittelbar betrifft? Auch wenn der Verriss der Perversion, zu der Liberalismus inzwischen verkommen ist, einer gefühlten Mehrheit zwischen Oder und Rhein und zwischen Nordsee und den südlichen Alpenausläufern gefallen wird.Nun, leider verrennt sich Gert Ewen Unger in einer Debatte darüber, was Liberalismus ist und in einer Verteidigung der Freiheiten, die er durch die Vorschläge des russischen Philosophen angegriffen

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