Die Deserteure und Fahnenverweigerer | Von Hannes Hofbauer

Die Aufregung über die Ankündigung vom 1. September 2023 im ukrainischen Parlament, alle wehrfähigen Männer im Ausland zurückzubringen, wurde in deutschen Medien kaum wahrgenommen. Dabei stammte die Ansage von einem einflussreichen Politiker, dem Fraktionschef der Regierungspartei „Diener des Volkes“ und engen Vertrauten des Präsidenten. Dawid Arachamija forderte von Europa die Auslieferung aller ukrainischen Männer im Alter von 18 bis 60 Jahren, da sie angeblich desertiert und illegal ausgereist seien. Der Grund für die Rückholaktion liegt zum einen in den leeren Schützengräben, die dringend aufgefüllt werden müssen, und zum anderen darin, dass viele Wehrpflichtige gefälschte Musterungsbescheide erlangt haben. Die Korruption in der ukrainischen Gesellschaft und den staatlichen Institutionen hat dazu geführt, dass diese Strukturen nun aufbrechen.

Die ukrainischen Behörden waren bisher nicht besonders erfolgreich bei der Jagd nach den desertierten Wehrpflichtigen im Ausland. Von den geschätzten 650.000 registrierten ukrainischen waffenfähigen Männern in Europa wurden nur etwa 20.000 an den Grenzen aufgegriffen, wobei 6.000 von ihnen gefälschte Papiere hatten. Dies bedeutet, dass die bisherige Erfolgsquote sehr gering ist. Dies wird zu härteren Zeiten für die Männer und die Länder führen, in denen sie sich aufhalten.

Die Abschiebung von Flüchtlingen gestaltet sich schwierig, da in Ländern wie Deutschland oder Polen, wo sich die meisten ukrainischen Männer aufhalten, die Rechtslage klar ist. Man kann nicht für ein Delikt in ein Drittland abgeschoben werden, das im eigenen Land nicht strafbar ist. Die Realität ist jedoch komplizierter als das rechtliche Regelwerk. Die EU-Regierungen, einschließlich Deutschland und Polen, unterstützen die Ukraine in dieser Angelegenheit. Die Tore für Kriegsflüchtlinge wurden geöffnet, um Frauen und Kindern aus den Kriegsgebieten eine sichere Unterkunft zu bieten, damit die Männer ungestört kämpfen können. Mit der Ankündigung aus Kiew, ins Ausland geflohene Männer als Deserteure zu behandeln, ändert sich die Wahrnehmung des Status „Flüchtling“ auch im Westen. Es ist möglich, dass Männer, die das Land aufgrund von Bestechungsgeldern verlassen haben, als Deserteur betrachtet und abgeschoben werden.

Die technische Umsetzung der Rückführung der ukrainischen Männer wird vom Abgeordneten Fedir Venislavsky erklärt. Es ist rechtlich möglich, den normalen Auslieferungsmechanismus zu nutzen, um Männer zurückzubringen, die mit gefälschten Zertifikaten des militärischen Nachrichtendienstes ins Ausland gegangen sind. Die Einreiseerlaubnis in die Europäische Union aufgrund gefälschter Dokumente ist ein legitimer Grund für einen Auslieferungsantrag. Es bleibt abzuwarten, ob dies auch im Westen so gesehen wird und ob der Begriff „Deserteur“ statt „Flüchtling“ in den Medien präsent sein wird. Es gibt bereits Anzeichen dafür, dass sich das Wording ändert

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Die Front- und Fahnenflüchtlinge | Von Hannes Hofbauer

Die Aufregung über die Ansage vom 1. September 2023 aus dem ukrainischen Parlament, demnächst alle im Ausland aufhältigen wehrfähigen Männer heim ins Land zu holen, war in deutschen Medien kaum zu spüren. Und das, obwohl sie von einem der einflussreichsten Politiker in der Werchowna Rada kam, dem Fraktionschef der Regierungspartei „Diener des Volkes“ und engstem Vertrauten des Präsidenten. Dawid Arachamija forderte von Europa nicht weniger als die Auslieferung aller ukrainischen Männer im Alter zwischen 18 und 60 Jahren. Die Begründung: Sie seien allesamt fahnenflüchtig und illegal ausgereist. Der Grund für die Heimholaktion ukrainischer Männer besteht einerseits in den sich leerenden Schützengräben, die dringend einer Auffüllung bedürfen, und andererseits in der Erkenntnis, dass wohl hunderttausende Wehrpflichtige für viel Geld falsche Musterungsbescheide

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