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Sprachmikroskop: Wie die Romandie ihre Mundarten verschluckte

Published On: 21. Oktober 2023 10:00

Daniel Goldstein / 21.10.2023

Wer mehr über Patois erfahren möchte, hat jetzt die Möglichkeit, ein fast 1000-seitiges Buch zu lesen oder ein Gespräch mit dem Autor anzuhören. In der Romandie hat ausgerechnet Fremdenfeindlichkeit zum Niedergang des Patois, der einheimischen Mundarten, geführt. Der emeritierte Dialektologie-Professor Andres Kristol erklärt, dass die Hugenotten, die aus Frankreich vertriebenen Protestanten und ihre Nachkommen, zunächst den örtlichen Savoyer Dialekt in Genf übernommen hatten. Sie machten schließlich fast die Hälfte der Bevölkerung aus. Doch den meisten wurde auch im 18. Jahrhundert die Einbürgerung verwehrt. Sie fühlten sich verachtet wie in Frankreich die Bauern, deren Sprache abschätzig als Patois bezeichnet wurde, abgeleitet von den pattes, den Pfoten, mit denen sie im Dreck wühlen mussten. Daher begannen diese bürgerlichen Genfer Nicht-Bürger, sich von den Alteingesessenen abzugrenzen, indem sie auch im Alltag formelles Französisch verwendeten. Dies wurde auch durch den Einfluss der Aufklärung und der französischen Revolution begünstigt. Im 19. Jahrhundert gab es dann weitere Gründe dafür, dass sich Französisch als allgemeine Umgangssprache in der Romandie verbreitete: Die Niederlassungsfreiheit in der ganzen Schweiz und die Industrialisierung führten zu Zuwanderung, sowohl zwischen den welschen Kantonen, deren Patois sich stark unterschied, als auch aus der Deutschschweiz. Der Schulunterricht auf Französisch diente vor allem der Assimilation.

Dialekte unter Verschluss

Auch aus Frankreich kam die Ideologie einer Einheitssprache hinzu, und Eltern wurde eingeredet, dass es dem schulischen Erfolg schade, zu Hause Patois zu sprechen. Ein Gewährsmann aus dem Wallis berichtete, dass sogar der Pfarrer die Mundart verboten habe. Auf dem Land hielt sich das Patois dennoch am längsten, aber heute ist es nur noch vereinzelt die Umgangssprache der älteren Generation. Eine Hochburg ist Evolène im Val d’Hérens. Als Andres Kristol 1993 seine Professur in Neuenburg antrat, forderte er die Oberassistentin, die aus Evolène stammte, auf, ihm und anderen in einem Kurs ihre Mundart beizubringen, doch sie lehnte ab und meinte, dass dies nur etwas für Einheimische sei. Der Professor sieht diese Weigerung, die Sprache mit anderen zu teilen, als einen Grund für das absehbare Aussterben des Patois. Ein weiterer Grund sei, dass die Eltern den Dialekt nicht mehr an ihre Kinder weitergeben. Obwohl sich heute einige Jüngere im Wallis bemühen, die alte Mundart zu lernen, kommt dabei etwas Künstliches heraus, das von den Älteren abgelehnt wird. Kristol selbst hat kein Patois gelernt, aber er hat alle 25 lokalen Formen studiert, die er noch finden konnte. In diesem Jahr wurde seine monumentale Histoire linguistique de la Suisse romande (3 Bände, 984 Seiten) veröffentlicht. Wer es kürzer mag, kann ein lebhaftes, knapp halbstündiges SRF-Gespräch mit dem Autor anhören, auf das sich dieser Artikel stützt. Die Datenbank Alaval, die unter Kristols Mitwirkung entstanden ist, bietet ausführliche Informationen zum Walliser Patois, einschließlich Karten und Tonaufnahmen.

Helvetische Sprachpfade

Warum sind die Mundarten in der Deutschschweiz jedoch so viel lebendiger geblieben? Der Professor erklärte mir bei einer anderen Gelegenheit: „Der Adolf hat das Schwyzerdütsch gerettet“. Ja, der Patois-Professor ist Deutschschweizer, genauso wie sein Vorgänger und sein Vorgängervorgänger in Neuenburg. Ein Grund dafür mag sein, dass östlich der Saane die Mundarten mehr geschätzt werden. Kristol erklärte im Radio, dass Schweizerdeutsch vor etwa hundert Jahren durchaus „auf der Kippe“ gestanden habe, da „Besserverdiener“ begonnen hätten, auch im Alltag Hochdeutsch zu sprechen. Aber in den 30er Jahren habe die Mundart wieder Aufwind bekommen, im Zuge der „geistigen Landesverteidigung“ gegen Hitler und seine Großdeutschlandansprüche. Die Romandie habe keine vergleichbare Abgrenzung gegenüber Frankreich gebraucht, daher gelte die Einstellung, dass „Dialekte eben sterben“. Obwohl es auch im Französischen der Westschweiz Eigenheiten gibt, stammen diese laut Kristol selten aus den Dialekten, sondern eher aus politischen oder technischen Gegebenheiten. In Frankreich könne man bei Wahlen beispielsweise nicht panacher oder cumuler, und man kenne dort weder le natel noch la sous-voie für Fußgänger am Bahnhof. Nebenbei bemerkt haben viele Helvetismen im Hochdeutschen nichts mit Dialekt zu tun, sondern einfach mit dem hiesigen Gebrauch der Standardsprache (wie Lehrperson, umzonen, Zwischenrang). Oder sie stammen aus anderen Landessprachen, wie eben kumulieren und panaschieren oder auch Camionneur und Coiffeur – merci les Romands!

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors: Keine

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Sprachlupe: Wie die Romandie ihre Mundarten herunterschluckte

Daniel Goldstein / 21.10.2023  Wer mehr über Patois wissen will, kann jetzt ein fast 1000-seitiges Buch lesen. Oder einfach ein Gespräch mit dem Autor nachhören. Ausgerechnet Fremdenfeindlichkeit hat in der Romandie den Niedergang des Patois, der einheimischen Mundarten, eingeleitet. Der emeritierte Dialektologie-Professor Andres Kristol erklärt es so: In Genf hatten die Hugenotten, die aus Frankreich vertriebenen Protestanten und ihre Nachfahren, zunächst den örtlichen Savoyer Dialekt angenommen; sie machten schliesslich fast die Hälfte der Bevölkerung aus. Doch den meisten wurde auch noch im 18. Jahrhundert die Einbürgerung verwehrt. Sie fühlten sich verachtet wie in Frankreich die Bauern, deren Sprache eben abschätzig patois genannt wurde, abgeleitet von den pattes, den Pfoten, mit denen sie im Dreck wühlen mussten. Also begannen, immer laut Kristol

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