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Die Geschichte des Talkshowphilosophen – wer wird über Cancel Culture sprechen

Published On: 3. November 2023 10:08

In Deutschland gibt es Meinungsfreiheit! Jeder hat das Recht, seine Meinung zu äußern! Cancel Culture existiert nicht, das ist ein Begriff, den die Rechten verwenden!“ Diese Aussagen sind besonders in der Berliner Blase sehr beliebt. Wie falsch sie sind, zeigt das Schicksal des Bestsellerautors und Talkshow-Philosophen Richard David Precht. Er hatte sich zuvor mit einem Buch, das Medienkritik übte, angreifbar gemacht und nun hat ihn ein beiläufiger – inhaltlich falscher – Satz über das orthodoxe Judentum ins Visier der Cancel Culture gebracht. Er musste bereits seine Honorarprofessur niederlegen, Lesungen mit ihm werden abgesagt und es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis er auch von den Bildschirmen verschwindet. Aber ja, er durfte immerhin seine Meinung sagen.

Die Zeiten, in denen der sehr präsente Philosoph Richard David Precht Everybody’s Darling war, sind lange vorbei. Am Ende der Coronakrise machte Precht erstmals durch harte Kritik an der Maßnahmenlogik der Bundesregierung auf sich aufmerksam. Es folgte ein sehr lesenswertes Buch, in dem er zusammen mit dem ebenfalls sehr aktiven Soziologen Harald Welzer den Journalismus massiv kritisierte. Das war den Kritisierten zu viel und fortan fand sich Precht im Fadenkreuz der Schreibtisch-Sniper wieder. Kritische Äußerungen zu Annalena Baerbock und zu den Waffenlieferungen in die Ukraine befördern ihn endgültig auf die Abschussliste.

Da kam den Leitartiklern natürlich eine falsche Aussage Prechts zum Thema „Judentum“ sehr gelegen. In seinem Podcast mit Markus Lanz ging es um das Thema Israel und dabei rutschte Precht bei einem Dialog mit Lanz über die ultraorthodoxen Juden die verkürzte Aussage heraus, dass diesen „durch ihre Religion verboten sei zu arbeiten – außer im Finanzwesen oder im Diamantenhandel“. Das ist natürlich falsch. Die strenge Auslegung des ultraorthodoxen Judentums erlaubt Arbeit zur Existenzsicherung, aber nicht zur Erlangung weltlicher Güter. Und die Spezialisierung vieler Juden auf das Finanzwesen oder den Diamantenhandel hat vor allem historische Gründe, die wiederum meist eine Folge des Antisemitismus in christlichen Gesellschaften sind, in denen Juden beispielsweise verboten wurde, Mitglied von Zünften zu werden. Das weiß auch Precht und er hat seine Aussage später korrigiert und sich dafür entschuldigt. Ist diese in ihrer Zuspitzung zweifelsohne falsche Aussage nun aber antisemitisch, wie es die Lautsprecher des Blätterwaldes hinausposaunen? Das ist losgelöst vom Kontext so nicht zu beantworten. In der Passage des Podcasts, in der diese Aussage fiel, ging es um die Spaltung der israelischen Gesellschaft in moderne, liberale Juden und eben jene religiösen Extremisten, die sich unter den Ultraorthodoxen finden. Es ging also nicht darum, das Judentum zu diskreditieren, sondern darum, die Spannungen innerhalb der israelischen Gesellschaft auch anhand religiöser Differenzen aufzuzeigen. Gerade in diesem Kontext ist es natürlich besonders ärgerlich, wenn einem Falschaussagen, die auch im Antisemitismus vorkommen, herausrutschen. Antisemitisch sind diese Äußerungen aber nicht. Und Hand aufs Herz – wem bei einer lebhaften Diskussion noch nie eine ärgerliche Falschaussage herausgerutscht ist, der werfe den ersten Stein. Doch bei diesem Thema gibt es vor dem Twitter-Tribunal keine Gnade; erst recht nicht, wenn man ohnehin schon auf der Abschussliste der Hüter der Meinungshoheit steht.

Der Shitstorm kam und wurde von den Meinungsmachern in den Medien dankbar aufgenommen. Rache ist ein Gericht, das man am besten kalt serviert. Im Zusammenspiel mit der Politik fordert man nun das ZDF auf, das Podcastformat von Lanz und Precht einzustellen, seine Honorarprofessur an der Lüneburger Leuphana Universität musste Precht bereits nach „Protesten“ des dortigen Studierenden-Parlaments niederlegen. Erst gestern vermeldete der NDR, dass das Hamburger Veranstaltungszentrum „Kulturfabrik Kampnagel“ eine für den 14. November geplante Lesung von Richard David Precht abgesagt hat. Als Begründung wird genannt, dass „zur selben Zeit nebenan der israelische Musiker Asaf Avidan auftrete. Die Kombination beider Veranstaltungen an einem Ort würde den Künstlern nicht gerecht“. Das muss man sich mal vorstellen. Wenn man diese Begründung liest, könnte man ja glatt denken, Precht sei ein Hardcore-Antisemit. Es ist der schiere Wahnsinn. Hätte Precht im Podcast einen ähnlich falschen Satz über fundamentalistische Muslime gesagt, wäre dies wahrscheinlich nicht einmal aufgefallen, geschweige denn thematisiert worden. Aber nein, es gibt ja angeblich keine Cancel Culture. Doch was, wenn nicht Cancel Culture, soll es sein, wenn ein Veranstalter eine Lesung mit einer derart absurden Begründung absagt

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Der Fall des Talkshowphilosophen – wer wird denn da von Cancel Culture sprechen?

„In Deutschland herrscht Meinungsfreiheit! Jeder darf sagen, was er will! Cancel Culture gibt es nicht, dies ist ein Kampfbegriff der Rechten!“ Diese Sprüche sind vor allem in der Berliner Blase sehr populär. Wie falsch sie sind, zeigt das Schicksal des Bestsellerautors und Talkshowphilosophen Richard David Precht. Der hatte sich zuvor mit einem medienkritischen Buch angreifbar gemacht und nun hat ihn ein lapidar dahingesagter – inhaltlich falscher – Satz über das orthodoxe Judentum ins Zentrum der Cancel Culture befördert. Seine Honorarprofessur musste er schon niederlegen, Lesungen mit ihm werden abgesagt und es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis er auch von den Bildschirmen verschwindet. Aber ja. Er durfte immerhin seine Meinung sagen. Von Jens Berger. Dieser Beitrag ist auch

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