In der roten Parallelwelt

Die Sozialdemokraten versammeln sich zu einem Kongress, bei dem die real existierenden Bürger und ihre real existierenden Probleme keine Rolle spielen. Stattdessen konzentriert sich der Kongress auf faszinierende Fantasien. Der Parteitag der SPD in Berlin ist wie ein Besuch auf einem fernen Planeten. Helmut Schmidt sagte einst: „Politik ist Nahkampf“, und man konnte sehen, wie sehr er den harten politischen Streit genoss. Doch die Zeiten haben sich geändert. Heutzutage scheinen die Sozialdemokraten empfindlicher zu sein. Wenn sie auf Widerstand stoßen, fangen sie an zu weinen oder zu quengeln. Das richtige Leben bietet Widerstände, aber die SPD scheint sich nur ungern damit auseinanderzusetzen. Auf ihrem eigenen Parteitag flüchtet sie sich in ein Paralleluniversum.

In diesem Universum können amtierende Bundesminister behaupten, dass Juden gegen Muslime sind und die Gesellschaft spalten, und die SPD unterstützt diese Aussagen sogar im Internet. Es ist ein Universum, in dem die SPD-geführte Regierung von nur 1% der Wähler „sehr zufrieden“ ist und von nur 16% der Wähler zumindest „zufrieden“ ist – der schlechteste Wert, der je gemessen wurde. In diesem Universum kann der Parteivorsitzende vor „Angriffen auf den Sozialstaat“ warnen, obwohl der Staat jedes Jahr mehr als eine Billion Euro an Steuern einnimmt und den größten Teil davon in soziale Wohltaten investiert. Es ist ein Universum, in dem die SPD weiterhin fordert, dass der arbeitende Teil der Bevölkerung immer mehr Steuern zahlt, damit der nicht arbeitende Teil immer mehr Geld erhält.

In diesem Universum gibt es keine Menschen, die faul sind und nicht arbeiten wollen. Empfänger von Bürgergeld sollen keinerlei Verpflichtung haben, eine Arbeit aufzunehmen, und durch das Bürgergeld sollen Rentenansprüche entstehen. Es ist ein Universum des Überflusses, in dem Betriebe so gut laufen, dass der Urlaubsanspruch um 50% erhöht wird und alle nur noch 32 Stunden pro Woche arbeiten sollen, bei vollem Lohnausgleich. In diesem Universum haben klassische sozialdemokratische Werte keinen Platz mehr, und ehemalige Parteigrößen werden ausgegrenzt. Das Paralleluniversum des SPD-Parteitags in Berlin ist räumlich direkt neben dem Universum, in dem 82 Millionen Menschen leben, aber gedanklich doch weiter entfernt. Es ist eine Welt, in der die SPD nur um sich selbst kreist und die Wirklichkeit stört. Willkommen in der ganz eigenen Welt der neuen deutschen Sozialdemokratie

Original Artikel Teaser

Im roten Paralleluniversum

Die Sozialdemokraten treffen sich, aber die Wirklichkeit ist nicht eingeladen. Real existierende Bürger und deren real existierende Probleme kommen nicht vor. Dafür macht der Kongress die Sicht frei auf faszinierende Fantasien. Bericht von einem fernen Planeten: dem SPD-Bundesparteitag in Berlin. IMAGO/photothek „Politik ist Nahkampf“, hat Helmut Schmidt einmal gesagt, und dabei konnte man dem großen Sozialdemokraten am Gesicht ablesen, wie sehr er den harten politischen Streit mochte. Der gehört, fand der verstorbene Altkanzler, zu einer richtigen Demokratie einfach dazu. Tempora mutantur, die Zeiten ändern sich. Was die Roten von heute vom Meinungskampf mit offenem Visier halten, zeigt eine kleine Begebenheit vom Parteitag an diesem Wochenende in Berlin. Da erklärt der Sitzungsleiter den 600 Delegierten mit versteinerter Miene: „Das Präsidium erwartet

Details zu Im roten Paralleluniversum