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Benötigen wir eine Atomstreitmacht auf europäischer Ebene
Es ist an der Zeit, eine Lebenslüge aufzudecken: Kein US-Präsident wird jemals bereit sein, einen Nuklearkrieg mit Russland zu riskieren, um Europa zu retten. Viele argumentieren, dass Europa aufrüsten sollte. Das ist falsch! Die USA und Russland müssen endlich abrüsten. Von Oskar Lafontaine.
Seitdem die USA und die UdSSR über Atomwaffen verfügen, wird in den westeuropäischen Ländern darüber diskutiert, ob auch sie Atomwaffen benötigen, um nicht erpressbar zu sein. Großbritannien zündete seine erste Atombombe 1952 und baute mit technischer Unterstützung der USA eine Atomstreitmacht auf. Frankreich zündete 1960 seine erste nukleare Bombe und entwickelte eigene Atomstreitkräfte auf französischer Technologiebasis. Die anderen westeuropäischen Länder verließen sich auf den atomaren Schutzschirm der USA. Es gab immer wieder Diskussionen darüber, ob dieser Schutzschirm wirklich zuverlässig ist. Die Debatte gewann an Fahrt, als der damalige US-Präsident Trump die NATO als überflüssig bezeichnete und auch der französische Präsident Macron sagte, die NATO sei hirntot. Nachdem der russische Präsident Wladimir Putin 2022 mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht hatte, wurde die Frage erneut aufgeworfen. Würde ein US-Präsident das Risiko eingehen, New York, Washington oder San Francisco zu vernichten, indem er auf einen atomaren Gegenschlag verzichtet, wenn Russland Berlin oder Warschau atomar zerstören würde? Um eine zeitgemäße Antwort zu finden, müssen die Europäer ihre Lebenslügen aufgeben und erkennen, dass kein US-Präsident bereit wäre, die Zerstörung seines Landes zu riskieren, um Europa zu retten. Die amerikanischen Truppen sind nicht in Europa, um uns zu schützen, sondern um die imperialen Interessen der USA durchzusetzen. Die USA umgeben Russland und China mit militärischen Einrichtungen und Raketenbasen, um die einzige Weltmacht zu bleiben. Ein Blick auf die Weltkarte und die Verteilung der US-Militäreinrichtungen genügt, um dies zu erkennen. Dennoch tun die westlichen Politiker und ihre publizistischen Begleiter immer noch so, als stünden russische Truppen in Kanada oder chinesische Truppen in Mexiko.
Bereits der erste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, Konrad Adenauer, und der französische Präsident Charles de Gaulle erkannten, dass man sich nicht unbedingt auf den atomaren Schutzschirm der USA verlassen kann. Adenauer wollte eine eigene Atomwaffe und fand es „unerträglich“, dass nur die Supermächte, die USA und die Sowjetunion, über Atomwaffen verfügten und damit das Schicksal aller Völker in den Händen hätten. US-Präsident Dwight Eisenhower zeigte Verständnis für diese Absicht und erwog sogar, entsprechende Informationen an Bonn weiterzugeben, damit die Deutschen ihre eigenen nuklearen Fähigkeiten entwickeln könnten. Sein Nachfolger John F. Kennedy war jedoch dagegen. Er wollte die Anzahl der Atommächte klein halten, um einen Nuklearkrieg zu vermeiden. Auch Moskau und die europäischen Staaten waren nicht daran interessiert, dass Deutschland über Atomwaffen verfügt. Eine glaubwürdige Abschreckung wurde damals energisch von Adenauer und seinem Verteidigungsminister Franz Josef Strauß unterstützt, der eine enge Zusammenarbeit mit Frankreich befürwortete und Deutschland unter den Schutz des französischen Nuklearschirms stellen wollte.
Heute geht es um das Überleben der Menschheit. Die Kündigung von Abrüstungsverträgen und die Installation von Raketen mit immer kürzeren Flugzeiten machen die Lage zunehmend instabiler. Selbst technisches Versagen kann mittlerweile einen Atomkrieg auslösen. Statt weiterer Aufrüstung sind Diplomatie, Entspannung und Abrüstung gefragt. Die Politik des Disengagements, des
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Brauchen wir eine europäische Atomstreitmacht?
Es ist Zeit, mit einer Lebenslüge aufzuräumen: Kein US-Präsident wird je bereit sein, einen Nuklearkrieg mit Russland zu riskieren, um Europa zu retten. Viele folgern daraus, Europa sollte aufrüsten. Falsch! Die USA und Russland müssen endlich abrüsten. Von Oskar Lafontaine. Seit die USA und die UdSSR über Atomwaffen verfügen, diskutieren die westeuropäischen Staaten darüber, ob sie ebenfalls Atomwaffen brauchen, um nicht nuklear erpressbar zu sein. Großbritannien zündete seine erste Atombombe 1952 und baute, technologisch unterstützt von den Vereinigten Staaten, eine Atomstreitmacht auf. Frankreich zündete 1960 seinen ersten nuklearen Sprengsatz und entwickelte auf Betreiben Charles de Gaulles eigenständige Atomstreitkräfte, die auf französischer Technologie basierten. Die übrigen westeuropäischen Länder verließen sich auf den atomaren Schutzschirm der USA. Immer wieder gab es Diskussionen
