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Verletzung der Mindestlohnvorschriften durch rechtswidrigen Angriff

Published On: 2. Februar 2024 10:39

Walter Langenegger / 2.02.2024

Die rechtsbürgerliche Mehrheit im Parlament plant, die kantonalen Mindestlöhne zu umgehen. Dies verstößt eindeutig gegen die Verfassung. Der Vorgang ist besorgniserregend: Die Landesregierung legt einen Gesetzesentwurf zur Konsultation vor, von dem sie selbst schreibt, dass er gegen mehrere Prinzipien der Bundesverfassung verstößt und nicht angenommen werden darf. Konkret sieht der Entwurf vor, dass die Bestimmungen über Mindestlöhne und Lohnvorschriften in allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsverträgen (GAV) künftig dem kantonalen Recht vorgehen. Dies wurde Ende 2022 von einer knappen bürgerlichen Mehrheit in beiden Räten aufgrund einer Motion des Mitte-Ständerates Erich Ettlin gefordert. Der Obwaldner Wirtschaftslobbyist vergoss dabei im Parlament Krokodilstränen. Er sei besorgt um die Sozialpartnerschaft. Diese müsse vor „umstrittenen Eingriffen“ geschützt werden. Damit meint er die geltenden Mindestlöhne in den Kantonen Neuenburg, Jura, Genf, Tessin und Basel-Stadt sowie die verschiedenen laufenden Bestrebungen in Kantonen und Städten zur Einführung gesetzlicher Lohnvorschriften.

Ein Dorn im Auge der bürgerlichen Mehrheit sind gesetzliche Mindestlöhne. Denn sie schwächen die Position der Arbeitgeber bei den Verhandlungen über GAV gegenüber den Gewerkschaften. Wenn ein Mindestlohn gesetzlich festgelegt ist, darf er nicht unterschritten werden. Denn auch wenn ein GAV allgemeinverbindlich erklärt wird, ist er kein Gesetz, sondern bleibt ein Vertrag zwischen privaten Verbänden. Und damit unterliegt er dem kantonalen Gesetz. Dies nennt man Normenhierarchie. Genau diese Normenhierarchie greift Ettlin an. Er will die kantonalen Mindestlöhne umgehen, indem GAV-Mindestlöhne künftig die gesetzliche Mindesthöhe in jedem Fall unterschreiten dürfen. Dadurch wird das kantonale Gesetz zur Farce. Und das ändert natürlich das Kräfteverhältnis der Sozialpartner zugunsten der Arbeitgeber.

Der Bundesrat widerspricht jedoch Ettlins Forderung. Er wehrte sich bereits im Parlament gegen die Motion und machte deutlich: Kantonale Mindestlöhne sind demokratisch legitimiert und gemäß Bundesgericht explizit verfassungskonform. Dies nicht zu respektieren bedeutet, die kantonale Souveränität und das Legalitätsprinzip zu missachten. Allerdings hatte die Landesregierung trotz ihrer klaren Worte nicht den Mut, die Annahme der Motion zu verweigern. Anstatt sich eindeutig auf die Seite der Rechtsordnung zu stellen, warnt sie nur und liefert, was von ihr gefordert wurde. Das Ergebnis: Es findet nun de facto eine Konsultation über einen offensichtlichen Rechtsbruch statt. Wenn es nicht gelingt, das Vorhaben im Parlament, durch ein Referendum oder gerichtlich zu stoppen, wäre dies ein sozialpolitischer Sündenfall und ein Alarmzeichen für den Rechtsstaat.

Was dies sozialpolitisch bedeutet, lässt sich am Beispiel Genf verdeutlichen. Der Kanton hat vor über drei Jahren einen Mindestlohn von über 23 Franken eingeführt und damit gute Erfahrungen gemacht. In sieben Niedriglohnbranchen – darunter das Friseurgewerbe, das Gastgewerbe oder die Tankstellenshops – hat sich die Einkommenssituation deutlich verbessert, ohne dass die Arbeitslosigkeit zugenommen hat (siehe Grafik). Obwohl Genf im Gegensatz zur Waadt seit drei Jahren einen gesetzlichen Mindestlohn hat, hat sich die Arbeitslosigkeit in beiden Kantonen gleich entwickelt. Es ist also klar: Mindestlöhne führen nicht zu mehr Arbeitslosen, sondern ermöglichen vielen Menschen ein etwas besseres Einkommen. Wenn die bürgerliche Mehrheit obsiegt, werden diese Erfolge zunichte gemacht. Nicht nur könnten die Arbeitgeber in den betroffenen Kantonen die Gewerkschaften wieder stärker unter Druck setzen und Lohndumping betreiben. Die bürgerliche Mehrheit untergräbt auch die Umsetzung gesetzlicher Mindestlöhne in anderen Kantonen und Städten und verhindert von vornherein eine bessere Bezahlung von Arbeitnehmern in gewerkschaftlich schlecht organisierten Niedriglohnsektoren.

Ein Rechtsbruch wäre ein Alarmzeichen für den Rechtsstaat, da er einen Trend bestätigen würde, der mittlerweile an vielen Orten zu beobachten ist: Wo rechte Parteien im Vormarsch sind, erodiert der Rechtsstaat. In Polen und Ungarn hat die PIS und Orbans Partei die Justiz zur Erfüllungsgehilfin degradiert, in den USA hat Trump den Obersten Gerichtshof politisiert und in Großbritannien versuchen die Tories derzeit, das Verfassungsgericht zu umgehen. Ähnliches geschieht seit dem Vormarsch der rechtsbürgerlichen und rechten Kräfte auch in der Schweiz. Der Respekt vor Verfassung und Gesetz schwindet, im Großen wie im Kleinen. Ein drastischer Fall: Bundesrat Rudolf Merz hat Angaben zu den Steuerausfällen im Zusammenhang mit der knapp angenommenen Unternehmenssteuerreform II von 2008 verfälscht. Das Bundesgericht bestätigte den Verstoß, aber die Konsequenzen blieben aus. Oder kürzlich im Kanton Bern: Die bürgerliche Mehrheit im Großen Rat hat sich um die Gemeindeautonomie der rot-grünen Städte Bern und Biel nicht gekümmert und sie zur Videoüberwachung gezwungen. Die öffentliche Reaktion? Ein Achselzucken. In die gleiche Richtung geht auch die geplante Aushöhlung der kantonalen Mindestlöhne. Die meisten bürgerlichen Parlamentarier haben während der Beratungen alle rechtsstaatlichen Bedenken beiseite geschoben, was auf eine Herr-im-Haus-Mentalität hindeutet und offenbar davon überzeugt sind, dass ihre politische Mehrheit sie berechtigt, das Recht nach ihrem Gusto zu beugen und zu brechen. Wenn sich diese Geisteshaltung durchsetzt, drohen düstere Aussichten sowohl in sozialpolitischer als auch in rechtsstaatlicher Hinsicht.

Themenbezogene Interessenbindung des Autors: Keine. Walter Langenegger war Inlandchef des „St.G

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Rechtswidriger Angriff auf Mindestlöhne

Walter Langenegger / 2.02.2024  Die rechtsbürgerliche Mehrheit im Parlament will kantonale Mindestlöhne aushebeln. Das ist klar verfassungswidrig. Der Vorgang ist besorgniserregend: Die Landesregierung gibt eine Gesetzesvorlage in die Vernehmlassung, von der sie selbst schreibt, dass sie gegen mehrere Prinzipien der Bundesverfassung verstösst und nicht angenommen werden darf. Konkret sieht der Entwurf vor, dass die Bestimmungen über Mindestlöhne und Lohnvorschriften in allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen (GAV) künftig dem kantonalen Recht vorgehen. Gefordert hatte dies Ende 2022 eine knappe bürgerliche Mehrheit in beiden Räten aufgrund einer Motion des Mitte-Ständerates Erich Ettlin. Der Obwaldner Wirtschaftslobbyist vergoss dabei im Parlament Krokodilstränen. Er sei in Sorge um die Sozialpartnerschaft. Diese müsse vor «umstrittenen Eingriffen» geschützt werden. Was er damit meint, sind die geltenden Mindestlöhne in den

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