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Cora Stephan: Die Stimme der Provinz – Lasst mich in Ruhe!

Published On: 19. August 2021 13:00

Afghanistan. Es ist das alte Lied. Sich Großes vornehmen – aber im Kleinen scheitern. Das sind die Momente, wo ich mich in der Provinz zurücklehnen möchte und sage: Lasst mich doch einfach mit eurem Scheiß in Ruhe.

Afghanistan. Ein Trauerspiel. Auch jetzt wieder. Ein jämmerliches Ende eines Einsatzes, den hierzulande kaum einer wollte. Die entsandte „Parlamentsarmee“ hatte weder das Parlament noch das ganze Land jemals stärkend und unterstützend im Rücken, im Gegenteil: Man schämte sich der Rückkehrer, denen man noch nicht einmal einen angemessenen Empfang bereiten wollte. Denn nein: Sie haben nicht nur Brunnen gebohrt und Mädchen zur Schule begleitet. Sie haben ihr Leben aufs Spiel gesetzt – für was? Für die Freiheit, für die Demokratie, für all die großherzigen Ziele, die man in diesem Land für geboten hält, weil man sich mit der weit weniger hehren Realität militärischer Interventionen nicht beschäftigen will?

Afghanistan, ein Trauerspiel – doch das schon seit Jahrhunderten. Noch jede Weltmacht ist an diesem Land gescheitert. Und jetzt? Der widerstandslose Rückzug der vom Westen milliardenschwer aufgerüsteten afghanischen Streitkräfte vor der Sandalenarmee der Taliban spricht dafür, dass weit ältere Strukturen überdauert haben, die bislang funktionierten: Man arrangierte sich miteinander. Der von den Interventionsmächten unterstützte afghanische Staat blieb offenbar auf die Städte beschränkt – wo man doch tatsächlich, sicher mit allerbesten Absichten, 2015 einen Gender-Studiengang für rund 100 Absolventen einrichtete. Ob das wirklich der erste und wichtigste Schritt im Hinblick auf eine Veränderung der Frauenrolle in einer muslimischen Gesellschaft ist? Wäre nicht eine handfest-praktische und wirtschaftlich relevante Ausbildung für eine Aufwertung von Frauen hilfreicher? Gewesen. Denn ja: Frauen auf dem Weg zur Emanzipation werden am meisten unter der Rückkehr der Taliban leiden. Sie sollen an der Regierung beteiligt werden? Warten wir’s ab. 

Auf dem Land aber ist es den Paschtunen oder den Tadschiken oder Hazara beiderlei Geschlechts womöglich egal, wer gerade wie regiert. Es ist westliche Hybris, erschütternd verkörpert von der Bundeskanzlerin, zu glauben, man könne, ja solle „politische Ordnungen in anderen Ländern implementieren“, egal, was die dort Lebenden sich wünschen. Zur Freiheit gehört auch, sich für etwas zu entscheiden, was Menschen in anderen Kulturen für ein Unglück halten.

Sich Großes vornehmen – aber im Kleinen scheitern

Nun ist das kein neues und auch in Europa nicht unbekanntes Phänomen, dass sich die Provinz nicht in ihren Alltag hereinreden lässt. In Vielvölkerstaaten wie etwa Österreich-Ungarn waren es die Menschen seit Jahrhunderten gewohnt, dass die Herrschaft wechselte. Auf dem Land war es vielen egal, wer gerade regierte: Das Leben ging weiter. Höchstens musste die dörfliche Ordnungskraft die Uniform wechseln.

Ein zurückhaltender Monarch, der jeden nach seiner Façon glücklich sein ließ, wie Friedrich II. deklarierte, also weder über Religion noch über andere Sitten, Gebräuche und Überzeugungen bestimmen wollte, bekam der buntscheckigen Gesellschaft am besten. Die meisten Probleme lassen sich auch heute noch örtlich besser regeln – und das gilt auch und gerade bei uns: Das jüngste Beispiel kann man in den Notstandsgebieten der Hochwasserkatastrophe beobachten. Wer half? Nachbarn. Landwirte. Die institutionalisierte Hilfe ließ oft skandalös lange auf sich warten. 

Es ist das alte Lied. Sich Großes vornehmen – aber im Kleinen scheitern. Noch einmal Angela Merkel: „Wir wollten ein Land aufbauen mit demokratischer Struktur, das ist nicht gelungen.“ Was für eine Hybris. So größenwahnsinnig, wie sich die „Rettung des Klimas“ und die Ausrottung eines Virus vorzunehmen.

Das sind die Momente, wo ich mich in der Provinz zurücklehnen möchte und sage: Lasst mich doch einfach mit eurem Scheiß in Ruhe.

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