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Frankreich: Leben mit und ohne Pass Sanitaire

Published On: 20. August 2021 6:25

Nach zwei weiteren Demonstrations-Samstagen und an Tag 10 der Einführung des „Pass Sanitaire“ folgt ein neuer Bericht mit persönlichen Eindrücken aus Frankreich.

Von Marie Dufond.

Am 7. August war ich den vierten Samstag in Folge zur Demonstration in Montpellier. Dort standen zum ersten Mal die CRS bereit, die Compagnies Républicaines de Sécurité, ein Verband, der mit der deutschen Bereitschaftspolizei vergleichbar ist. Wie an den vorangegangenen Samstagen begleiteten die Polizisten den Demonstrationszug nicht, sie standen wartend an drei Plätzen herum, mit größerem Aufgebot vor der Präfektur. Die CRS-Polizisten waren mit Schildern und Schlagstöcken ausgestattet. Sie trugen Masken, einige von ihnen allerdings etwas abseits des gewünschten Sitzes. Manche spielten an ihren Schilden herum, andere lehnten sie an die Autos. Der Demonstrationszug zog vorbei, von Vorfällen habe ich nichts gesehen und nichts vernommen.

Eine demonstrierende Frau trug ein Schild mit dem Portrait eines jungen Mannes, der Text lautete: „Maxime, 22 Jahre, tot nach der Impfung mit Pfizer.“ Die Frau, die das Schild trug, ist die Mutter von Maxime. Eine Gruppe von etwa 16 Feuerwehrleuten lief mit, sie hatten sich rot-weiße Absperrbänder umgelegt, auf denen „sapeurs-pompiers“ aufgedruckt ist, denn sie dürfen nicht in ihren Uniformen demonstrieren. Ein Feuerwehrmann erzählte mir, dass 80 Prozent der französischen Feuerwehr Ehrenamtler sind. Damit verpflichtet die französische Regierung also auch Bürger zur Impfung, die zusätzlich zu ihrer hauptberuflichen Tätigkeit in den unterschiedlichsten Berufen als ehrenamtlicher Feuerwehrmann zur Verfügung stehen und Einsätze fahren.

Nun sollte man sich im Umkehrschluss einmal klar machen, was passieren würde oder wird, wenn die Noch-Nicht-Geimpften trotz des Drucks der französischen Regierung Nicht-Geimpfte bleiben möchten. Angekündigt wurde ja, das gesamte medizinische Personal, das sich nicht impfen lassen möchte, in unbezahlten Urlaub zu schicken und nach zwei Monaten Uneinsichtigkeit einen Kündigungsprozess anzustrengen. Im Terminus „medizinisches Personal“ sind inbegriffen: Ärzte, Pfleger und Reinigungskräfte in Krankenhäusern und Altenheimen, mobiles häusliches Pflegepersonal, Pfleger in Behinderteneinrichtungen sowie auch pflegende Familienangehörige und ehrenamtliche Nachbarschaftshilfen.

Bleibt es bei den aktuell circa 30 oder 40 Prozent Ungeimpften in diesen Berufsgruppen und wirft man sie tatsächlich raus, stehen diese Fragen im Raum: Wie sollen die Krankenhäuser weiterarbeiten? Unter welchen personellen Bedingungen soll die Feuerwehr vollgelaufene Keller leerpumpen und Brände löschen?

Demonstrieren in einer Kleinstadt von 40.000 Einwohnern

Samstag, den 14. August demonstrierte ich in der Kleinstadt Alès. Mit einer Gruppe Krankenschwestern unterhielt ich mich dort, sie sind sehr verärgert, dass sie „pauschal geimpft“ werden sollen, ohne dass vorher getestet wird, ob sie nicht Genesene sind und die Impfung gar nicht bräuchten. Und dass sie Genesene seien, sei schließlich höchst naheliegend bei ihrer Arbeit.

Die Demonstranten bewiesen ein bewundernswertes Durchhaltevermögen beim Gehen, die Strecke war lang, wir hatten 36 Grad im Schatten. Alte Damen winkten von ihren Balkonen, applaudierten, eine schwang mit zittriger Hand ein weißes Nachthemd. Von den dünn besuchten Terrassenplätzen der Restaurants wurden den Demonstranten feindselige Blicke zugeworfen, aber ein Bistrobesitzer brüllte die vorbeiziehenden Demonstranten an: „Heute hier ohne Pass Sanitaire! Kommt was trinken bei mir, heute ohne Kontrolle, ohne Pass Sanitaire!! Jaja, ’s ist sonst natürlich obligatorisch… also nur heute ohne!“ und er lachte verschmitzt.

In Alès waren auch viele Leute aus anderen Regionen. „Wir sind ja eigentlich im Urlaub und auf Rundreise, aber jeden Samstag schauen wir, wo und wann die nächstgelegene Demonstration ist und gehen dann dorthin.“ Die Polizei fuhr zu viert in einem Auto langsam hinter der Demonstration her. Parkte immer wieder am Rande, der Fahrer tippte in seinem Smartphone herum, zwei weitere Beamte plauderten zusammen. Eine Beamte entdeckte aus dem Polizeiauto heraus Bekannte im Demonstrationszug und stieg aus, umarmte mehrere, lachte, verteilte Küsschen. Dabei trug übrigens niemand eine Maske, obwohl der Präfekt der Region Okzitanien einen Tag zuvor wieder eine Maskenpflicht für Draußen verhängt hatte, wenn viele Leute zusammenkommen.

Pass Sanitaire und Gastronomie

Am Montag, den 9. August, am Tag 1 der Einführung des Pass Sanitaire, wollte ich mit einer Freundin auf einer Terrasse essen gehen. Man musste drinnen bestellen. Der Angestellte erfragte vor der Aufnahme unserer Bestellung den Pass Sanitaire. Meine Freundin, aus Deutschland zu Besuch, streckte ihr Smartphone mit ihrem QR-Code hin, er scannte ihn mit seinem Smartphone. Ich sagte dann, ich hätte keinen Pass Sanitaire. Er antwortete, dann, leider, könne er nur zum Mitnehmen anbieten. Ich antwortete, dass wir dann, leider, nichts bei ihm bestellen wollen. 100 Meter weiter kamen wir zu einem arabischen Imbiss mit Tischen und Stühlen davor. Zwei der drei Angestellten arbeiteten ohne Maske, der Dritte nutzte seine Maske als Kehlkopfschutz. Kein Aushang Pass Sanitaire, keine Fragen, nach der Bestellung ein herzliches „Setzen Sie sich doch bitte, es wird etwas dauern!“

Am Dienstag, den 10. August, Tag 2 nach der Einführung des Pass Sanitaire, aßen wir in einem Falafellokal, das von groovigen Mittdreißigern betrieben wird. Dort hing schwer zugänglich und leicht zu übersehen am Ende des Bestelltresens eine Aufforderung zum Einscannen des Pass Sanitaire. Es war sehr viel los, wir warteten über 20 Minuten auf unser Essen, ich sah keinen einzigen Gast den ausgehängten QR-Code benutzen. Nachmittags war der Kaffeedurst sehr groß. Hinter dem großen Platz mit vielen Restaurants, wo wir am Abend zuvor von jenem Restaurant abgewiesen wurden, gingen wir in eine Seitengasse, setzten uns und genossen Kaffee und Kuchen in konspirativer Ignoranz der Regeln, gute Laune und Geplauder mit Wirt und anderen Gästen inbegriffen.

Heute ist in meinem 400-Einwohner-Dorf ein kleines Fest auf dem Bouleplatz. Das Vorzeigen des Pass Sanitaire ist Pflicht. Alternativ könnte man auch mit einem negativen Testergebnis teilnehmen. Dafür müsste ich 27 km einfache Strecke zu einer Teststation fahren, dort bis zu 2 Stunden anstehen, dann 27 km zurück und dem freudigen Mittun auf dem Dorffest stünde nach meiner fünfstündigen Vorbereitung nichts mehr entgegen. Ist das nicht schön.

Marie Dufond lebt nach 27 Jahren in Süddeutschland, fünf Jahren in der Schweiz und 14 Jahren in Norddeutschland seit Februar 2020 in Südfrankreich. Sie ist studierte Expertin für Kommunikation, Stimme und Sprache.

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