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Griechenland: Pressefreiheit in Gefahr

Published On: 28. Februar 2022 0:30

Veröffentlicht am 28. Februar 2022 von CS.

Zwei griechische Reporter haben über Korruptionsskandale recherchiert, in die zehn Politiker (darunter der ehemalige Premierminister Antonis Samaras, Yannis Stournaras, der derzeitige Chef der griechischen Zentralbank, und Evangelos Venizelos, ehemaliger Vize-Premierminister) verwickelt waren. Der Verdacht: Die Politiker sollen Bestechungsgelder vom Pharma-Riesen Novartis erhalten haben. Nun werden die beiden Reporter wegen «Pflichtverletzung», «Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung» und «Beteiligung an einer Verschwörung» angeklagt.

Ein Blick auf die Verflechtung von Politik, Wirtschaft und Medien in Griechenland zeigt: um die Pressefreiheit steht es zunehmend schlecht.

Vor mehr als 2500 Jahren erreichte die Zivilisation der hellenischen Stadtstaaten ihren Höhepunkt: Ihre Philosophie, politische Organisation und Kunst bildeten die Grundlage der westlichen Zivilisation. Es folgten die Römer, die Türken, Monarchien und Republiken.

Das Jahr 1967, in dem sich die Obersten an die Macht putschten, war ein Schicksalsjahr. Seitdem sind mehr als 40 Jahre vergangen, aber das alte System wurde nicht vollständig hinweggefegt. Der Staatsapparat ist immer noch überdimensioniert, die Verwaltung ineffizient und öffentliche Gelder werden verschwendet. Der durch Vetternwirtschaft aufgeblähte öffentliche Dienst in Griechenland ist ein riesiges Problem: Ein Viertel aller Beschäftigten, also etwa eine Million Menschen, arbeitet für den Staat, während es in Deutschland nur jeder siebte ist.

Und dann ist da noch die Korruption – sie ist in Griechenland allgegenwärtig. Beim Arzt, im Krankenhaus, in den öffentlichen Ämtern, bei der Fahrprüfung. Korruption ist für die Gesellschaft als Ganzes problematisch: Wie kann sich eine Volkswirtschaft stabil entwickeln, wenn jeder einzelne Akteur immer vom Wohlwollen anderer abhängig und deren Willkür ausgeliefert ist? Die schlechte Bezahlung – der griechische Durchschnittslohn liegt bei 780 Euro – ist vielleicht einer der Gründe, warum sich so viele Menschen korrumpieren lassen. Ein weiterer Grund ist der Mangel an positiven Vorbildern: Warum sollte der Mann von der Strasse nicht das tun, was in der grossen griechischen Politik und Wirtschaft üblich ist?

In diesem Umfeld haben es unabhängige Medien und Journalisten schwer. «Die Pressefreiheit in Griechenland hat im Jahr 2020 Schaden genommen» – so lautet der erste Satz des nationalen Berichts «2021 Press Freedom Index» der Organisation Reporter ohne Grenzen. Im internationalen Vergleich belegt Griechenland unter 180 Staaten den 70. Platz und liegt damit in der EU nur noch vor Malta, Ungarn und Bulgarien.

Der «Media Pluralism Monitor 2021» des Centre for Media Pluralism and Media Freedom (CMPF) kommt zu dem Schluss, dass in Griechenland «die Medienvielfalt in allen untersuchten Bereichen Probleme bereitet». Der Bericht stellt fest, dass die Eigentumsverhältnisse der Medien in Griechenland weitgehend undurchsichtig und «private Medien nicht ausreichend vor politischer Einmischung geschützt sind».

2021 – ein schwarzes Jahr für die Pressefreiheit

2021 war ein dunkles Jahr für die Pressefreiheit in Griechenland. Anfang 2021 stellte die Regierung ihren neuen nationalen Plan für die Aufrechterhaltung der Ordnung bei öffentlichen Versammlungen (SNMO) vor. Dieser sieht vor, dass bei Demonstrationen ein «spezieller Bereich» für Medienschaffende eingerichtet wird.

Die Regierung der «Nea Dimokratia» begann nach ihrem Sieg bei den Wahlen 2019 mit der Zentralisierung der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Heute unterstehen der öffentliche Rundfunk (ERT) und die nationale Nachrichtenagentur – deren Meldungen auf fast allen griechischen Informations-Plattformen verbreitet werden – direkt dem Premierminister und dem Amt für Information und Kommunikation.

Im November 2021 verabschiedete das Parlament eine Änderung des Strafgesetzbuches, die die Verbreitung von «Fake News» unter Strafe stellt. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kritisiert die vage Formulierung des Gesetzes, die einen grossen Interpretationsspielraum zulässt. Sie fordert, dass «die Regierung die Gesetzesänderung zurückzieht, da sie nicht mit der Meinungs- und Pressefreiheit vereinbar ist».

Es kommt noch schlimmer: Am 9. April 2021 wurde der bekannte investigative Journalist Giorgos Karaivaz am helllichten Tag vor seinem Haus in Athen erschossen. Für alle Beobachter in Griechenland besteht kein Zweifel daran, dass Karaivaz wegen seiner Arbeit ermordet wurde. Er hatte in den letzten Jahren zahlreiche Reportagen über Missstände bei der Polizei, Korruption und Machtmissbrauch sowie über den begründeten Verdacht der politischen Einflussnahme auf die Justizbehörden veröffentlicht. Zehn Monate nach dem Verbrechen gibt es keine Festnahmen, noch nicht einmal die Identifikation von Verdächtigen, und nur wenige Informationen über die Ermittlungen.

Die Liste geht weiter: Im Oktober 2021 wurden die Medienkooperative Alterthess in Thessaloniki und eine ihrer Journalistinnen, Stavroula Poulimeni, von Hellas Gold S.A., einem Goldbergbau-Unternehmen, verklagt.

Poulimenis Artikel mit dem Titel «Zwei leitende Angestellte von Hellas Gold S.A. wegen Wasserverschmutzung in Nord-Chalkidiki verurteilt» befasst sich mit einem Gerichtsverfahren, in dem das Unternehmen wegen zahlreicher Verstösse gegen das Umweltrecht, genauer gesagt wegen Wasser- und Umweltverschmutzung, für schuldig befunden wurde. Etwas mehr als ein Jahr nach Erscheinen des Artikels wurde eine Klage eingereicht, weil die Journalistin gegen das Gesetz verstossen haben soll, persönliche Informationen aus einem Strafprozess weiterzugeben. Wenn ihre Geldstrafe von 100’000 Euro nicht bezahlt wird, droht der Journalistin eine einjährige Haftstrafe.

Oder Mitte November 2021: Der griechische Journalist Dimitris Terzis veröffentlichte in der Zeitung EFSYN Beweise dafür, dass Journalisten, Beamte und Anwälte, die mit Flüchtlingen zu tun haben, vom griechischen Geheimdienst überwacht werden, und dass dies auch für bekannte Impfgegner gilt. Zu den überwachten Personen scheint auch Stavros Malichudis, Griechenland-Korrespondent von AFP, zu gehören.

Zu Beginn des Jahres wurden zwei weitere griechische Journalisten, Gianna Papdakou vom Athener Sender Alpha TV und Kostas Vaxevanis, Herausgeber der Zeitung Documento, vor Gericht gebracht.

Novartis-Gate

Die Vorwürfe wiegen schwer, der Skandal betrifft den Schweizer Pharma-Riesen Novartis. «Novartis-Gate» kam ins Rollen, nachdem zwei ehemalige Angestellte des Unternehmens vor der US-Börsenaufsicht ausgesagt hatten. Der Fall beschäftigt Griechenland seit mehreren Jahren.

Zwischen 2006 und 2015 soll der Konzern versucht haben, seine Position auf dem griechischen Markt mithilfe illegaler Zahlungen zu verbessern. Im Vordergrund stand zunächst die Bestechung von Ärzten, mit der die Verschreibung und der Verkauf von Novartis-Produkten gefördert werden sollte. Nun konzentriert sich die Untersuchung auch auf Politiker, die gegen Bezahlung Novartis-Medikamente bei der Zulassung und Preisfestsetzung begünstigt haben sollen. Zu den Beschuldigten gehören zwei ehemalige Premierminister und acht ehemalige Minister. Insgesamt sollen Beträge in Höhe von 50 Millionen Euro geflossen sein. Der wirtschaftliche Schaden beläuft sich laut Justizministerium auf drei Milliarden Euro.

Es muss betont werden, dass dies in einem von der Wirtschaftskrise gebeutelten Land geschah, zu einem Zeitpunkt, in dem viele Griechen keinen Zugang zu medizinischer Versorgung hatten und die öffentlichen Gesundheitsausgaben drastisch gekürzt wurden.

Im Jahr 2016 wurde Novartis in den USA zu einer Geldstrafe von 390 Millionen US-Dollar (366 Millionen Euro) verurteilt. In Griechenland ist jedoch nichts passiert. Die Recherchen von Papadakou und anderen deuten jedoch darauf hin, dass wichtige politische Entscheidungsträger des Landes das Verfahren sabotieren, um hochrangige Beamte zu schützen. So zeigten die Journalisten auf, dass der zuständigen Staatsanwältin die Ermittlungen im Fall Novartis aus fadenscheinigen Gründen entzogen wurden. Die Justiz scheint sich nicht für diese Fragen zu interessieren – jedoch umso mehr für die Reporter, die sie stellen. So findet sich Gianna Papadakou nun vor Gericht wieder, der Verbreitung von «Fake News» beschuldigt.

Auch gegen Kostas Vaxevanis, selbst ein angesehener Ermittler, werden Untersuchungen im Zuge des Novartis-Gate geführt. Vaxevanis wird der Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung beschuldigt, sowie der Verschwörung zwecks Amtsmissbrauch. Für diese Taten drohen ihm bis zu 20 Jahre Haft. Bereits 2017 wurde der Journalist wegen «Verleumdung» vor Gericht gestellt. Damals hatte ihn die Frau des ehemaligen Chefs der griechischen Zentralbank verklagt, weil er in seinen Berichten angeblich falsche Informationen über ihren Mann verbreitet hatte. Und 2012 wurde Vaxevanis vorübergehend festgenommen, weil er Informationen zu Schweizer Bankkonten weitergegeben hatte.

Vaxevanis sagte: «Die Korruption in Griechenland ruht auf drei Säulen: einer völlig unkontrollierten Finanzelite, politischen Handlangern und den Medien.» Der Journalist zählt etwa zwanzig Personen zur Unternehmerelite, die sich ihren Einfluss auf die Politik durch Bestechungsgelder sichern würden. Diese Finanzelite sei im Besitz der grossen Fernsehsender und Zeitungen. Damit wäre es für einen multinationalen Konzern wie Novartis ein Kinderspiel, sich eine beherrschende Stellung auf dem griechischen Arzneimittelmarkt zu sichern.

Und die europäische Politik?

Über die meisten der oben erwähnten Vorfälle und Ereignisse wird in den griechischen Medien kaum berichtet, was die öffentliche Debatte sehr schwierig macht. In den Parlamentsdebatten werden Sachfragen kaum angesprochen oder durch das Geschrei der Spitzenpolitiker übertönt, das die Bürger nur noch mehr verwirrt. Griechische Journalistenverbände haben die Missstände im einen oder anderen Fall angeprangert, internationale Presseorganisationen haben die Regierung mehrfach um eine Stellungnahme gebeten – in der Regel ohne Ergebnis.

Doch am besorgniserregendsten ist wohl die weitgehende Ignoranz der EU-Institutionen diesbezüglich. Das verdeutlicht der Bericht 2021 im Kapitel über die rechtsstaatliche Lage in Griechenland: Darin wird dargelegt, dass «die physische Sicherheit von Journalisten weiterhin angegriffen und bedroht wird». Auch die Ermordung von Giorgos Karaivaz wird erwähnt. Insgesamt werden die Schilderungen der Tatsache, dass die Rechtsstaatlichkeit in Griechenland in Gefahr ist, aber nicht gerecht. Es stellt sich die Frage, welchen Wert ein solcher Bericht hat – und welche Konsequenzen er für einen EU-Mitgliedstaat hat, der explizit gegen europäische Grundwerte verstösst.

Könnte der «European Media Freedom Act» – das geplante Gesetz über die Pressefreiheit in Europa – die griechischen Medien ausreichend schützen? «Die Pressefreiheit ist nicht nur wichtig für die Demokratie, sie ist die Demokratie», sagte einst Walter Cronkite. Cronkite war der vielleicht bekannteste Journalist seiner Zeit, man nannte ihn «den Mann, dem Amerika vertraut». Sein Worte bringen es auf den Punkt: Man muss jeden Tag für die Medienvielfalt kämpfen, und dieser Kampf ist für jede funktionierende Demokratie von entscheidender Bedeutung.

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Dieser Text wurde uns von Bon pour la tête zur Verfügung gestellt, dem führenden alternativen Medium der französischsprachigen Schweiz. Von Journalisten für wache Menschen.

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