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«Die Folgen der Massnahmen werden für die nächste Generation erschütternd sein»

Published On: 11. Mai 2022 0:03

Veröffentlicht am 11. Mai 2022 von RL.

Dr. Jay Bhattacharya kritisierte schon mehrfach die Corona-Politik der Regierungen weltweit. Er ist Epidemiologe und Experte für öffentliche Gesundheit sowie Professor an der Stanford University Medical School. Die Corona-Massnahmen bezeichnete er auch schon als «grössten Fehler in der Geschichte des öffentlichen Gesundheitswesens» (wir berichteten).

Mit dem Journalisten und Podcaster Brendan O’Neill sprach Bhattacharya unlängst ausführlich über die Folgen der Corona-Massnahmen. Wir veröffentlichen an dieser Stelle Auszüge des Gesprächs.

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Brendan O’Neill: Was ich unglaublich ärgerlich finde: Die einflussreichen Bevölkerungsschichten setzten sich kaum mit den Auswirkungen auseinander, welche die Corona-Massnahmen für weite Teile der Bevölkerung hatten. Welche Auswirkungen hatten sie Ihrer Meinung nach auf Kinder, insbesondere auf deren Recht auf Bildung?

Jay Bhattacharya: Wir haben dieses Recht verletzt. Vor der Pandemie sprachen die Menschen über die zentrale Bedeutung von Bildung. Sie sprachen davon, dass Bildung eine Investition in die Zukunft unserer Kinder ist, aber das waren nur Worte. Am schockierendsten ist für mich auch die enorme Ungleichheit diesbezüglich. In den blauen US-Bundesstaaten sind die Kinder 18 Monate lang nicht in die Schule gegangen. Meine eigenen Kinder hatten in gewisser Weise Glück. Zusammen mit meiner Frau konnte ich ihnen zumindest teilweise die verlorene Schulbildung ersetzen. Wir konnten unseren Kindern helfen, obwohl das kein vollständiger Ersatz für die Schule ist. Wer jedoch arm ist, kann das nicht tun. Eltern standen vor der Entscheidung, sich um die Schulbildung ihrer Kinder zu kümmern oder die Familie zu ernähren. Und die Folgen für diese Kinder waren enorm. Es gab schon vor der Pandemie genügend Literatur, die zeigte, dass selbst kurze Schulunterbrechungen tiefgreifende Folgen für das Leben der Kinder haben können. Mangelnde Bildung führt dazu, dass die Betroffenen kürzer leben, weniger gesund sind und generell ein schlechteres Leben haben. Die Schulbildung ist wahrscheinlich die beste soziale Investition, die wir tätigen können. Und wir haben sie während der Pandemie weggeworfen. Und jetzt habe ich nur von den USA gesprochen.

Noch mehr Sorgen macht mir die Situation in den armen Ländern. In Uganda werden 4,5 Millionen Kinder nie wieder zur Schule gehen können, nachdem die Schulen zwei Jahre lang geschlossen waren. In Bangladesch waren die Schulen für 18 Monate geschlossen. In Indien sind die Kinder für 18 Monate nicht in die Schule gegangen. Die Folgen der Massnahmen werden für die nächste Generation erschütternd sein. Einige Leute aus dem Bildungssektor sprachen davon, dass Kinder «widerstandsfähig» seien und sie den Schulausfall nachholen könnten. Ich halte das für reine Träumerei. Ja, wir müssen unbedingt enorme Investitionen tätigen, um die Defizite auszugleichen. Aber seien wir ehrlich, das wird niemals wirklich aufgeholt werden können.

Hat es jemals eine «vollständige» Abriegelung gegeben? Wie Sie sagten, gab es viele Arbeiten, die nicht von zu Hause aus erledigt werden können (…) Waren Menschen mit prekären Jobs nicht viel stärker benachteiligt durch die Corona-Massnahmen?

Da haben Sie völlig recht. In den ersten Tagen der Epidemie haben Wirtschaftswissenschaftler analysiert, wie viele Arbeitsplätze in den USA tatsächlich auch von zu Hause aus erledigt werden können. Es stellte sich heraus, dass es etwa 30 Prozent sind. Und es sind genau diese 30 Prozent, die am meisten von den Lockdowns profitiert respektive am wenigsten darunter gelitten haben. Es war eine unglaubliche Situation: Gut bezahlte, oft auch noch junge Berufstätige wurden von teils sogar älteren Menschen bedient. Diese gutsituierten Menschen konnten ihre Arbeit auch aus der Ferne erledigen. Die Laptop-Klasse schützte sich selbst. Sie liess sich ihr Essen liefern, während der Rest der Gesellschaft im Grunde genommen Risiken auf sich nehmen musste. Ich vermeide gerne Superlative, weil ich nicht übertreiben will. Aber klar ist: Das war wirklich die ungleichste Politik, die möglich war (…) und daraus haben wir eine Tugend gemacht.

Das Credo lautete: Wer zu Hause bleibt, verhält sich nicht nur sicher, sondern auch tugendhaft. Wenn du nicht zu Hause bleibst, bist du unvorsichtig, und mit dir stimmt etwas nicht. Damit wurde in der westlichen Gesellschaft ein Kastensystem etabliert. Während der gesamten Pandemie haben wir Menschen in sauber und unsauber, lebenswichtig und nicht lebenswichtig, sicher und nicht sicher, maskiert und unmaskiert, geimpft und nicht geimpft, geboostert und nicht geboostert unterteilt. All diese Unterscheidungen hängen wiederum eng mit der Klassenzugehörigkeit zusammen. Die westliche Gesellschaft hat in der Vergangenheit versucht, solche Unterscheidungen nicht mehr zu machen. Wir haben versucht, alle Menschen als gleich zu betrachten. Aber während der Pandemie wurde das über Bord geworfen.

Um auf die Entwicklungsländer zurückzukommen (…): Was waren die Folgen der Corona-Massnahmen für Teile Asiens und Afrikas?

Eine der grossen Erfolgsgeschichten der letzten 30 Jahre ist, dass eine Milliarde Menschen in den ärmsten Teilen der Welt aus der bitteren Armut befreit werden konnten (…) Doch in den letzten zwei Jahren hat sich dieser Fortschritt ins Gegenteil verkehrt. 100 Millionen Menschen wurden wieder in bittere Armut zurückgeworfen. Die Folgen dieser Entwicklung sind für den Westen kaum vorstellbar. Dutzende Millionen Menschen sind praktisch in den Hungertod getrieben worden. Laut einem Bericht der Vereinten Nationen vom März 2021 waren bis zum damaligen Zeitpunkt allein in Südasien 230’000 Kinder an Hunger gestorben. Und ich bin mir sicher, dass es vermutlich noch viel mehr sind (…)

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