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Was sind denn nun Affenpocken?

Published On: 27. Mai 2022 6:15

In den Medien wird seit Kurzem vermehrt über die virale Infektionskrankheit Affenpocken berichtet. Da in den letzten zwei Jahren die durch das Virus SARS-Cov-2 hervorgerufene Virusgrippe kulturell sehr bedeutsam war, ist die Bevölkerung nun zum Thema Infektionskrankheiten sensibilisiert. Dies erkennt man beispielsweise daran, dass viele Menschen auch nach Ende der Maskenpflicht noch freiwillig Masken tragen, obwohl diese klinisch wirkungslos sind.

Muss man sich vor diesem Erreger fürchten? Es lohnt sich ein rein fachlicher Blick auf die Affenpocken und ihren Erreger, das Affenpockenvirus (monkeypox virus), das klassischerweise Orthopoxvirus simiae genannt wurde. Das Virus gehört zur Familie der Orthopoxviren, sein Replikationszyklus in der infizierten Zelle ist zellbiologisch faszinierend. Ein wichtiger Verwandter war Orthopoxvirus variolae, der Erreger der echten Pocken (Blattern), der in den 1970er Jahren durch eine großartige, jahrzehntelange Impfkampagne ausgerottet wurde. Die Ausrottung wurde 1980 durch die WHO proklamiert und war ein Meilenstein der Primärprophylaxe durch Impfung.

Dies war möglich, weil der Erreger kein Reservoir außerhalb Homo sapiens hatte und ihm durch die Impfung der einzige Wirt entzogen wurde. Die echten Pocken waren eine sehr gefährliche Viruserkrankung mit recht hoher Infektiosität und Letalität.

Die Affenpocken sind für Menschen aber weitgehend ungefährlich. Ihre Endwirte sind zahlreiche Säugetiere, der genaue endemische Zyklus ist unbekannt. Der Affe ist wie der Mensch ein Fehlwirt, der den Endwirt (Nager u.a. Säuger) bei einer Infektion nicht infizieren kann. Die Affen bilden bei Infektion Bläschen und andere Hautläsionen aus. Menschen können sich an symptomatischen Affen, aber auch an anderen Säugerarten infizieren, wenn sie in Berührung mit deren Hautläsionen oder Körpersekreten kommen.  So gab es 2003 einmal einen lokalen Ausbruch von Affenpocken in den USA, der von aus Ghana importierten Nagern ausgegangen war; die Eindämmung war vollkommen unproblematisch .

Symptome, Diagnostik und Übertragung

Die folgenden Angaben beziehen sich auf die natürlichen Varianten der Affenpocken, die bisher klinisch beschrieben wurden. Technisch veränderte Varianten sind bisher, anders als bei SARS-Cov-2, das möglicherweise im Labor durch gentechnisch Modifikation erzeugt wurde, nicht bekannt und könnten andere Eigenschaften haben als die hier beschriebenen Varianten.

Die Krankheit ist sehr selten, die echte epidemiologische Inzidenz ist 1 bis 5 Infizierte auf 10.000 Menschen pro Jahr in den betroffenen afrikanischen Gebieten. Wie ein guter Review von 2014 zeigt, manifestiert sich beim Menschen durch ein Prodromalstadium mit Fieber, Kopfschmerzen und Müdigkeit, gefolgt von einem Ausschlag und Lymphadenopathie (Schwellungen von Lymphknoten). Dann bilden sich im Gesicht, etwas später auch an der übrigen Haut, die klassischen Effloreszenzen der Affenpocken aus, es entstehen wenige bis zahlreiche dicht stehende Flecken (maculae), die sich dann zu Papeln, Vesikeln und Pusteln ausbilden (Abb. 2 des oben verlinkten Reviews zeigt einen schweren Verlauf). Diese können sich auch bakteriell infizieren und dann eitern. Es können sich auch Pusteln im Mund bilden, was das Kauen und Schlucken unangenehm und schmerzhaft macht. Manchmal kommt es im Spätstadium der Krankheit, die ab Einsetzen der Hautläsionen 14 bis 28 Tage andauert, auch zu einer sekundären Bronchopneumonie durch Superinfektion. Diese ist gut behandelbar.

Die Infektionsletalität ist bei guter Behandlung sehr gering, der häufigste Folgeschaden sind Pockennarben, selten kann es auch zur Vernarbungen der Cornea (Hornhaut des Auges) mit Sehstörungen kommen; diese sind aber durch Corneatransplantation gut behandelbar. Schwere Verläufe mit Enzephalitis (Gehirnentzündung) sind extrem selten. Die Schwere der Verläufe kann sich wohl nach Viruskladen unterscheiden; zwei wichtige sind bekannt (West- und Zentralafrika).

Wie der oben zitierte Review-Artikel sehr klar beschreibt, sollte die Diagnostik nicht allein mit Hilfe des Nachweis von Virus-DNA durch PCR durchgeführt werden. Zahlreiche andere diagnostische Verfahren sind verfügbar, eine Kombination von Antigennachweis (Immunhistochemie, ELISA) mit PCR und klinischem Bild ist empfehlenswert. Ein positiver PCR Test ohne Symptome ist wie bei SARS-Cov-2 vollkommen bedeutungslos.

Eine Übertragung von Tier zu Mensch ist effektiver als die Übertragung von Mensch zu Mensch, neben dem Bläscheninhalt sind die Spucke und andere Körperflüssigkeiten infektiös, auch Kot kommt als Übertragungsmaterial in Frage. Eine sexuelle Übertragung ist im symptomatischen Stadium möglich, wobei die Übertragung beim ungeschütztem Analverkehr wegen der intensiveren Mikroläsionen der Schleimhaut wahrscheinlicher als bei vaginalem Geschlechtsverkehr ist. Eine Tröpfcheninfektion findet anders als bei SARS-Cov-2 nicht statt. Insgesamt erfordert eine Infektion immer ausgeprägte Symptome. Die Infektiosität des Virus ist insgesamt gering und findet nur durch engen Körperkontakt statt. Eine Pandemie kann sich aufgrund der natürlichen Varianten nicht ausbilden. Durch die Art der Übertragung ist – anders als bei SARS-Cov-2 –  eine Unterbrechung der Infektionsketten durch Quarantäne symptomatischer Patienten gut machbar und sinnvoll.

Impfung und Therapie, Ausblick

Bei Patienten, die gegen die klassischen Pocken geimpft sind, ist der Verlauf milder, da eine Kreuzimmunität besteht; allerdings sind nur die Jahrgänge bis etwa 1970 durchgeimpft, weil die Pockenimpfung je nach Staat nur bis Mitte/Ende der 1970er Jahre vom Säugling bis zum jungen Erwachsenen durchgeführt wurde. Heute kann mit dem Impfstoff Imvanex geimpft werden, der als Impfprinzip einen Lebendimpfstoff, das „Modifizierte Vacciniavirus Ankara“, enthält. Der Schutz ist nicht vollständig, sondern führt lediglich zu einem milderen Verlauf. Die genaue individuelle und epidemiologische Wirksamkeit der Impfung ist nicht ausreichend untersucht, doch immerhin ist dieser Impfstoff anders als die unwirksame und toxische “Impfung” gegen SARS-Cov-2 wohl sehr sicher. Neben der Impfung, die auch noch nach der Infektion bei rascher Gabe zu einer Milderung des Verlaufs führen kann, steht noch das Virostatikum Tecovirimat zur Verfügung, das zwar zugelassen (in den USA schon länger, in der EU erst seit 2022, man kennt den Anlass der Zulassung genau jetzt nicht), aber klinisch am Menschen gar nicht untersucht ist, sondern nur an Tieren erprobt wurde. Die Zulassung erfolgte in den USA nur aufgrund der sog. „Animal Rule“ (21 CFR 314.600-650). Auch in der EU erfolgte die Zulassung allein aufgrund der Tierdaten, was ungewöhnlich ist. Aufgrund der vollkommen fehlenden klinischen Daten halte ich die Gabe nicht für empfehlenswert und würde das Medikament nicht verschreiben, denn wir wissen nicht, ob es im Menschen wirksam und sicher ist.

Man kann mit Sicherheit sagen, dass die bisher bekannten Varianten des Affenpockenvirus für den Menschen bei guter symptomatischer Behandlung keine Gefahr darstellen. Eine Impfung ist derzeit nicht notwendig, weil das Infektionsrisiko sehr gering und der Verlauf gutartig ist. Bei einer (seltenen) Erkrankung mit früher Diagnose ist eine Impfung immer noch symptomlindernd und empfehlenswert. Eine medikamentöse Therapie ist angesichts des Verlaufs der Krankheit und der Datenlage nicht angebracht und potentiell riskant.

Es besteht keine Gefahr durch das Affenpockenvirus, das eine seltene und insgesamt gutartige, wenn auch unangenehme Infektionskrankheit hervorruft, wenn sie von den natürlichen Varianten erregt wird. Neue (künstliche) Varianten mit anderen klinischen Eigenschaften sind bisher unbekannt.

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