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Philosophen auf dem Laufsteg

Published On: 16. Juni 2022 14:00

Bereits zum 10. Mal fand das philosophische Festival „Phil Cologne“ statt. Star-Intellektuelle wie Peter Sloterdijk und Svenja Flaßpöhler sprachen ebenso wie ein Angstforscher und ein Extremschwimmer.

Bereits zum zehnten Mal versammelte sich auf der phil.cologne, was Rang und Namen in der öffentlichkeitswirksamen Intellektuellenszene hat. Von Peter Sloterdijk über Svenja Flaßpöhler bis hin zu Harald Welzer. Grund genug, vom 8. bis zum 14. Juni einen Fuß in die Stadt der Jecken zu setzen und sich selbst ein Bild vom „Internationalen Festival der Philosophie“ zu machen.

Moment. War auch wirklich drin, was drauf steht? Um es in trendig verpackten Wohlfühlworten zu formulieren: Was sagt der „Faktencheck“ zur Internationalität? Erstens: Drei von insgesamt 28 Veranstaltungen fanden auf Englisch statt, „Woke racism“, „Freiheit für alle!“ und „Männlich, weiblich, trans?“. Und zweitens: Einige der Diskutanten trugen keine deutschen Namen. Internationales Flair möchte da nicht wirklich aufkommen. Muss es aber auch nicht. Qualität hängt in erster Linie nicht von Internationalität ab.

Das zeigte etwa das Gespräch zum Thema „Ab jetzt nur noch Krise?“. Hierzu lud Jürgen Wiebicke den Philosophen und Publizisten Wolfram Eilenberger sowie die Psychologin Birgit Langebartels ein. Unideologisch begaben sie sich in die Arena der wissenschaftsjournalistischen Diskussion. Erfreulicherweise. Heutzutage stellt ein nicht feindlich gesinnter und aggressiver Diskussionsstil keine Selbstverständlichkeit mehr dar.

„Generationelle Melancholie“

So beleuchtete Eilenberger selbstkritisch die „Planschbeckenexistenz“ seiner Generation, der um die 50-Jährigen im Westen. Einer Generation, die keine wirklichen existentiellen Sorgen und Konfrontationen kannte. Erst peu à peu entwickelte sich bei ihr ein Bewusstsein für das Privileg, einen ausschweifenden und gedankenlosen Lebensstil führen zu dürfen. Diese endgültige Erkenntnis kam jedoch erst im Zuge der Coronapandemie.

Denn Krisen, oder wie es die Philosophen der 1920er Jahre nannten, „Grenzsituationen“, ermöglichten es, Sprünge in der individuellen Entwicklung zu machen. Das gelte sowohl auf individueller wie auch auf gesellschaftlicher Ebene. Das neu erwachte Selbstverständnis der Ukraine zum Beispiel zeige das deutlich. Erst Russlands Überfall in die Ukraine entfachte das Feuer des ukrainischen Nationalstolzes.

Auf individueller Ebene, im Falle der Generation X, gäbe es aber noch einen Nebeneffekt: Die Bewusstwerdung über das eigene Fehlverhalten im privaten und öffentlichen Handeln. Eilenberger spricht auch von einer „generationellen Melancholie“. Die Traurigkeit über das eigene Fehlverhalten der Vergangenheit – und das Wissen, die eigenen Fehler der Vergangenheit nicht ungeschehen machen zu können.

Zwischen Ohnmachtsgefühlen und Allmachtsfantasien

Diese soziologisch-philosophischen Analysen erweiterte Langebartels durch ihre psychologische Expertise. Der Einzelne müsse lernen zu akzeptieren, dass er nicht alles beeinflussen könne. Distanzierung und Demut seien hier die Stichworte. Deswegen sei es wichtig, dass der Einzelne lerne eine „richtige“ Balance zwischen Ohnmachtsgefühlen und Allmachtsfantasien zu finden. Manches entziehe sich seiner Kontrolle, manches wiederum stehe in seiner Macht. Wer das verstanden hätte, lebte zufriedener, weil realistisch blickend auf das Leben.

Wie man zu dieser Zufriedenheit gelangt, oder zumindest angstfrei durch die Welt gehen kann, war wiederum Thema einer anderen Veranstaltung, „Heraus aus der Angst“. Ralph Erdenberger diskutierte hierzu mit Borwin Bandelow, Angstforscher, und André Wiersig, Extremschwimmer. Letzterer brachte es direkt auf den Punkt. Angstfrei lebe derjenige, der sich über seine Stärken und Schwächen bewusst sei, sich selbst vertraue, und Vertrauen in seine Umwelt habe. Pointiert fasste Erdenberger diesen Gedankengang mit vier Stichworten zusammen: „Ehrfurcht, gesunder Fatalismus, Geduld und Humor“.

Bandelow ergänzte treffenderweise: „Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst“ und „Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos“. Wenn sich diese Einstellung zum Leben einige mehr zu Herzen nehmen würden, hätten wir vermutlich weniger „Vorfälle“ mit Messern und in die Menge fahrenden Autos, wie es jüngst der Fall war.

Grundsätzlich bot die phil.cologne ein breites Potpourri unterschiedlicher Diskussionen, die sich mit aktuellen gesellschaftlichen Themen auseinandersetzte. Mal mehr, mal weniger glückte dieser Versuch. Nichtsdestotrotz konnte der Philosophie interessierte Laie aus jeder Veranstaltung etwas für sich mitnehmen. Sei es Gedankenanstöße, Erlebnisberichte oder wissenschaftliche Fakten. Mal schauen, was die nächste phil.cologne zu bieten hat.

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