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Cancel Cuisine: Erdbeeren

Published On: 26. Juni 2022 12:00

Dieses Jahr trifft eine gute Erdbeer-Ernte auf eine geringe Nachfrage. Wegen der explodierenden Inflation und der allgemeinen Verunsicherung sparen die Leute. Und wenn der Deutsche spart, das ist ein Naturgesetz, dann zuerst bei Lebensmitteln.

Die Natur hat das doch ganz schön eingerichtet: Wenn im Frühsommer Äpfel und Birnen aus den Kühlhäusern mangels Geschmack ungenießbar geworden sind, beginnt die lang ersehnte Beerenzeit. Dann reifen auf den Feldern überall Erdbeeren, Himbeeren und Johannisbeeren und etwas später Brombeeren, Stachelbeeren und Heidelbeeren. Letztere gibt es in größeren Mengen auch aus Wildsammlung. Sie schmecken viel besser als die aufgeblasenen Zuchtheidelbeeren. Meist kommen sie, in kleine Bastkörbchen verpackt, aus Osteuropa, wo es noch Menschen gibt, die sie sammeln. Manche Leute haben panische Angst vor wilden Blaubeeren, weil an ihnen Eier des Fuchsbandwurms kleben könnten. Da sage ich nur: No risk, no fun!

Einstweilen haben Erdbeeren ihren Galauftritt. Voll ausgereift besitzen diese Früchte, die streng genommen gar keine Beeren sind, ein unverwechselbares, sehr angenehmes Aroma und eine natürliche Süße, die sie unwiderstehlich macht. Kein Sommer ohne Erdbeerkuchen, wobei ich selbst eine französische Tarte aux fraises der deutschen Sahnetortenedition vorziehe oder der verbreiteten Unsitte, einen fertigen, viel zu dicken Biskuitboden einfach mit Sahne zu bestreichen, mit Erdbeeren zu belegen und einem Gruselglibberguss von Dr. Oetker luftdicht zu versiegeln.

Für die französische Erdbeertarte macht man zunächst einen einfachen, leicht gesalzenen Mürbeteig ohne Ei (französisch: Pâte brisée). Der wird in einer niedrigen Tarteform „blind“ gebacken, wozu man auf dem Teig auf einer Backpapierunterlage schwere, getrocknete Bohnen ausbreitet, die verhindern sollen, dass die Teigplatte Blasen schlägt. Den fertig gebackenen Boden kann man zur Abdichtung mit flüssiger Schokolade besteichen. Dann folgt eine Schicht Crème pâtissière, eine mit etwas Mehl oder Speisestärke stabilisierte Eier-Vanille-Creme, auf der man die Früchte anordnet. Das ganze wird noch mit etwas erhitztem Johannisbeergelee überglänzt. Der Aufwand ist nicht unerheblich, doch das Ergebnis überzeugt immer, wenn, ja, wenn man vollreife Erdbeeren erwischt hat.

Gute Ernte trifft auf geringe Nachfrage

Dieses Jahr muss man eigentlich froh sein, wenn man überhaupt (noch) welche erwischt. Es gibt nämlich Erdbeerbauern, die einen Teil ihrer Ernte einfach vernichtet haben, was an die unseligen Lebensmittelvernichtungsaktionen der EU zwecks Preisstützung erinnert. Dabei ist die Ernte des Jahres 2022 qualitätsmäßig so gut und so reichlich, wie schon länger nicht. Das Wetter war, dank Erderwärmung, optimal, ausreichend Sonne, kaum Hagel oder Frost. Doch die Früchte liegen, glaubt man den Berichten, wie Blei in den Regalen. Was ist da los?

Nachfrage bei einem, der es wissen sollte, dem Obstbauern Klaus Langen aus Kerpen-Buir im Rheinland. Er hatte zuvor schon mit der Süddeutschen Zeitung gesprochen, die daraufhin unter der originellen Überschrift „Entbeerlich“ einen Artikel über die Erdbeerkrise veröffentlichte. Allerdings vergaß der Reporter, ein paar Dinge zu fragen, die für das Verständnis der Lage nicht unerheblich sind.

Ganz allgemein gesagt, trifft dieses Jahr auf eine gute Ernte eine geringe Nachfrage. Wegen der explodierenden Inflation und der allgemeinen Verunsicherung sparen die Leute. Und wenn der Deutsche spart, das ist ein Naturgesetz, dann zuerst bei Lebensmitteln. Um die verderbliche Ware trotzdem, Pardon, werte Ladys, an den Mann bringen zu können, drücken die Großeinkäufer die Preise. Doch zu den aktuellen Dumpingpreisen kann kaum ein deutscher Beerenbauer noch einen Gewinn erwirtschaften. Deswegen entschied sich Herr Langen zum ersten Mal in seiner dreißig Jahre währenden Laufbahn, einen Großteil seiner Ernte abzuschreiben.

„Da bückt sich niemand mehr nach Erdbeeren.“

Zusätzlich zu den niedrigen Preisen haben die Kosten stark angezogen. „Die Preis-Kosten-Schere klafft immer weiter auseinander“, sagt Langen in schönstem Betriebswirtschaftlerdeutsch. Nachdem die sich sozial gerierenden Bundesregierungen die Mindestlöhne immer weiter angehoben haben, sind für Erntehelfer jetzt zwölf Euro pro Stunde fällig. Das ist bei den aktuellen Ramschpreisen schwer zu refinanzieren.

Zu all den Kalamitäten gesellt sich ein immer bedrohlicherer Personalmangel. Vor einigen Jahren, sagt Langen, habe er vor allem Pflücker aus Rumänien beschäftigt. Doch leider waren diese Menschen kaum des Lesens und Schreibens mächtig und so ungebildet, dass kaum mit ihnen zu arbeiten war. „Denen musste man noch erklären, warum man rote Erdbeeren pflückt und keine grünen.“ Deswegen sah er sich in Polen und vor allem in der Ukraine nach Helfern um. Er fand sie etwa an Universitäten und Hochschulen. „Mit solchen Praktikanten habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht“, sagt Langen. Bis der russische Angriff auf das Land die neue Quelle für Erntehelfer einstweilen versiegen ließ. Denn viele Hochschulen seien geschlossen und könnten den jungen Leuten nicht die nötigen Papiere ausstellen.

Eine Frage, die die SZ nicht gestellt hat: Lassen sich unter den vielen tausend Flüchtlingen aus der Ukraine, die jetzt in Deutschland leben, denn keine neuen Erntehelfer rekrutieren? „Habe ich ja versucht“, sagt Langen. Nur würden diese Menschen hierzulande auf Hartz IV-Niveau versorgt, was ihnen im Vergleich zur wirtschaftlichen Lage in ihrer bitterarmen Heimat zu einem sehr komfortablen Einkommen verhelfe. „Da bückt sich niemand mehr nach Erdbeeren.“ Wenn das alles so weitergehe, meint Langen, drohe der Erdbeeranbau in Deutschland auf breiter Front unrentabel zu werden. „Dann können Sie sich die Erdbeeren aus Peru holen.“

Spätestens dann werde ich den Erdbeeranbau im eigenen Garten wiederbeleben. Die allsommerliche Erdbeerernte im Garten meiner Großmutter zählt zu meinen schönsten Kindheitserinnerungen. Niemals mehr sonst, so scheint es mir, haben die Früchte so gut geschmeckt. Und erst ihre Erdbeermarmelade! Sommer pur, den ich, wenn die alte Dame nicht zuschaute, direkt aus dem Glas löffelte, das noch, ganz altmodisch, mit einer Cellophanhaut verschlossen war. Mit fast schon überreifen Früchten mundet sogar eine Erdbeerbowle. Dazu Erdbeeren putzen, in kleine Stückchen schneiden, einzuckern und mit etwas Wodka marinieren. Kurz vor dem Einschenken mit gut gekühltem, trockenen Weißwein und gutem Sekt aufgießen. Und dann auf den Klimawandel anstoßen!

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