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Das Migrations-Problem von Mexiko

Published On: 3. August 2022 12:00

In Mexiko-Stadt zeichnet sich eine ungewöhnliche Migrationstendenz ab: Reiche Amerikaner fluten Stadtviertel und verdrängen Einheimische. Den Mexikanern wird es langsam zu bunt. Kommt uns das bekannt vor?

Auf der Suche nach dem ver­stock­ten, rück­wärtsgewand­ten Ras­sis­mus, der die Moder­ne mit Bit­ter­keit durch­zieht, beleuch­tet der Medi­en­zir­kus mit gro­ßer Geduld jede Are­na, in der es eher tra­di­tio­nell und homo­gen zugeht. Je hell­häu­ti­ger, kon­ser­va­ti­ver und christlicher sich etwa ein Milieu in Deutsch­land gibt, umso leich­ter und plau­si­bler haf­tet ihm der Vor­wurf der Was-au­ch-im­mer-Feind­lich­keit an. Je grö­ßer der Kon­trast zur erträum­ten Wun­der­buntheit, des­to üppi­ger fällt die Prü­gel aus. In Deutsch­land ein kritisches Wort zum The­ma Migra­ti­on und Asyl zu äußern, kommt immer noch einem politi­schen Selbst­mord­ver­such nahe, und genau des­halb sind auch kaum noch sol­che Wor­te zu ver­neh­men.

Die Bun­des­re­gie­rung hat nun alle for­ma­len Wider­stän­de, die man aus den gel­ten­den EU-Regeln noch her­aus­le­sen konnte, auf­ge­ge­ben und winkt mehr oder weni­ger durch. Als Begrün­dung bie­tet sich – falls doch mal jemand fragt – natür­lich der Über­all­man­gel an Arbeits­kräf­ten an, wel­cher mittlerwei­le in sämt­li­chen Gewer­ken des Hand­werks, dem Einzel­han­del und dem Dienstleistungs­sek­tor nach dem ver­un­glück­ten polit-pan­de­mischen Irr­sinn zu bekla­gen ist. Nur lan­den die Neu­an­kömm­lin­ge in kei­ner der klaf­fen­den Lücken, wie uns die Empi­rie seit Jah­ren beweist.

Genug, ich will Sie nicht mit der Beschrei­bung von gesell­schaft­li­chen Wun­den lang­wei­len, die hier­zu­lan­de seit fast einer Deka­de schwä­ren. Der Mecha­nis­mus, mit dem die Veränderung des Lan­des vorgeht, auf wel­che sich die Grü­ne Göring-Eck­ardt bekannt­lich wie Bolle freut, ist ent­schei­dend. Zu beschrei­ben, wie schnell sich eine Gesell­schaft zum Nega­ti­ven ver­än­dert, Span­nun­gen auf­ge­baut wer­den und Vor­ur­tei­le sich zu Ste­reo­ty­pen ver­dich­ten, genügt völlig.

Nur machen wir das bes­ser nicht in jenem Land, des­sen Bür­ger sich im Fall der politischen Reni­tenz mit Nazi-Anschmut­zun­gen das Maul ver­bie­ten las­sen, son­dern bege­ben uns am bes­ten dort­hin, wo die ver­meint­lich bes­se­ren Men­schen leben, weil sie aus deut­scher Sicht gleich meh­re­re Ein­trä­ge auf der nach oben offe­nen Opfer­ska­la haben. Ers­tens den daseinsver­edeln­den Hin­ter­grund „indi­gen“, zwei­tens zum „glo­ba­len Süden“ gehö­ren und drittens ein post­ko­lo­nia­les Erbe zu tra­gen haben, wel­ches per se ihr Vor­an­kom­men hin­dern muss. Sie wer­den bei der Lek­tü­re fest­stel­len, lie­be Leser, dass es kei­nes Pla­nes oder gar einer gro­ßen Ver­schwö­rung bedarf, um Men­schen zum Pro­test auf­zu­sta­cheln, weil sie aus ihrer gewohn­ten Umge­bung ver­drängt wer­den. Es genü­gen schon eini­ge weni­ge sogenannte Pull-Fak­to­ren, Gele­gen­hei­ten und fal­sche poli­ti­sche Wei­chen­stel­lun­gen, um die Saat für das Holz der Stra­ßen­bar­ri­ka­den der Zukunft aufgehen zu las­sen. Also, auf nach Mexiko!

Wir sind die einzigen „braunen Menschen“ – außer den Kellnern

Die Wahr­schein­lich­keit, dass in Deutsch­land schon jemand von der fol­gen­den Begebenheit gele­sen oder gehört hat, ist gering. Und wer macht sich schon die Mühe, aus­ge­rech­net in der „Los Ange­les Times“ nach­zu­se­hen, die­sem Hort des durch­ge­knall­ten lin­ken Progressismus, wo ein schwar­zer Kan­di­dat um das Amt des Gou­ver­neurs von Kali­for­ni­en schon mal „the black face of white supre­ma­cy“ genannt wird, weil er der falschen (vul­go repu­bli­ka­ni­schen) Par­tei ange­hört. Und doch fin­det sich am 27. Juli 2022 in eben jener Zei­tung ein lan­ger Arti­kel von Kate Lin­thi­cum mit dem ver­stö­ren­den Titel „Cali­for­ni­ans and other Ame­ri­cans are floo­ding Mexi­co City. Some locals want them to go home“. Und der hat es in sich!

Offen­bar ist da etwas, was gera­de die soge­nann­ten „Digi­tal Nati­ves“ aus gro­ßen US-Metropo­len wie Los Ange­les, dem Sili­con Val­ley oder New York City in die Mega-Metropo­le Mexi­ko-Stadt zieht, um dort dau­er­haft in AirBnB’s oder bil­lig erwor­be­nen Häusern zu arbeiten und zu leben. Steu­ern zahlt man selbst­ver­ständ­lich in der Hei­mat. Und all das macht in der Sum­me offen­bar etwas mit den Einheimischen:

„Fer­nan­do Bustos Gorozpe saß mit Freun­den in einem Café, als er fest­stell­te, dass sie – wie­der ein­mal – in der Unter­zahl waren. „Wir sind die ein­zi­gen brau­nen Men­schen“, sag­te Bustos, ein 38-jäh­ri­ger Schrift­stel­ler und Uni­ver­si­täts­pro­fes­sor. „Wir sind die Ein­zi­gen, die Spa­nisch spre­chen, außer den Kellnern.“

Ver­su­chen Sie mal gedank­lich, die­se Sze­ne in einem deut­schen Café in Anwe­sen­heit eines ZEIT-Repor­ters anzu­sie­deln und erset­zen Sie „braun“ durch „weiß“. Undenk­bar, oder? Noch dazu für einen Pro­fes­sor! Die Autorin der LA-Times scheint die ras­sis­ti­schen Ste­reo­ty­pe jedoch nicht zu bemer­ken. Sie ist zwei­fel­los auf der Sei­te der unzufriede­nen Mexi­ka­ner, – auch wenn sie selbst zu der bearg­wöhn­ten Flut der Grin­gos gehört – und stört sich eher am eige­nen Ein­drin­gen in die mexi­ka­ni­sche Gesell­schaft, als den unfreund­li­chen Unter­ton, der ihr da entgegenschlägt, für pro­ble­ma­tisch zu hal­ten.

Denn was da gera­de in Mexi­ko statt­fin­det, ist ein zur Kari­ka­tur ver­form­tes Migrationsproblem, wie es über­all exis­tiert, wo kul­tu­rell oder sozi­al stark unter­schied­li­che Grup­pen sich plötz­lich im sel­ben Raum wie­der­fin­den. Nur eben spie­gel­ver­kehrt zu dem, was wir übli­cher­wei­se medi­al als gewünsch­te Migra­ti­on prä­sen­tiert bekommen.

Tur­bo-Gen­tri­fi­zie­rung auf Eng­lisch

„Mexi­ko ist seit lan­gem das belieb­tes­te aus­län­di­sche Rei­se­ziel der Ame­ri­ka­ner […] doch in den letz­ten Jah­ren über­schwemm­te eine wach­sen­de Zahl von Tou­ris­ten und Fernarbeitern – aus Brook­lyn, New York, dem Sili­con Val­ley und ande­ren Orten – die Haupt­stadt des Lan­des und hin­ter­ließ einen Hauch von New-Wave-Impe­ria­lis­mus. Der Zustrom, der sich seit dem Aus­bruch der COVID-19-Pan­de­mie beschleu­nigt hat und sich mit der stei­gen­den Infla­ti­on wahr­schein­lich fort­set­zen wird, ver­wan­delt eini­ge der wertvolls­ten Vier­tel der Stadt in Auswanderer-Enklaven.“

Mexi­ko-Stadt ist im Gegen­satz zu ande­ren Lan­des­tei­len nicht so stark von Drogenkartellen beherrscht und bie­tet dank bil­li­ger Mie­ten und über­haupt nied­ri­ger Lebens­hal­tungs­kos­ten gera­de­zu ein Para­dies für jene, die ihre Bröt­chen bei Big Tech, hip­pen Start-ups oder als Ent­wick­ler von Spie­len verdienen.

„In begrün­ten Vier­teln wie Roma, Con­de­sa, Cen­tro und Jua­rez schie­ßen die Mie­ten in die Höhe, da Ame­ri­ka­ner und ande­re Aus­län­der sich Häu­ser schnap­pen und Ver­mie­ter Langzeit­mie­ter gegen Rei­sen­de tau­schen, die bereit sind, auf Airbnb mehr zu zah­len. Taqueri­as, Tan­te-Emma-Läden und Fon­das – klei­ne, fami­li­en­geführ­te Imbiss­bu­den – wer­den durch Pila­tes-Stu­di­os, Co-Working-Spaces und schi­cke Cafés ersetzt, die mit Hafermilch-Lat­te und Avo­ca­do-Toast werben.“

Tur­bo-Gen­tri­fi­zie­rung ist die Fol­ge. Auf Eng­lisch natür­lich. Wozu soll man auch Spa­nisch lernen, nur weil man in Mexi­ko lebt?

„Im Lar­do, einem medi­ter­ra­nen Restau­rant, in dem an einem belie­bi­gen Abend drei Viertel der Tische mit Aus­län­dern besetzt sind, nahm kürz­lich ein Mexi­ka­ner in einem gut geschnitte­nen Anzug an der Bar Platz, betrach­te­te die eng­lisch­spra­chi­ge Spei­se­kar­te vor sich und seufz­te, als er sie zurück­gab: „Eine Spei­se­kar­te auf Spa­nisch, bitte.“

Die Ankün­di­gung des unver­meid­li­chen Schei­terns

Die Chil­an­gos, wie die Ein­hei­mi­schen genannt wer­den, wer­den lang­sam ungehalten.

„Kürz­lich tauch­ten in der Stadt Pla­ka­te mit Schimpf­wör­tern auf. „Neu in der Stadt? Arbei­ten Sie aus der Fer­ne?“, war da auf Eng­lisch zu lesen. „Du bist eine ver­damm­te Pla­ge und die Ein­hei­mi­schen has­sen dich ver­dammt noch mal. Verschwinde.“

In Deutsch­land wür­den sich bei „Brenn­punkt“ und „Lanz“ die empör­ten Stim­men überschlagen und die Fae­ser­-N­an­cy wür­de den Ver­fas­sungs­schutz von der Lei­ne las­sen! Kann es denn sein, dass die Mexi­ka­ner genau sol­che Ras­sis­ten sind, wie es dem kartoffelwei­ßen Bio­deut­schen stets gern unter­stellt wird, wenn Frem­de in gro­ßer Zahl kommen und die Ein­hei­mi­schen sozi­al mühe­los über­flü­geln? Sei es nun durch klas­si­sche Gen­tri­fi­zie­rung durch Kauf­kraft oder durch den sol­ven­ten Sugar-Dad­dy „Sozi­al­staat“, der den Weg freimacht?

Weder in Ber­lin noch in Mexi­ko-Stadt wer­den ja die ech­ten Luxus-Appar­te­ments knapp. Abge­ord­ne­te in Ber­lin oder Car­los Slim in Mexi­ko wer­den es ver­kraf­ten, wenn an der Spree güns­ti­ger Wohn­raum knapp ist oder in Mexi­ko-Stadt, wo das Durchschnittseinkommen etwa 450 Dol­lar im Monat beträgt, Goog­le-Pro­gram­mie­rer im „Home Office“ sich schi­cke Lofts leis­ten kön­nen, obwohl 2.000 Dol­lar in Los Ange­les gera­de mal für eine Ein­zim­mer­woh­nung in Koreatown rei­chen wür­den. Für gerin­ge­re Einkommen ist die Situa­ti­on hier wie da weni­ger komfortabel.

„Es gibt einen Unter­schied zwi­schen Men­schen, die den Ort, an dem sie sich auf­hal­ten, kennen ler­nen wol­len, und denen, denen es nur gefällt, weil es bil­lig ist“, sagt Video­spiel-Designer Hugo Van der Mer­we. „Ich habe eine Rei­he von Leu­ten getrof­fen, denen es egal ist, dass sie in Mexi­ko sind, sie inter­es­siert nur, dass es bil­lig ist.“

Der Zustrom ame­ri­ka­ni­scher Besu­cher begann übri­gens 2016. Damals erklär­te die „New York Times“ Mexi­ko-Stadt zum belieb­tes­ten Rei­se­ziel der Welt und Autoren spe­ku­lier­ten, die Stadt sei womög­lich das „neue Ber­lin“. Nun, da könn­te was dran sein. Blickt man jedoch auf das Ber­lin von 2022, ist das nicht unbe­dingt als Kom­pli­ment zu ver­ste­hen. Viel­mehr als die Ankün­di­gung des unver­meid­li­chen Schei­terns einer unkon­trol­lier­ten und von weni­gen Pull-Fak­to­ren bestim­mten Migra­ti­on. Ganz gleich, ob sie nun von unten oder von oben kommt.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt.

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