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Ein Gas-Ringtausch mit dem Kriegsgewinnler?

Published On: 9. August 2022 6:25

Ein autokratischer Herrscher ist bereits Sieger im Ukraine-Krieg: Recep Tayyip Erdogan. Könnte er mit einem Gas-Ringtausch sogar die deutschen Energie-Geisterfahrer vor dem Zusammenbruch retten?

Er nennt sich Präsident, aber er tritt gern auf wie ein absolutistischer Herrscher. Oppositionelle und kritische Journalisten hat er in den letzten Jahren verhaften und von willfährigen Richtern verurteilen lassen. Eine kritische Presse gibt es nicht mehr, missliebige Organisationen werden gern als ausländische Agenten diffamiert, und sollte es noch Proteste gegen den Herrscher geben, werden diese brutal mit Polizeigewalt aufgelöst. Die offiziellen Grenzen seines Staates sind für seinen Machtanspruch zu eng, da interessiert ihn so Nebensächliches wie das Völkerrecht auch nicht, wenn er seinen Truppen befiehlt, auf dem Territorium von Nachbarländern in seinem Sinne „für Ordnung“ zu sorgen. Dieser Mann kann schon jetzt sagen, dass er zu den Gewinnern des Ukraine-Kriegs zählt.

Es ist natürlich nicht Wladimir Putin, obwohl die obige Beschreibung auf ihn ebenso zuträfe. Doch im Gegensatz zu Wladimir Putin ist dessen türkischer Amtskollege Recep Tayyip Erdogan in der westlichen Welt kein Ausgestoßener, sondern wird beispielsweise als NATO-Partner hofiert. Über die Menschenrechtsverletzungen in seinem Land, die Völkerrechtsbrüche, das Zündeln in anderen zwischenstaatlichen Konflikten, wie dem in Berg-Karabach beispielsweise, oder die wiederholte Bedrohung der Souveränität Griechenlands und Zyperns in deren Luftraum und Hoheitsgewässern, wird ihm nachgesehen.

Kaum Kritik hört man daran, dass dieser NATO-Partner keinerlei Anstalten macht, sich beispielsweise den Sanktionen gegen Russland anzuschließen, obwohl sich doch die Bündnispartner an der russischen und weißrussischen Grenze aus Moskau bedroht fühlen. Im Gegenteil. Erdogan kann sich profilieren als der Mann, der den ukrainischen Getreide-Export ermöglicht. Gleichzeitig vertieft er die Geschäftsbeziehungen mit Putin. Schon weit vor dem Ukraine-Krieg provozierte er die USA durch Rüstungsgeschäfte mit den Russen. 2017 kaufte die Türkei das russische Raketenabwehrsystem S-400, trotz Protest der NATO-Partner, die dadurch Schwierigkeiten bei der militärischen Zusammenarbeit innerhalb der Allianz fürchteten. Doch Erdogan ließ sich nicht umstimmen. Wahrscheinlich sehen die Herrscher-Kollegen Putin und Erdogan im Westen, insbesondere in der EU, beide einen schwachen Partner bzw. Gegner.

Der Despot darf gern aushelfen

Und Erdogan muss im Westen auch höchstens verbale Kritik an seiner Politik, den Menschenrechtsverletzungen oder aggressiven Akten fürchten. Über all das sehen unsere regierenden Politiker – sonst gern Weltmeister der Hochmoral – bis auf wenige regelbestätigende Ausnahmen weitgehend hinweg. Der Autokrat aus Ankara wird einfach gebraucht. EU-Regierungen lassen ihre Steuerzahler bekanntlich seit Jahren mit Milliarden dafür zahlen, dass ihnen die Türkei einen Teil der Massenmigration vom Leibe hält. Sie selbst wollen weder Grenzen konsequent schützen noch will beispielsweise Deutschland seinen Lockruf der Vollversorgung bei Ankunft und Asylantrag verstummen lassen. Damit es dann mit dem Zustrom dennoch nicht ganz so schlimm kommt, lässt man sich am Ende gern vom Despoten aushelfen.

Jetzt bekommt er vielleicht wieder eine solche Gelegenheit, im engen Zusammenspiel mit Wladimir Putin. Als er seinen russischen Kollegen jüngst in Sotschi besuchte, fragten sich westliche Berichterstatter vor allem, ob es einen Rüstungsdeal der beiden Autokraten geben würde. Moskau hatte zuvor unüberhörbares Interesse am Erwerb türkischer Bayraktar-Kampfdrohnen geäußert. Bayraktar-Kampfdrohnen hat Erdogans Türkei auch an die Ukraine verkauft, wo sie – so heißt es – bislang auch erfolgreich im Verteidigungskrieg gegen Russland eingesetzt wurden.

Nun ist der gleichzeitige Verkauf begehrter Waffen an Kriegsparteien auf beiden Seiten der Front grundsätzlich nichts Neues. Aber in dieser Konstellation, dass der NATO-Bündnispartner Erdogan Waffen an Russland verkauft, während ein Großteil der NATO-Staaten die Ukraine im Kampf gegen die russischen Angreifer massiv unterstützen, wäre das schon recht speziell. In den Medien konnte man denn auch ein erleichtertes Aufatmen vernehmen, als es zu keinem solchen Geschäft in Sotschi kam. Die westlichen Politiker hätten darauf reagieren müssen und vermutlich nicht gewusst wie. Aber dass der Waffenverkauf nicht in Sotschi vereinbart wurde, schließt ja nicht aus, dass es dennoch demnächst zu einem solchen Geschäft kommen könnte.

Weniger öffentliche Beachtung fand der Umstand, dass die Machthaber aus Moskau und Ankara der EU auch genüsslich demonstrierten, wie sehr sie am Ende auch für die Gasversorgung einiger Staaten in der Brüsseler Union gebraucht werden. Während alle Welt in den letzten Jahren über die Ostseepipeline Nord-Stream-2 diskutiert hat und jeder weiß, wie sehr der Gasstrom durch Vorläufer Nord-Stream-1 gedrosselt wurde, genoss der Auf- und Ausbau der Turkstream-Pipeline, mit der inzwischen russisches Gas über die Türkei in die EU geliefert wird, vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit.

„Die Europäer sollten dankbar sein“

Damit es die europäische Öffentlichkeit auch bemerkt, hat sich Wladimir Putin in Sotschi demonstrativen Spott über die Europäer gegönnt, wie die Berliner Zeitung von dem Treffen berichtet hat:

„Der russische Präsident Wladimir Putin streute daher genüsslich Salz in die Wunde, die Brüssel und Berlin quält, und sagte, die Europäer sollten Erdogan dankbar sein, dass sie über die Pipeline TurkStream noch russisches Gas beziehen könnten. Die türkischen Medien feierten das Lob aus Moskau entsprechend. Laut russischen Staatsmedien sagte Putin mit Blick auf die Schwierigkeiten bei Energieexporten, insbesondere den Turbinen-Streit bei Nord Stream 1: ‚TurkStream funktioniert im Gegensatz zu allen anderen Routen für unsere Lieferungen regelmäßig und ohne Ausfälle.‘ Die Türkei kassiert für die Durchleitung des russischen Gases nach Europa – wie auch die Ukraine – erhebliche Transitgebühren.“

Und das russische Gas aus der Turkstream-Pipeline ist bei einigen EU-Mitgliedstaaten hoch willkommen, insbesondere in Bulgarien, Rumänien und Ungarn. Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto war im Juli eigens nach Moskau gereist, um über eine Erhöhung russischer Gaslieferungen zu sprechen. Ungarn will seine Speicher füllen. Und das russische Gas soll vor allem via Turkstream bezogen werden.

Ein Grund für diesen Schritt: Über eine Pipeline aus Österreich – einem bislang stärker genutzten Lieferweg – sei nur noch die Hälfte der üblichen Gasmenge gekommen, offenbar weil zu wenig Gas über Nord-Stream-1 in das Netz eingespeist worden war.

Wenn aber das russische Gas über Turkstream ins europäische Netz kommt, könnte es dann nicht auf diesem Umweg vielleicht auch ins bald notleidende Deutschland gepumpt werden? Momentan stünde dem zwar ein von Ungarn verhängtes Gasexportverbot entgegen, aber was ist, wenn die ungarischen Speicher voll sind und auch Ungarn mit dem Durchleiten Geld verdienen könnte? Das ginge zwar nicht über die Hungaria-Austria-Gasleitung, die funktioniert nur in West-Ost-Richtung, aber beispielsweise eine Pipeline in die Slowakei kann in beiden Richtungen betrieben werden. Hoffen die deutschen Energie-Poltiker vielleicht insgeheim darauf, fehlendes Gas im Ernstfall über eine Art Gas-Ringtausch zu beziehen, so wie deutsche Waffenlieferungen ja auch über einen Panzer-Ringtausch in die Ukraine gingen?

Auf jeden Fall ist Südosteuropa beim Gas nun enger mit Russland und der Türkei verflochten. Für Erdogan bietet der Ukraine-Krieg nun auch über den Energiehandel die Chance auf mehr Macht und Einfluss. Er ist auf jeden Fall ein großer Kriegsgewinnler, aber im Falle der Energie hat ihm dabei auch die deutsche Energiewende gehörig geholfen. 

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