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Die 2. Republik ist tot, es lebe die 4. Republik – Ein Aufruf zur Erneuerung unserer Heimat

Published On: 1. September 2022 11:22

Neuwahlen seien nur der erste Schritt, sagt Stephan Sander-Faes. Diese sollten nur den Weg frei machen für eine „verfassunggebende Nationalversammlung“. Der Historiker verfasste das Essay schon im Winter, fand damals aber kein Medium, ihn zu publizieren. Sein Plädoyer zur Erneuerung Österreichs bleibt aber brandaktuell. 

Einführende Vorbemerkungen: ich habe den beigeschlossenen Text im Herbst 2021 als Reaktion auf die ersten Äußerungen der Politik zu dem Hausarrest für „die Ungeimpften“ und die (zustimmenden) Berichte in den österreichischen „Leit- und Qualitätsmedien“ verfasst. Den Text habe ich dann denselben Medien in Österreich sowie im weiteren deutschsprachigen Raum angeboten, wobei meine Avancen allesamt unbeantwortet verblieben.

Den sprichwörtlichen Vogel hat allerdings die Redaktion der „Nachdenkseiten“ abgeschossen, da man die zentrale Forderung des Essays nach einem politisch-gesellschaftlichen Neustart—einer verfassunggebenden Nationalversammlung—zum Anlass nahm, dem Verfasser eine ehrenrührige Nähe zum rechtsextremen bzw. staatsverweigernden Eck anzudichten. Konkret habe ich per Email (17. Dez. 2021) folgendes erfahren:

„Der Begriff „verfassungsgebende Nationalversammlung“ scheint in Deutschland im Reichsbürger Milieu verwendet zu werden.“

Dies nahmen die „Nachdenkseiten“—eine vor mir als seriös und wegen der wiederholten Aufrufe nach historischer Kontextualisierung geschätztes Portal—zum Anlass, die Veröffentlichung abzulehnen. Jenseits der fragwürdigen Zuschreibung bundesdeutscher Phänomene auf österreichische Verhältnisse ist dies meines Erachtens doppelt brisant, insbesondere, da (Selbst-) Zensur in einer demokratischen Republik der erste Schritt in Richtung Tyrannei ist.

Mir fiel damals nur ein, mit einem Zitat von Karl Kraus zu antworten, das jedoch aufgrund der aktuellen Geschehnisse rund um die COFAG AG und die Wien Energie jedoch kaum minder angemessen scheint:

„Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge einen langen Schatten.“

Der beigeschlossene Essay ist ein Aufruf an die Bürgerinnen und Bürger des Landes, die Verantwortung für unser aller Leben zurückzugewinnen. Zu lange haben wir den Schandtaten der Regierenden—aller Parteien und Fraktionen—zugesehen, sodass der angestaute Filz wohl kaum durch dieselben Akteure abgetragen werden kann.

Ursprünglich im Spätherbst 2021 verfasst, habe ich den Essay um (auch als solche ausgewiesene) Passagen aktualisiert. In seiner ursprünglichen Fassung habe ich den Beitrag am 20. Dez. in einer englischen Übersetzung auf meinem Substack veröffentlicht.

***

Die 2. Republik ist tot, es lebe die 4. Republik!

Es ist ein gutes Land“, so spricht Ottokar von Hornek zu Rudolf von Habsburg über Österreich in „König Ottokars Glück und Ende“. Uraufgeführt 1825, ist Grillparzers Drama ein essentieller Bestandteil der österreichischen Identität nach dem Zweiten Weltkrieg—und von höchster Aktualität.

Wo habt Ihr dessengleichen schon gesehn?“, so fragt Ottokar von Hornek in seinem Loblied auf Österreich. Unser Land ist gegenwärtig in aller Munde, allerdings nicht im Guten. Im Gegenteil, wer dieser Tage durch das Land blickt und hört, erfährt ein Österreich, das seine hässliche Fratze zeigt.

Die Gespräche von Impfbefürwortern und -gegnern verlaufen seit Monaten nebeneinander. Hass und Sprachgewalt sind weit verbreitet und auf dem Weg zur Normalisierung (wie dies etwa der Rundumschlag von Gerald Mandlbauer in den OÖN am 20. Nov. 2021 eindrücklich zeigt). Wie lange mag es noch dauern, bis diesen und anderen Worten Taten folgen werden? Wer die Bilder aus der Wiener Innenstadt vom vergangenen Wochenende gesehen hat, vermutet wohl korrekt: nicht mehr lange.

„Echte Freiheit“, so Nehammer, war ein „Privileg“

Die gegenwärtige Regierungskonstellation befeuert diese Umstände durch den traditionellen Primat der Parteipolitik. Hinzu kommt, dass der nunmehr angelobte Bundeskanzler Nehammer am 21. November formulierte, dass nur die Impfung zurück zur „echten Freiheit“ führe, „die wir vor der Pandemie genossen haben und die wir vielleicht viel zu wenig hoch genug bewertet haben, welches Privileg es ist, in so einer Freiheit zu leben.

Nun sind unehrliche und inkohärente Wortmeldungen von Politikern bei Weitem kein österreichisches Spezifikum, doch gerade am aktuellen Thema der avisierten Impfpflicht scheiden sich die Geister. Politiker/innen nahezu aller Farben drängen ins Rampenlicht und erklären lauthals, es gebe nur einen Ausweg aus der Pandemie: eine Impfung gegen Covid-19. Dies aber ist aufgrund einer jüngst in The Lancet publizierten Studie zumindest eine fragwürdige Hypothese. [Einschub im Sommer 2022: die Datenlage hat sich hierzu eindeutig geklärt, wie eine Reihe jüngst vorgelegter Studien und die entsprechenden Veränderungen der Richtlinien der Behörden zeigt—von den gegenüber der Delta-Variante ganz anders pathogenen Omikron-Varianten, die bekanntlich bevorzugtdie mehrfach Geimpften“ befällt.]

Angesichts dieser Umstände ist also umso mehr Vorsicht geboten, um nicht das Kind der Pandemiebekämpfung mit dem Badewasser der demokratischen Republik auszuschütten.

„Lernen’s Geschichte“

Mit ein wenig zeitlichem wie räumlichem Abstand nimmt sich das Gezeter um die „Dritte Republik“ der Haider-FPÖ gleichsam wie das Kinderprogramm am späteren Nachmittag aus. Vor 20 Jahren zogen jeweils am Donnerstag einige Hundert Menschen durch die Innenbezirke und verlangten das Ende der Schüssel-Regierung. Wer damals (wie der Autor dieser Zeilen) unter seinen Nachbarn unter anderem Elisabeth Gehrer zählte, für den war der donnerstägliche um die Ecke parkende Polizeitransporter gleichsam „part of the game“. Einige Male standen auch die „weitgehend friedlichen“ Demonstrant/innen vor der Türe und begehrten, mit Eiern und faulem Gemüse werfend, lauthals Einlass in das Stiegenhaus.

Nun aber liest man von Todesdrohungen gegen Regierungsmitglieder, Objektschutz für kritische Infrastruktur (Amtsgebäude, Spitäler u.s.w.), Lehrpersonal und Polizisten, die ihrem Unmut über die Regierung Ausdruck verleihen, wogegen wiederum deren Vorgesetzten mit Unverständnis und Disziplinarverfahren reagieren. Wohin führt diese Eskalationsspirale?

Das Nordische Modell: Skandinavien in der Pandemie

Nach rund einem Jahrzehnt in der Schweiz lebe ich nun seit Sommer 2020 in Norwegen. Vieles ist hier anders, vor allem aber ist die norwegische Regierung—sowohl vor als auch seit den Wahlen im September 2021—vielfach offener und transparenter im Umgang mit Corona. Wer dies nicht glauben mag, möge einen vergleichenden Blick auf die Homepages des Folkehelseinstituttet und dessen österreichisches Pendant (AGES) werfen: insbesondere die Offenheit, mit der über Hospitalisierungen, Krankheitsverlauf und Todesfälle im Kontext von Covid-19 und Impfstatus berichtet wird, spricht Bände.

Wenn Maßnahmen gesetzt werden, so sind die meisten Auswirkungen davon auf einzelne Gemeinden beschränkt, wenig invasiv und zeitlich klar begrenzt. Von Armee und Polizei, die Teststatus oder Impfzertifikate an Gemeindegrenzen kontrollieren, wurde hier bislang abgesehen. Ich wüsste ehrlich gesprochen auch nicht, wie ich derartige Vorkommnisse meinen Töchtern erklären würde.

[Einschub im Sommer 2022: hierüber habe ich ausführlich auf tkp.at in einer Reihe von Artikeln berichtet, die den österreichischen wie bundesdeutschen Erfahrungen gleichsam als Spiegel entgegen gehalten seien; Sie finden diese Artikel hier, hier, hier und hier.]

Gerade der direkte Vergleich macht stutzig: hier setzt man alles daran, Kindergärten und (Volks-) Schulen als allerletzte Maßnahme zu schließen. Die negativen Erfahrungen—über die auch in Österreich kein Zweifel besteht, so der Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Wiener AKH—aus dem Frühjahr 2020 sind allen Entscheidungsträgern bewusst. [Einschub im Sommer 2022: diese Erfahrungen habe mich dazu gebracht, dem Unterrichtsminister Mitte August diesen Jahres einen Offenen Brief zu schicken und auch den ähnlich argumentierenden Offenen Brief der „Initiative Kinderwohl“—gemeinsam mit vielen anderen Pädagog(inn)en—zu unterstützen.]

Das Land der vielen (schlechten) Eigenschaften

Österreich als „Absurdistan“ hat eine lange Tradition, und wie die meisten meiner Landsleute sind auch die verschiedenen Zuschreibungen von Robert Musil über „Kakanien“ bekannt. Führt man sich jedoch die Aussagen der führenden Parteipolitiker seit letztem Donnerstag zu Gemüte, ist man bald um den Schlaf gebracht.

Da wird von Staatsämtern als „parteipolitischer Verschubmasse“ (Jörg Leichtfried) gesprochen, der ORF berichtet über „Kanzleramt als Wanderpokal“ und parteipolitische Befindlichkeiten feiern angesichts der ÖVP-Nominierungen feierliche Urständ’. Deren Koalitionspartner beweihräuchern sich derweil selbst, wie am Beispiel Werner Koglers zu sehen ist, der nicht müde wurde zu betonen, dass man „wieder einmal [sehe], dass wir Grüne für Stabilität, mit anderen zusammen, in diesem Land sorgen“.

Vom Bundespräsidenten hingegen kam lediglich der Hinweis, dass „nicht nur auf Macht- und Einflusssphären geschaut“ werden solle—bevor van der Bellen sich bereit fand, die am Freitag hinter geschlossenen Türen des ÖVP-Vorstands beschlossene dritte (!) Regierungsmannschaft seit den Nationalratswahlen 2019 anzugeloben. [Angesichts der katastrophalen Zustände um die COFAG und Wien Energie erübrigen sich wohl weitere Hinweise, wobei gleichsam der Vollständigkeit halber an die Misere der Hypo Alpe Adria erinnert sei.]

Parteitaktik vor Fürsorge für Land und Leute

Auswege und konstruktive Vorschläge sind angesichts dieser Gemengelage jedoch weiterhin Mangelware. Von der FPÖ abgesehen, signalisierten lediglich Teile der zerstrittenen SPÖ Zustimmung zu Neuwahlen „im Frühling“. ÖVP und Grüne werden sich mit Händen und Füßen dagegen wehren: zu schlecht stehen die Chancen, glaubt man den aktuellen Umfragen (die zudem allesamt vor Schallenbergs Rücktritt durchgeführt wurden).

Von der Regierung Nehammer-Kogler kann man daher bis 2024 aufgrund von Parteiräson und Wahlkalkül nichts erwarten. Sowohl der aufgeheizten Stimmung im Lande als auch Spaltung der Bevölkerung wird weniger Bedeutung zugemessen als dem zunehmend fragwürdigen Beharren auf Impfzwang. [Immerhin diese Jenseitigkeit hat die Regierung anerkannt, wenn auch aus parteitaktischem Kalkül bzw. sich letztlich der normativen Kraft des Faktischen (Georg Jellinek) doch noch beugend.]

Mit Neuwahlen ist es nicht getan

Wie auch manch andere Ambitionen in der jüngeren Vergangenheit, ist jedoch auch der erneute Gang an die Wahlurnen nicht (mehr) genug. Lange forderte die FPÖ eine „Dritte Republik“, die dann nach deren Regierungseintritt 1999/2000 doch nicht kam. Der stattdessen mit großem Pomp aus der Taufe gehobene „Österreich-Konvent“ (2003-2005) wurde bald heimlich, still und leise zu Grabe getragen, ein Abglanz von Metternichs Versagen, das Kaisertum Österreich im Vormärz zu reformieren.

Seit Jahrzehnten sprechen Österreichs Rechtsgelehrte von unterschiedlichen Verfassungswirklichkeiten, die durch die vielfachen Änderungen und Zusätze seit 1945 zudem immer weiter auseinanderklaffen. Der EU-Beitritt 1995 trägt seither das Seine zu der zunehmenden Diskrepanz zwischen Volkssouveränität, Regierungs(un)verantwortlichkeit gegenüber dem Nationalrat und dem mittlerweile normalisierten Abnicken von Richtlinien und Vorgaben aus Brüssel.

Angesichts der anwachsenden Flut von Verordnungen auf der Basis mehrfach novellierter Gesetze gleicht die Corona-Pandemie dem sprichwörtlichen Strohhalm, der unserem Kamel namens demokratische Republik den Rücken zu brechen droht. Wir sind mittlerweile bei der 5. (!) Covid-19-Notmaßnahmenverordnung des Covid-19-Maßnahmengesetzes angelangt, und ein Ende ist nach wie vor nicht in Sicht.

Neuwahlen ja, aber zu einer Verfassunggebenden Nationalversammlung

Wie aber kann die mehrfache Spaltung vielleicht überwunden werden? Wir leben in außergewöhnlichen Zeiten, und diese verlangen nach außergewöhnlichen Maßnahmen. Neuwahlen ja, sobald als möglich, aber nicht zum nächsten Nationalrat, sondern zu einer konstituierenden Nationalversammlung.

Diese scheint der einzige Weg, um die jahrzehntelange mehrfach wechselseitige Blockierung von Partei- und Länderinteressen im Angesicht der durch Corona nicht mehr zu retuschierenden Verwerfungen zu überkommen. Idealerweise bestünde eine derartige konstituierende Nationalversammlung aus einem repräsentativen Querschnitt der Gesamtbevölkerung: mehrheitlich „normale“ Menschen also, Frauen und Männer, Alte und Junge, alle entsprechend deren Anteil an der Gesamtbevölkerung vertreten.

Die Staatsbehörden haben so viele Daten über uns alle, da sollte es kein Problem sein, mittels eines Losverfahrens rund 350 Deputierte zu ermitteln (basierend auf der Annahme von rund 25,000 Menschen, die von je 1 Deputierten vertreten werden; Gesamtbevölkerung Österreichs: 8.9 Mio.). Wenn Geld für Corona-Maßnahmen verteilt wird, dann wird auch ein wenig für deren Gehaltsersatz und Beurlaubung für das Entwerfen einer neuen Verfassung im Lauf von vier bis sechs Monaten vorhanden sein. [Einschub im Sommer 2022: nach den Debakeln von COFAG und Wien Energie sollte just dieses Argument kaum noch von der Hand zu weisen sein…]

Ein „neues Österreich“—jetzt!

Angesichts der aktuellen Lage verbleibt dies der einzig verbleibende Ausweg, bevor wir wie der Zauberlehrling von den Folgen unseren eigenen Handlungen überwältigt werden. Wer nun aber einwendet, dass dies ein Experiment mit unabsehbaren Risiken ist: da haben Sie wohl recht, doch die absehbaren Risiken des bevorstehenden Weiterwurstelns bis 2024 oder danach sind zweifelsfrei (noch) größer.

Anders—in Abwandlung von Winston Churchills Diktum—formuliert: mir fällt nichts Besseres ein, um die Spaltungen unserer Gesellschaft zu überkommen. Garantien für ein Gelingen gibt es keine, aber die Risse, die sich quer durch unsere Familien, Freundes- und Arbeitskreise ziehen, sind gefährlicher.

Haben wir also Mut, uns unserer eigenen Verantwortung zu bedienen!

Ich weiß, dass dieser Vorschlag bei den Angehörigen der Politiker/innenkaste aller Parteien. nicht gut ankommen wird. Betrachtet man jedoch deren Aktivitäten und „Erfolge“ der letzten Jahre und Jahrzehnte, so erscheint dies aber deren einzige—und wohl auch letzte—Chance, der Bevölkerung und dem Land, dem sie ostentativ vorgeben „zur Verfügung zu stehen“, tatsächlich einen Dienst zu erweisen.

***

Nachtrag im Sommer 2022: angesichts der bevorstehenden Umbrüche und Verwerfungen, die durch die Energie- und Versorgungsverhältnisse in den nächsten Wochen und Monaten gewiss (noch) prekärer werden, seien die folgenden Argumente den oben ausgeführten Überlegungen angehängt.

Warum die Misere rund um COFAG und Wien Energie so schlimm sind, ergibt sich aus der näheren Betrachtung: da ist zum einen die Tatsache, dass die Bundesregierung eine neue Gesellschaft mit beschränkter Haftung (die COFAG) gegründet hat, um die Corona-Unterstützungen auszuschütten.

Jenseits der mittlerweile bekannten zweifelhaften Tätigkeiten von deren handelnden Akteuren—über den entsprechenden Rechnungshof-Bericht haben ja auch die „Leit- und Qualitätsmedien“ berichtet (z.B. der „Falter“ oder der ORF)—bleiben die folgenden zwei Fragen offen, die scheinbar „zu viel des Guten“ für die Journalist(inn)en des Landes waren:

Warum hat man sich trotz bestehender Strukturen (Bundesfinanzierungsagentur) überhaupt eines anderen, neuen Vehikels bedient? Nur weil Sars-Cov-2 ein „neues“ Virus ist, heißt dies nicht, dass man gleich eine neue Instanz braucht (COFAG), um staatliche Gelder an eine Vielzahl von Empfänger auszuteilen.

Von zwielichtigen Beratungsverträgen zu Ungereimtheiten enthält der Vorbericht des Rechnungshofes eine Vielzahl von Versäumnissen, die wohl ein gefundenes Fressen für Angehörige der 4. Macht im Staate—wie auch für umtriebige Justizbehörden—wären. Weit gefehlt, so fällt hierzu der Stand der Dinge Ende August 2022 aus.

Das Ende der 2. Republik ist schon hier

Doch diese Umtriebe, die im Übrigen alle etablierten Fraktionen in fröhlicher Kollaboration gegen den Souverän—uns, die Bürgerinnen und Bürger vereint—sind kein „Betriebsunfall“, sondern „part of the game“ (Uwe Scheuch): von der Hypo Alpe Adria über das Vernichten von Festplatten aus dem Bundeskanzleramt und von Ibiza zu COFAG und Wien Energie, da fragt man sich als denkender Mensch eigentlich schon:

Sind „wir Österreicherinnen und Österreicher nicht doch so?, um den gegenwärtigen Bundespräsidenten van der Bellen zu paraphrasieren, der im Kontext der Ibiza-Affäre vehement das Gegenteil behauptete.

Ich denke, so sind „wir Österreicherinnen und Österreicher“ nicht—aber die Frage, um die es hierbei geht ist doch: wie lange wollen wir uns diese Machenschaften noch gefallen lassen?

Der Elefant im Raum ist—die Frage nach der Insolvenz der Länder

Wiewohl pointiert formuliert, so sind die Machenschaften der etablierten Fraktionen jedoch auch ein übergeordnetes Problem, vor dem wir unsere Augen nicht verschließen sollten: worum es bei all diesen Großskandalen der letzten zwei Jahrzehnte eigentlich geht ist die verfassungsrechtlich ungeklärte Frage, was im Falle der Zahlungsunfähigkeit eines Bundeslandes geschieht.

Offenbar schweigt sich die Bundesverfassung darüber aus, was—meinem Verständnis nach—die fragwürdige Entscheidung der Bundesregierung unter Werner Faymann (SPÖ) erklärt, warum Josef Pröll (ÖVP) in einer Nacht- und Nebelaktion die Hypo Alpe Adria um einen symbolischen Euro zurückkaufte. Wer in diesem Kontext nicht an die Bayerischen Justizbehörden denkt, die offensichtlich von Wien nicht beeinflussbar waren, mag sich seinen Teil dazu denken.

Wir erleben dieser Tage mit der Misere der Wien Energie eine vergleichbare Situation: das Land Wien, angeführt von Michael Ludwig (SPÖ) und dessen Juniorpartner NEOS, ist am Ende der Kreditwürdigkeit angelangt. Bis anhin hat man im Wiener Rathaus versucht, die Angelegenheit unter den Tisch zu kehren, wobei man aber nun im Spätsommer keinen Ausweg mehr sah, als sich händeringend an die Bundesregierung zu wenden (und gleichzeitig die Kritiker verteufelte).

Im Kontext der erwähnten Umstände werden die skurrilen Szenen der letzten Tage—hier finden Sie etwa einen recht guten Überblick in der „Süddeutschen Zeitung“ (30. Aug. 2022)—verständlich: da stehen etwa die Angehörigen der Bundesregierung in einer hastig improvisierten Pressekonferenz da und erklären, von all diesen Dingen nichts gewusst zu haben, beziffern aber den Geldbedarf der Wien Energie mit rund zwei Milliarden Euro.

Die Situation—gut zusammengefasst von Thomas Oysmüller—ist also ernst, aber nicht hoffnungslos. Immerhin hat die Bundesregierung (nolens volens) der Kreditvergabe in Milliardenhöhe am heutigen 31. August zugestimmt und den Ernstfall immerhin vorläufig abgewendet.

Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende

Machen wir uns nichts vor: nicht nur reicht es, sondern viel länger geht dieses „System“ nicht mehr weiter. So oder so ist es wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis die 2. Republik zugrunde geht.

Unter den gegebenen Umständen scheint es geboten, proaktiv die unbrauchbar gewordenen Bestandteile vorbeugend zu entfernen und den notwendigen Umbau unter halbwegs stabilen Bedingungen in Eigenregie und unter Bürger(inn)enbeteiligung vorzunehmen.

Weiterwurschteln wie bisher, mit der Aussicht, diese Verhältnisse bis zur nächsten Nationalratswahl (2024) weiter zu erdulden, scheint angesichts der überlappenden Probleme—von Covid-Maßnahmen über die Energiekrise über den Ukraine-Konflikt und die Sanktionen gegen Russland bis hin zu den massiven Interessenskonflikten und der so weit verbreiteten Korruption der Politiker(innen)kaste—keineswegs der vernünftigste Weg.

Packen wir es also an: es gibt sehr viel zu tun.


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