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Im Rausch der Krisen

Published On: 14. September 2022 16:00

Man kann und muss die katastrophalen Zustände dieser Tage immer aufs Neue beschreiben, sollte aber auch beginnen, darüber nachzudenken, was für die Errichtung einer neuen Ordnung zu tun ist. Die Gedanken sind frei. 

„Bei ihren Veränderungen pflegen die meisten Staaten, von der Ordnung zur Unordnung überzugehen, um dann von Neuem von der Unordnung zur Ordnung zurückzukehren.“ Wann wurde das geschrieben, gestern, vorgestern, vor einer Woche, einem Monat einem Jahr?

Die Vermutung liegt nahe. Doch hat das Zitat bereits einige Jahrhunderte überdauert. Es datiert aus der Hochzeit der italienischen Renaissance um 1500, als der zur Schau gestellte Luxus herrschender Schichten ins politische Chaos führte. Sicher, es entstanden damals großartige Kunstwerke, die wir bis heute bewundern. Man denke nur an das bildkünstlerische Schaffen Leonardo da Vincis. Gleichzeitig verwandelte sich aber die gewohnte Ordnung der Gesellschaft zur Unordnung. Einer, der das schärfer als die meisten erkannte, war der Philosoph, Diplomat und Schriftsteller Niccolò Machiavelli, dem wir den zitierten Satz verdanken. 

Dass er uns heute in den Ohren klingt, als sei er eben erst geschrieben worden, mag belegen: Auch wenn sich die Geschichte nicht simpel eins zu eins wiederholt, so verläuft sie doch nach zyklisch wiederkehrenden Grundmustern, mehr oder weniger schrecklich oder eher harmlos.  

Jedenfalls wird derzeit kaum jemand noch ernsthaft bestreiten wollen, dass der Staat eben dabei ist, von der Ordnung in die Unordnung zu stürzen. Wann immer man die Symptome dieser Entwicklung anprangert, kritisch über die Corona-, die Flüchtlings-, die Energiepolitik-, oder die Finanzkrise schreibt, darf man sich als Autor – nicht zuletzt auf der Achse – beipflichtender Zuschriften erfreuen. 

Die klammheimliche Vorfreude auf die Katastrophe

Die Leser versichern dem Autor, einer Meinung mit ihm zu sein, solange er mit der Feder auf diejenigen zeigt, die Schuld an den zunehmend bedrohlicheren Zuständen tragen. Fragt er dann aber, was selten genug geschieht, wie sich die Situation ändern ließe, erinnert er gar daran, dass es schließlich der Souverän, nämlich das Volk sei, das sich einbringen müsste, um von der Unordnung wieder zu einer neuen Ordnung zu gelangen, bläst ihm ein Wind der Empörung ins Gesicht.

Erstens wird aufgezählt, welche Fehler der Regierenden in seinem Artikel nicht erwähnt wurden. Soll heißen, dass die Probleme noch viel größer sind als dargestellt. Und zweitens hält man dem Schreiber vor, nicht ganz bei Trost, ein Idealist, ein Träumer zu sein, wenn er glaubt, es ließe sich überhaupt etwas ändern. Lieber als selbst Verantwortung zu übernehmen, gefällt man sich in der Rolle als Opfer überforderter Volksvertreter.

Zwischen den Zeilen klingt Bedrohliches an: die klammheimliche Vorfreude auf den Eintritt der Katastrophe als Rache an denen, die sie heraufbeschworen haben. Auch Angst kann sich zum Faszinosum auswachsen. Auch sie – und das ist eine weithin unterschätzte Gefahr – kann eine Bedrohung darstellen, die kaum weniger schwer wiegt als jene, die auf das Konto der Hybris dilettierender Politiker geht. Die Abrechnung mit dem Alten mag für den Moment emotional erleichternd wirken. Wer sich die Wut und den Zorn aus der Seele schreit, erlöst sich wie auf dem Theater vom Affekt, nur – was ist damit für die Zukunft gewonnen?

Das Leiden an Phantomschmerzen

Bleiben wir ausschließlich fixiert auf den Zusammenbruch der alten Ordnung, könnte es uns nach einem solchen leicht ergehen wie manchen mutigen Bürgerrechtlern der DDR, die nach dem Ende des SED-Staates unter einem politischen Phantomschmerz litten. Die strenge und durchaus notwendige Aufdeckung des Versagens unserer politischen Klasse hat auch einen Pferdefuß, insofern sie betörend wirken kann, der Vernunft nicht immer zuträglich ist, sich zu einer Lust am Draufschlagen zu steigern vermag.  

Das allein bringt aber nichts. So viel wir der hochmütigen Obrigkeit an den Kopf werfen mögen, bessern wird sie sich deshalb nicht. Dass die alten Täter etwas Neues aufbauen könnten, wenn man ihnen nur genug Druck macht, ist pure Illusion. Zwar gab sich Robert Habeck in den ersten Wochen als Vizekanzler und Wirtschaftsminister auffällig geläutert, erweckte gar den Eindruck, die ideologisch Energiepolitik der Grünen revidieren zu wollen; unterdessen jedoch dreht er schon wieder bei.

Wie der Rest seiner Kabinettspolitik kann er nicht über den eigenen Schatten springen. Der Kanzler, der das gleichwohl versucht, brilliert dabei schamlos mit dreister Verlogenheit. Wenn er heute über die Vorgängerregierungen herzieht, als habe er ihnen nicht selbst nahezu 12 Jahre angehört und mitbeschlossen, woran er jetzt nicht gern erinnert werden will, bringt er sich selbst um den Rest an Glaubwürdigkeit. 

Die politische Therapie: Verbannung der Versager aus den Führungspositionen

Nein, von ihnen, den gewählten Obrigkeiten, wird eine neue Ordnung nicht zu erwarten sein. Denn „der größte Feind der neuen Ordnung“, um nochmals mit Machiavelli zu sprechen, „ist, wer aus der alten seine Vorteile zog“. Mit anderen Worten, von denen, die die Karre in den Dreck gefahren haben, darf man nicht erwarten, sie könnten sie wieder flott machen. Das wäre gegen die menschliche Natur. Den nötigen Umschwung können nur jene leisten, die bisher noch im Stadium der notwendigen Anklage verharren.

Fraglos ist es richtig und notwendig, den politischen Rosstäuschern, Beschwichtigern und Lügnern in der Regierung die Maske vom Gesicht zu reißen. Den Hochstaplern auf den Zahn zu fühlen, ist allemal ein notwendiger Schritt politischer Analyse. Nur sollte über die Diagnose die politische Therapie, die Verbannung der Versager aus den Führungspositionen, nicht vergessen werden.

Die dann vielfach vorgebrachte Frage, wie denn das gehen solle, da die Übeltäter nun mal die Herrschenden seien, ist nichts als eine wohlfeile Entschuldigung eigener Anpassung an die Misere. Dass das Volk die Macht seiner auftrumpfenden Anführer weniger fürchten muss als das gemeinhin der Fall ist, haben die Untertanen der Länder des Ostblocks 1989 eindrucksvoll bewiesen. Den stolzen „Demokraten des Westens“ klappten vor Staunen die Kinnladen herunter. 

Nach der Tragödie kommt die Komödie

Nun soll hier nicht dem Unmöglichen, der simplen Wiederholung der Geschichte das Wort geredet werden. Und umso weniger, als nach wie vor gilt, was Karl Marx in seiner 1852 erschienenen Schrift „Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte“ schrieb. Geschichte, die sich zunächst als Tragödie ereignet, erlebt ihre Wiederholung zumeist als „Lumpige Farce“ oder weniger hart ausgedrückt als „Komödie“. 

In der Tat würde ein Aufstand der Bürger in unserer wohlstandsgesättigten Gesellschaft wohl mehr oder weniger kläglich zusammenbrechen, mit immer mehr Hilfspaketen im Keim erstickt. Ein Narrenspiel, was aber nicht bedeutet, dass es keine anderen Möglichkeiten gibt, der stümperhaft agierenden Politik die Gefolgschaft zu versagen, sogar mit ihren eigenen Mitteln. Warum, frage ich mich, lassen sich die Bürger alle vier Jahre zur Wahlurne treiben?

Die von den „demokratischen“ Parteien verbreitete Behauptung, wer nicht zur Wahl gehe, sei kein guter Demokrat, ist doch lediglich ein fadenscheiniger Einschüchterungsversuch, dummes Gewäsch. Denn wenn auf dem Wahlzettel nur Parteien stehen, die unisono das Gleiche versprechen, um ihren Platz an den Fleischtöpfen der Demokratie zu verteidigen, dann ist es auch das gute Recht des Bürgers, sich von diesem Spektakel fernzuhalten. So wie die Demokratie dem Bürger das Wahlrecht zugesteht, gesteht sie ihm auch das Recht zu, davon keinen Gebrauch zu machen.

Wenn die Wahlbeteiligung auf unter 10 Prozent fällt

Und nun stellen wir uns, rein hypothetisch, bitte einmal vor, die Wahlbeteiligung würde bei der nächsten Abstimmung über den Bundestag unter zehn Prozent sinken. Natürlich wäre die Wahl dann noch immer gültig, da es in Deutschland keine Untergrenze für die Abstimmung des Volkes über die Zusammensetzung des Parlaments gibt, allein, welche Autorität besäße eine derart konstituierte Versammlung noch? Bestenfalls die einer Sekte. Ihre Beschlüsse stünden von vornherein auf tönernen Füßen. Das Ausland müsste Deutschland nicht länger als ernstzunehmenden Verhandlungspartner ansehen. 

Im Sinne Machiavellis wäre der Zustand der vollendeten „Unordnung“ erreicht, die Zeit reif für eine neue Ordnung. Und dass sich dafür keine Volksvertreter, keine Repräsentanten fänden, ist das alte Ammenmärchen, mit dem die Mächtigen seit jeher das Volk, „den großen Lümmel“, wie Heine einst schrieb, „einzulullen“ versuchen. Hat es sich aber erst einmal ermannt, diejenigen, denen sie ohnehin nicht mehr über den Weg trauen, in die Wüste zu treiben, werden sich auch Männer und Frauen für die neue Ordnung finden. Immerhin zählt die Bundesrepublik Deutschland über 60 Millionen wahlberechtigte Bürger. 

Höchste Zeit also, weniger über den Verfall der Ordnung zur Unordnung als vielmehr über den Aufstieg aus der Unordnung zu einer neuen Ordnung nachzudenken.  

Die Überforderung, die vielen Fehlentscheidungen samt ihrer halbherzigen Rücknahme, Beispiel Kohleausstieg, das Hin und Her zwischen Ideologie und Pragmatismus, nicht zu reden von der Korruption, der Nutzung staatlicher Mittel für private Zwecke, all das kennen wir schon. Warum es so ist, das pfeifen die Spatzen inzwischen vom Dach des Reichstags: eine geradezu monarchische Machtanmaßung ohne Konsequenzen für die Profiteure. 

Man kann und muss diese katastrophalen Zustände immer aufs Neue beschreiben, sollte aber auch beginnen, darüber nachzudenken, was für die Errichtung einer neuen Ordnung zu tun ist. Die Gedanken sind frei, wie zu Machiavellis Zeiten. 

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