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Cancel Cuisine: Cheddar und Trüffel

Published On: 2. Oktober 2022 14:00

Ich habe nun den „Cheddar-Käse-Ring mit Pekannüssen und Erdbeermarmelade“ am eigenen Leib ausprobiert. Als Entschädigung für diese kulinarische Schauerlichkeit gönnte ich mir später das beste Trüffel-Gratin der Welt.

Journalisten sind bekannt dafür, oft und gerne auszuteilen. Deswegen sollte man, zwecks ausgleichender Gerechtigkeit, auch mal einstecken können. Ein bisschen Leiden muss sein, sonst verliert man den Anschluss an die Wirklichkeit.

Vor ein paar Wochen hatte ich nach dem Rezept für eine Spezialität gefahndet, die zu Zeiten von First Lady Rosalynn Carter Ende der 70er Jahre regelmäßig im Weißen Haus auf den Tisch kam, zum Schrecken des damals dort wirkenden Chefpatissiers Roland Mesnier. Ein pikant angemachter Käse, serviert mit Erdbeermarmelade. Wie Leser herausfanden, handelte es sich dabei um den seinerzeit in den USA, vor allem in den Südstaaten, populären „Cheddar Pekan Cheese Ring with Strawberry Preserves“. Weil Monsieur Mesnier das Gericht so unbeschreiblich grauenerregend fand, dass er es in seiner Autobiografie erwähnte, wollte ich es einmal nachkochen. Vielleicht würde man ja auf eine zu Unrecht in Misskredit geratene Delikatesse stoßen.

Zunächst galt es, die nötigen Zutaten zu beschaffen. Die wichtigste ist Cheddar-Käse. Der liegt zwar in jedem Supermarkt im Kühlregal, perfekt in Scheiben geschnitten und eingeschweißt, weil man damit Cheeseburger herstellt. Doch handelt es sich hierbei quasi um ein industriell hergestelltes Analogprodukt, das erst bei Zuführung von Hitze einen gewissen Geschmack entwickelt. Richtigen, handwerklich produzierten Cheddar, noch dazu einen gereiften, bekommt man schwer in Deutschland, wobei auch der Brexit eine Rolle spielt. Und für Rosalynn Carters Cheese-Ring wird ausdrücklich reifer Cheddar verlangt.

Der beliebteste Käse im Vereinigten Königreich

Schmelz- und Scheiblettenkäse meide ich wie die Pest. Aber mir kam bislang auch jener Cheddar suspekt vor, wie er in manchen Käsegeschäften ausliegt, in rechteckigen, homogenen Blöcken, zuweilen schreiend orange gefärbt. Ich mag es nicht, wenn Käse gefärbt wird, was auch in Dänemark üblich ist. Für mich ist Großbritannien, im Gegensatz zu Italien und natürlich Frankreich, einfach kein Käseland. Dafür haben die Briten ein Königshaus.

Ursprünglich stammt der neben dem Stilton, einem bemerkenswerten Blauschimmelkäse, bekannteste angelsächsische Käse aus dem Dorf Cheddar in Sommerset im Südwesten Englands. In der gleichnamigen Schlucht am Rande des Dorfes gibt es eine Reihe von Höhlen, die eine ideale Luftfeuchtigkeit und konstante Temperaturen für die Reifung des Käses bieten. Mit dem besonderen Herstellungsverfahren des „Cheddaring“ wird dem Käsebruch besonders viel Molke entzogen, was zu einer kompakten Textur ohne Löcher führt, deren Vorhandensein auf Qualitätsmängel hindeuten würde.

Cheddar-Käse musste traditionell in einem Radius von 48 Kilometern um die berühmte Kathedrale von Wells in Sommerset hergestellt werden. Heute gibt’s ihn überall. Cheddar ist nicht nur der mit Abstand beliebteste Käse im Vereinigten Königreich, sondern auch mit einem Pro-Kopf-Jahresverbrauch von 4,5 Kilogramm der zweitbeliebteste in den USA – nach dem Mozzarella, wobei es sich natürlich nicht um Büffelmozzarella handelt, sondern um jene weißen Plastikkugeln, die es in Sachen Geschmacksneutralität jederzeit mit Scheiblettenkäse aufnehmen können.

Sehr apart, aber teuer

In der galaktischen Fressabteilung des Berliner KaDeWe gelang es mir, hinreichend gereiften Cheddar zu erstehen, mit einem festen, aber noch nicht bröseligen Teig und einem nussig-intensiven Geschmack, inklusive der typischen Bitternote – am ehesten vergleichbar mit einem alten italienischen Provolone, dabei aber fettreicher. Es handelte sich zwar nicht um einen nur in sehr kleinen Mengen, vielleicht sogar mit Rohmilch hergestellten Farmhouse-Cheddar, aber doch um ein Qualitätsprodukt.

Mit rund 50 Gramm Fett in der Trockenmasse ist Cheddar kalorienmäßig kein Leichtgewicht. Das ist insofern von Bedeutung, als man für einen Cheddar Pekan Cheese Ring à la Rosalynn Carter dem grob geraspelten Käse ein paar Löffel Mayonnaise hinzufügen muss, um eine streichfähige Paste zu erhalten. Ich erstand, ebenfalls im KaDeWe, ein aus den USA importiertes Produkt, das deutlich weniger süß daherkommt als hiesige Fertigmayonnaisen. Sehr apart, aber teuer. Dann hob ich noch vorschriftsgemäß klein gewürfelte, rohe Zwiebeln unter und röstete eine Handvoll Pekannüsse, mit denen die Käsezubereitung garniert wird. Der Fettgehalt erhöhte sich damit noch einmal um gefühlte hundert Prozent.

Auf die Ausformung eines Rings mit der Erdbeermarmelade in der Mitte verzichtete ich, weil man dafür Unmengen der Masse benötigt, wobei schon ein Teelöffel ausreicht, um ein Gefühl der Sättigung hervorzurufen, selbst wenn man keine fettigen Cracker dazu isst, sondern mageres Toastbrot. Einen zweiten oder gar dritten Löffel sollte man sich nur dann genehmigen, wenn man zuvor den ganzen Tag auf einem Erdnussfeld gearbeitet oder in einem Umkreis von 48 Kilometern die Kathedrale von Wells umrundet hat.

„Schauerliche Neue-Welt-Obazda“

Geschmacklich ist die süß-saure Kombination von kräftigem Käse, rohen Zwiebeln und Erdbeermarmelade akzeptabel, wenngleich nicht besonders raffiniert. Vielleicht am ehesten geeignet für einen Kindergeburtstag. Aber dann kann man auch gleich bei McDonald’s buchen und für die Kids eine Runde Cheeseburger ordern. Das Körpergefühl nach anteiligem Genuss eines Cheddar Cheese Rings ist das gleiche wie nach einem ausgiebigen Fastfood-Menü – man ist satt und hungrig zugleich. Der Rest der Testspeise landete, ich gestehe es freimütig, im Mülleimer. Das wäre doch ein Quäntchen Leids zuviel gewesen.

Ein Gutes hatte die Beschäftigung mit den Abgründen der US-amerikanischen Kulinarik. Mir schrieb nämlich ein Leser aus Australien, genauer gesagt aus Mosman, einem beliebten Vorort von Sydney, der als ausgewanderter Teutone dortselbst seit 2003 einen Deutschkurs „gehobener Ansprüche und Erwartungen mit internationaler Beteiligung“ abhält und als Unterrichtsmaterial auch meine Cancel Cuisine-Beiträge heranzieht. Er könne sich, wie er schrieb, zwar nicht für den „schauerlichen Neue-Welt-Obazda“ begeistern, übermittelte dafür aber ein Rezept für ein Neue-Welt-Trüffelgratin, das ich gerne weitergebe. Die Trüffel dazu können, müssen aber nicht aus Namibia stammen.

Dazu erzählte er diese Geschichte: „Der Postbote, der das wunderbare Paket (mit den namibischen Trüffeln) durch den Garten fast bis in die Küche trug, tat solches mit angewidert abgewandtem Gesicht (und wird wohl den Rest des Tages mit heruntergekurbelten Scheiben ausgeliefert haben; denn solch wunderbares Aroma schafft keine Klimaanlage mehr!) Die gesamte Lieferung Trüffel namibischer Provenienz verschwand sofort in einem Kartoffelgratin, der den seltsamen Spruch des leider viel zu früh verstorbenen, genialen (britischen „cookery writers“) Jeremy Round, „A tiny bit, a hint of truffle, has a phenomenal effect“, Lügen straft. Phänomenal hingegen war mein Trüffelgratin, und als Beilage kommt nur eines infrage: Ein voll ausgereifter, schwerer, französischer Rotwein! 

Hier das Originalrezept für ein „Trüffel-Gratin oder wie man das meiste aus Trüffeln macht“:

450 g festkochende Kartoffeln

25 g Butter

eine halbe Knoblauchzehe

4-6 mittelgroße Trüffel

275 ml Schlagsahne

1 Esslöffel Wasser

Salz, Pfeffer

Die Auflaufform mit Knoblauch einreiben und reichlich mit Butter betreichen. Die Kartoffeln und die Trüffel in sehr feine Scheiben schneiden. Beide abwechselnd zu Schichten legen, mit der Kartoffel beginnen und enden. Jede Schicht gut würzen. Das Wasser mit der Sahne mischen und über das Gratin gießen. Mit Butter bestreichen und bei 180° Grad 1 Stunde lang backen.

Die Menge ist ausreichend, je nach Appetit, für eine bis maximal vier Personen.

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