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Israel nach den Wahlen: König Bibi ist zurück

Published On: 3. November 2022 12:00

Das rechte Lager hat die Wahlen zur 25. Knesset gewonnen, das Mitte-Links-Lager liegt am Boden. Bibi Netanjahu hat sein zweites Comeback geschafft und schickt sich an, Israel aus der lähmenden Patt-Situation zu befreien. 

Bibi ist zurück. Nach Auszählung von 93 Prozent der abgegebenen Stimmen sieht alles danach aus, als könne der Block rechter Parteien eine komfortable Mehrheit von 65 der 120 Sitze in der Knesset erreichen. Ausgezählt werden müssen noch Stimmen der Soldaten, des diplomatischen Personals im Ausland, der Insassen der Gefängnisse und einiger anderer Gruppen, doch ist es eher unwahrscheinlich, dass diese noch einen entscheidenden Einfluss auf das Endergebnis haben könnten. 

Die linke Meretz und Balad, die Partei der arabischen Hardliner, scheitern wohl knapp an der 3,25-Prozent-Hürde, womit letztlich zehn Parteien ins Parlament in Jerusalem einziehen dürften. Stärkste Partei mit ungefähr einem Viertel der Knesset-Mandate wurde Bibi Netanjahus Likud, gefolgt von der Zukunftspartei des aktuellen Premierministers Yair Lapid und den Nationalreligiösen um die rechten Shooting-Stars Smotrich und Ben-Gvir. Dahinter rangiert die Partei der „Nationalen Einheit“ (Mitte) von Ex-Premier Benny Gantz, Shas (die Partei der religiösen Mizrachim, also der orientalischen Juden, um den ewigen Arye Deri), das Vereinigte Thora-Judentum (ashkenasisch-ultraorthodox), „Unser Haus Israel“ von Avigdor Lieberman, den beiden arabischen Parteien Ra’am und Hadash-Ta’al und der guten alten Arbeitspartei, die einst drei Jahrzehnte die israelische Politik dominierte und mehrere Ministerpräsidenten stellte, heute jedoch nur noch ein Schatten ihrer selbst ist und, wenn sie überhaupt die Hürde schafft, nur noch auf schlappe vier Mandate kommt. 

Die fünfte Wahl binnen weniger als vier Jahren war notwendig geworden, weil der Acht-Parteien-Koalition, die im Juni zerbrach, von Anfang an keine lange Lebensdauer beschieden war. Parteien aller Couleur von rechts bis links, inklusive einer arabischen, hatten sich zusammengetan, mit dem einzigen gemeinsamen Nenner, Netanjahu loszuwerden. Das konnte auf Dauer nicht gutgehen, und das unnatürliche Bündnis fiel vorzeitig auseinander. Anders, als man in Deutschland denken mag, spielte das Verhältnis zu den Palästinensern im Wahlkampf keine herausragende Rolle. Nach den Erfahrungen, die man mit Arafat und seinem Nachfolger Abu Mazen (Mahmud Abbas) gemacht hat, glauben nur noch die wenigsten Israelis, dass mit der palästinensischen Autonomiebehörde ein Frieden zu erreichen sein könnte, der diesen Namen auch verdient. 

Klima- und Geschlechtergedöns waren keine Wahlkampfthemen

Stattdessen spielten andere Themen eine Rolle. Neben der Sicherheit etwa lag den meisten Israelis wohl am Herzen, die lähmende politische Pattsituation zu beenden und endlich wieder eine stabile Regierung zu bekommen, außerdem ging es um Steuersenkungen, Schritte zur Bekämpfung der Teuerung, um Wohnungsbau (immer ein wichtiges Thema in Israel, die Bevölkerung wächst rasant, und das auf kleinem Raum), Projekte zur Ankurbelung der Wirtschaft, Unabhängigkeit der Justiz und Gewaltenteilung, Förderung strukturschwacher Regionen, weitere Verbesserung der Beziehungen zu arabischen Staaten bei gleichzeitiger Weigerung, den Palästinensern noch weiter entgegenzukommen.

Während es den Haredim – wie immer – darum geht, möglichst viele Vorteile für sich herauszuschlagen, zielt Liebermans Streben eher darauf ab, den Strengreligiösen ihre Privilegien zu streichen. Die arabischen Parteien wiederum haben ganz andere Anliegen: Abbau der Siedlungen im Westjordanland, die Schaffung eines Palästinenserstaates, Abschaffung von ihrer Ansicht nach „rassistischen“ Gesetzen, Erhöhung des Mindestlohns et cetera. Klima- und Geschlechtergedöns und ähnliche Luxusprobleme treiben die pragmatischen Israelis eher nicht um, es geht um Handfestes.

Eine Verliererin dieser Wahl ist Merav Michaeli, die es geschafft hat, die altehrwürdige Avoda (Arbeitspartei) mit ihrer Weltfremdheit so weit herunterzuwirtschaften, dass sie um den Verbleib in der Knesset bangen muss. Eine zweite ist die agile Innenministerin Ayelet Shaked, einst Mitstreiterin von Naftali Bennett nach der Ausbremsung von Bibi Netanjahu. Ihre Partei holte nur 1,8 Prozent.

Benny Gantz‘ Partei der Nationalen Einheit hat einer Beteiligung an einer Regierung unter Netanjahu bereits eine Absage erteilt und will in die Opposition gehen.

„Bibibibitte, nicht der schon wieder!“

Große Gewinner der 25. Wahlen zur Knesset sind der knallrechte Itamar Ben-Gvir, der aus einer Splitterpartei die drittstärkste Fraktion im Parlament machte und damit zum Königsmacher avancierte, und natürlich Benjamin „Bibi“ Netanjahu. Der mittlerweile 73-Jährige, der schon von 1996–1999 sowie von 2013–2021 Regierungschef war und mit diesen insgesamt 15 Jahren bereits Rekordhalter ist und damit den legendären Staatsgründer David Ben-Gurion überflügelt hat, hat sein zweites Comeback hingelegt. „Bibibibitte, nicht der schon wieder!“ barmte die taz bereits am 28. Oktober, das von ihr so empfundene Unheil vorausahnend.

Nach Lage der Dinge wird Bibi wohl  mit den Nationalreligiösen sowie zwei Haredi-Parteien (Shas und Vereinigtes Thora-Judentum) eine Koalition schmieden, die länger halten dürfte als die Kabinette seit seiner Verdrängung aus dem Amt im Juni 2021. Es wird auf jeden Fall eine, die, zu Recht oder nicht, in unseren Netanjahu eher nicht zugeneigten Medien als die „rechteste Regierung, die Israel je hatte“ bezeichnet werden wird. Diverse Strafverfahren unter anderem wegen Vorteilsnahme im Amt hat Bibi, der von manchen Anhängern als „König von Israel“ gefeiert wird, zwar noch am Hacken, aber zur Stunde ist der mit allen Wassern gewaschene Polit-Profi wieder einmal obenauf.

Was nicht heißt, dass es nicht schon bald nach der Bildung einer neuen Regierung richtig Ärger geben kann – vor allem mit dem engsten Verbündeten, den Vereinigten Staaten von Amerika. Sollte eine rechte Regierung unter dem Einfluss Ben-Gvirs in Bezug auf die Palästinenser eine Politik verfolgen, die manche von Israels Freunden nachhaltig verstört, seien sogar Sanktionen zu befürchten, so die Jerusalem Post.

Die nächsten Tage und Wochen werden zeigen, wohin die Reise geht.

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