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Was verspricht das „Bündnis Deutschland“?

Published On: 23. November 2022 14:00

Das „Bündnis Deutschland“ stellte sich der Presse vor und die berichtete weitgehend überraschend fair. Das Programm enthält all das, was viele Anhänger des gesunden Menschenverstands gerade in der deutschen Politik vermissen. Aber was vermögen die Parteigründer daraus zu machen?

Am vergangenen Wochenende gründete sich im hessischen Fulda eine neue bürgerliche Partei, das „Bündnis Deutschland“. Auf einer Pressekonferenz am Dienstag stellte der Bundesvorstand sich und das Parteiprogramm vor. Von sieben Vorstandsmitgliedern präsentierten sich fünf. Vorsitzender Steffen Große ist ehemaliger Journalist und seit 1994 Referatsleiter in der Sächsischen Staatsregierung, aktuell im Kultusministerium. Bis 2006 war er CDU-Mitglied, von 2011 bis 2020 bei den Freien Wählern und zuletzt deren Vorsitzender in Dresden. Nun steht er einer Partei vor, die ein Bündnis aus verschiedenen konservativen Gruppierungen sein will: „Die Christdemokratisch-Liberale Plattform (CLP), die Bürgerallianz Deutschland, Teile des Bürgerlich-Freiheitlichen Aufbruchs (BFA) mit ehemaligen Mitgliedern der CDU/CSU, SPD, Freien Wähler, FDP, AfD und LKR“, wie es in einer Pressemitteilung heißt.

Große präsentierte seine Partei als den Grundwerten Freiheit, Wohlstand und Sicherheit verpflichtet. Man setze auf die Eigenverantwortung der Bürger, wolle „mehr Netto vom Brutto“, einen Wirtschaftsaufschwung sowie Schutz vor Kriminalität und eine Verbesserung der Infrastruktur im ländlichen Raum. Politik, die auf die realen Bedürfnisse der Bürger eingehe. Man sehe eine Repräsentationslücke im bürgerlichen Bereich, der Wähler bekomme letztlich immer Rot-Grün oder wenigstens Rot-Grün dazu, da aktuell die AfD als Koalitionspartner ausfalle. Ein Blick ins Parteiprogramm verrät außerdem, dass das Bündnis eine Covid-Impfpflicht ablehnt und sich gegen eine unkontrollierte Migration ausspricht. Man betont außerdem, eine ideologiefreie Politik betreiben zu wollen. Die Partei würde demnach also im Grunde für alles stehen, wozu der gesunde Menschenverstand ohnehin raten würde. Das wäre ja schön. Bieten nun die Gründer hinreichend Anlass zur Hoffnung, dass die neugegründete Truppe das auch schaffen kann?

Jonathan Sieber, Jahrgang 1998 und Jura-Student, ist Beisitzer und der Jüngste in der Runde. Bis zum September dieses Jahres war der gebürtige Dresdner noch Mitglied der CDU, doch deren letzter Parteitag sorgte dafür, dass er sich lieber verabschiedete. Die Ankündigung der vorgeblich konservativen Union, eine Frauenquote einführen zu wollen, ist für ihn die Anpassung an eine Ideologie. Damit würden Lebenschancen von äußeren Eigenschaften abhängen. Dies erinnere ihn an Erzählungen seiner Eltern, die die DDR miterlebten. Damals sei es mitunter nicht möglich gewesen zu studieren, wenn man nicht aus einer Arbeiterfamilie stammte. Ein durchaus origineller Vergleich.

Durch die Form vom Inhalt abgelenkt

Walter Münnich war als Diplom-Maschinenbauingenieur Vorstandsvorsitzender eines börsennotierten Unternehmens und hatte später Leitungsfunktionen in weiteren mittelständischen Unternehmen. Von 2007 bis 2015 war er Mitglied der CDU und seit 2021 ist er Mitglied im Verein Bürgerlich-Freiheitlicher Aufbruch, mittlerweile als kooptiertes Vorstandsmitglied. Seine Kernthemen sind unter anderem die Energieversorgung und dahingehend eine Neubewertung der verschiedenen Energieformen unter den Gesichtspunkten Versorgungssicherheit, Preis, Umwelt- und Artenschutz und „nicht nur Klimaschutz“, wie er betont.

Als jahrzehntelanger Protagonist der freien Wirtschaft sorgt sich der 73-Jährige vor allem um einen Rückgang der Neugründungen von Firmen in Deutschland, vor allem im Vergleich zu einem viel kleineren Land wie Israel. Dass er den Begriff Start-Up als „Schtart-Ab“ ausspricht, sorgt bei dem jungen Vertreter eines großen Mediums neben mir für Erheiterung, so dass er eine Flugzeuggeste in Richtung eines Kollegen zeigt. Große Teile der Presse scheinen sich ständig durch die Form vom Inhalt abgelenkt zu fühlen.

Wie Mario Thurnes amüsiert bei Tichys Einblick schreibt, sorgte Walter Münnich für Irritation, als er erklärte, dass er 2015 aus der Union ausgetreten sei und sich dann aber herausstellt, dass es ihm nicht um die Flüchtlingspolitik, sondern um die Erhöhung der Gewerbesteuer in seinem Heimatort Hamminkeln (NRW) gegangen sei. Dies habe die CDU gemeinsam mit den Grünen beschlossen, obwohl er als Vorstand der Mittelstandsvereinigung seiner Partei immer wieder darauf hingewiesen habe, dass die heimische Wirtschaft überlastet sei.

Aktuelle Energiepolitik höchst bedenklich

Dr. Ellen Walther-Klaus warnte als Energieexpertin vor einem Blackout. Die 69-Jährige studierte Mathematik, Physik, Informatik und Philosophie, promovierte im Fachgebiet Logik und Wissenschaftstheorie. Sie war unter anderem Strahlenschutzbeauftragte von Nordrhein-Westfalen und hatte Leitungsfunktionen bei Siemens und Mannesmann. Auch sie ist ein Unions-Urgestein, war nach über 35 Jahren CSU-Mitgliedschaft noch bis diesen Oktober Vize-Landesvorsitzende der WerteUnion in Bayern. Es sei am Ende nicht mehr möglich gewesen, eine vernunftgeleitete Politik in der Union zu betreiben.

Sie betonte, dass die aktuelle Energiepolitik höchst bedenklich sei, erneuerbare Energien seien dadurch, dass man sie momentan nicht speichern könne problematisch, „grüner Wasserstoff“ funktioniere bislang auch nicht. Wenn, dann müsse man den Bereich der erneuerbaren Energien gründlicher erforschen, doch bei diesem Unterfangen sei Deutschland derzeit nicht mehr dabei. Als ich nach der Einstellung der Partei zur Atomkraft frage, mustert sie mich kurz und erklärt dann behutsam, dass alle Energieformen, die die Machbarkeit einer Versorgung gewährleisten, in Betracht gezogen werden müssen. Da sie nicht weiß, von welchem Medium ich komme, erwecke ich wohl den Eindruck, dass mich ein derartiges Bekenntnis verstören könnte. Freundlich, aber bestimmt erklärt sie dann, dass zu diesen Energieformen auch die Kernkraft gehöre und bittet darum, dass man nicht Atom-, sondern Kernkraft sage. Mich hat sie von ihrer Fachkompetenz überzeugt.

Von der Ausrichtung her liegt das „Bündnis Deutschland“ also größtenteils auf einer Wellenlänge mit AfD oder den Freien Wählern. Eine Kollegin mittleren Alters stellt auf der Pressekonferenz treffend fest: Eigentlich verträte die neue Partei genau die Standpunkte, die man früher als vernünftige Unionspolitik bezeichnet hätte. Die Riege an ehemaligen CDU/CSU-Politikern spräche ebenfalls dafür. Die Fragen der Journalisten zielten daher größtenteils auf Ähnlichkeiten, Unterschiede und Abgrenzung zur Konkurrenz, namentlich der AfD ab. Und vor allen Dingen: Warum braucht es eine weitere bürgerliche Partei, diene dies nicht eher der Zersplitterung?

Fusions- und keine Splitterpartei

Der 28-jährige Niklas Stadelmann gehört ebenfalls zum Partei-Nachwuchs und führte als Generalsekretär eloquent durch die Veranstaltung. Hinsichtlich der Notwendigkeit einer weiteren bürgerlichen Partei führt er an, dass das „Bündnis Deutschland“ Fachausschüsse zu verschiedenen Themen, etwa zur Energiepolitik, gründen und auf dieser Basis sein Programm ausbauen wolle. Bis zum geplanten Parteitag im Januar sollen alle Fachauschüsse getagt haben. Angesprochen auf die AfD-Splitterpartei LKR, erklärt er, dass dies die One-Man-Show eines AfD-Abgeordneten gewesen sei und sich nach anfänglicher Medienöffentlichkeit als strukturloser Schnellschuss entpuppt habe.

Jonathan Sieber ergänzt, dass die Partei mittelständische Geldgeber im Rücken hätte. Angesichts des Zusammenschlusses verschiedener konservativer Gruppierungen betrachte er das „Bündnis Deutschland“ außerdem als Fusion und nicht als Splitterpartei. Die AfD nennt er in großen Teilen extremistisch, Protagonisten wie Tino Chrupalla, Alice Weidel oder Alexander Gauland seien keine Partner für eine bürgerliche Koalition. Es sei ein Unvereinbarkeitsbeschluss mit dem Flügel geplant. Kandidaten der AfD, die sich immer im „demokratischen Spektrum“ bewegt hätten, seien jedoch willkommen. Was genau an den zuvor verunglimpften AfD-Kandidaten „undemokratisch“ sei, verrät er hingegen nicht.

Vorstand Steffen Große möchte ungern über die Konkurrenz sprechen, betrachtet aber die AfD als Mitbewerber wie jede andere Partei auch und man wolle daher mit ihr einen respektvollen Umgang pflegen. Eine mögliche Koalition schließe er grundsätzlich nicht aus, allerdings nicht, wenn die Partei „extremistisch“ sei. Bislang gebe es zwei ehemalige AfD-Mitglieder in der Partei, darunter Markus Scheer, den er als „Organisationstalent“ bezeichnet.

Angesprochen auf die Freien Wähler, nennt er das aus seiner Sicht schlechte Wahlergebnis bei den vergangenen Bundestagswahlen von 2,4 Prozent als Grund für seinen Ausstieg. Er bescheinige dieser Partei keine Zukunft, auch weil sie ihre Prinzipien verworfen habe. Die Freien Sachsen hingegen seien nur regional tätig. Ich frage ihn, wie er es denn im Gegensatz zur Konkurrenz schaffen will, dem Totschweigen oder Niederschreiben einer größtenteils links-grünen Medienlandschaft zu entgehen. Er setze auf einen besseren Kommunikationsstil. Jonathan Sieber kritisiert zudem AfD-Begriffe wie „Kopftuchmädchen“.

Für heutige Politiker erstaunlich gut qualifiziert

Auf die Frage, wie man sich extreme Elemente oder Postenschacherer vom Leibe halten will, erklärt Generalsekretär Niklas Stademann, dass sich jeder Kandidat einem persönlichen Aufnahmegespräch unterziehen müsse und die jeweilige Personalie gründlich geprüft werde. Auch der Bundesvorstand soll hier eine Kontrollfunktion ausüben können, damit sich Kreisverbände nicht selbstständig machen können. Außerdem sei eine Probemitgliedschaft geplant. Die wenige Tage alte Partei habe bis jetzt offiziell 50 Mitglieder, es gebe jedoch Interessenten im vierstelligen Bereich. Nun sei die Bearbeitung von Mitgliedsanträgen möglich.

In den Fokus der Frage ihrer Berechtigung rückt die Partei eine selbst beauftrage, im November durchgeführte Insa-Studie. Demnach könnten sich 45 Prozent der Befragten grundsätzlich vorstellen, eine Partei zu wählen, welche sich gegen die Verwendung von Gendersprache in beziehungsweise von staatlichen Einrichtungen sowie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und für Steuersenkungen und eine bezahlbare Energieversorgung einsetzen würde.

Aber ist dies ein wirkliches Indiz dafür, dass die Wähler auf das „Bündnis Deutschland“ gewartet haben? Das, was ich in dieser guten Stunde von der Partei höre und sehe macht durchaus keinen schlechten Eindruck. Die Kandidaten wirken auf den ersten Blick sympathisch und aufrichtig an der Sache interessiert, mitunter beseelt vom Zauber des Anfangs und verblüffend motiviert. Und vor allem: Für heutige Politiker erstaunlich gut qualifiziert. Sicherlich gäbe es grundsätzlich Wählerpotenzial, ob die Partei es jedoch schaffen wird, dieses zu erreichen, wird sich zeigen. Bei den Wahlen in Bremen im kommenden Mai wird sie sich das erste Mal zu Wahl stellen.

Und natürlich wird ihr Erfolg oder Misserfolg auch von Medienberichten beziehungsweise der Darstellung auf eigenen Kanälen abhängen. Die Presse nahm die Neugründung bislang durchwachsen auf. „Bürgerlich, aber ohne Irre und Nazis“, titelt der Cicero, auch Susanne Gaschke bespricht die Neugründung in der NZZ wohlwollend. Recht fair berichteten auch die Stuttgarter Nachrichten, ebenso die Homepage der Tagesschau. Der Tagesspiegel titelte hingegen, die Partei werbe um „frustrierte Konservative“, ZDF Online schrieb hämisch: „Immer wieder kommt der Früh-AfD-Sound durch.“

AfD-Frau Erika Steinbach, Vorsitzende der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung, nannte die neue Partei eine „Totgeburt“. Lob von der Konkurrenz ist natürlich nicht zu erwarten. Dennoch bleibt abzuwarten, ob sie Recht behält.

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