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Die Erde ist ein Bildungsraum

Published On: 15. Januar 2023 0:05

Veröffentlicht am 15. Januar 2023 von Red.

Seit über 20 Jahren setzt sich Ueli Keller für alternative Lernformen ein. Hier beschreibt er seine Vision davon, wie Bildung im Netzwerk funktionieren kann.

«Die Schule ist für Bildung nicht der einzige Ort. Bildung bedeutet mehr als Schulbildung. Bildung und Erziehung können und dürfen wir nicht nur professionellen Pädagogen und Erzieherinnen überlassen. Die vielfältigen Talente der Kinder und Jugendlichen zur Entfaltung zu bringen – das ist eine der Hauptaufgaben von uns allen.» (Initiative «Lernwelt»)

Wird die Bildung in einem Netzwerk organisiert, kann die Schule ein Teil eines umfassend lebendigen Ganzen werden. Staatlich bleibt sie grundsätzlich im Pflicht- und Zwangskorsett gefangen. In einer Bildungslandschaft materialisiert sich Schule aber als ein Element einer Vielfalt von Lernorten im Dorf, Quartier oder Stadtteil. Mit dieser Öffnung sind Schritte in Richtung «frei und miteinander sich bilden» möglich. Mit Bildungsnetzwerken werden Lebens- und Lernwelten für die Bildung bewusster nutzbar. Ein Bildungsnetzwerk kann dafür ein Instrument sein.

Es bringt das Potenzial von Beziehungen unter Menschen und zur Welt für die Bildung von allen Beteiligten wirksam ins Spiel und zum Klingen. Aus meinem Europäischen Netzwerk «Bildung & Raum» sind mir zahlreiche Gemeinden und Städte bekannt, die sich umfassend als Lernorte verstehen und ihre Bildungsangebote in einem Netzwerk verbunden haben: in und mit vielfältig möglichen Formen. Bildungslandschaften sehe ich als einen konkreten Schritt weg vom Schul- und Konkurrenzzwang zu einem «frei sich bilden», wie dies auch mein Freund und Philosoph Bertrand Stern seit vielen Jahrzehnten in den Diskurs bringt: «frei sich bilden» verstehe ich als eine Vision, der das Konzept von «Lernwelten – Das Leben bildet» entspricht.

Menschen, die über die Ränder des gewohnten Systems schauen, lassen sich – was die Bildung anbelangt – oft von einer Vision «Leben ohne Schule» tragen. Um die Schule an sich geht es aber dabei häufig nur materiell und vordergründig. Substanziell und vital entscheidend in Frage gestellt sind damit eine Haltung und ein System, das sich mit Schulen konkretisiert und manifestiert. Mit Schulen, die zwangsweise besucht werden müssen, kann sich stillschweigend und untergründig ein System von Macht etablieren.

Alltäglich implizit unbewusst aber hoch wirksam inszeniert: im Hinblick auf das Lernziel aktiv ausgeübter oder passiv erduldeter Herrschaftsfähigkeit. Was unter der attraktiven Affiche «Bildung» zwangsveranstaltet wird, kann Menschen krank werden lassen und lebenslang traumatisieren. Bildung als Zwang steht in fundamentalem Widerspruch zu ursprünglich und urtümlich grundlegenden menschlichen Freiheiten. Es sind drei Freiheiten, «die für den grössten Teil der Menschheitsgeschichte als selbstverständlich galten, nämlich die Freiheit, sich an einen andern Ort zu begeben, die Freiheit, die Befehle anderer zu ignorieren, und die Freiheit, soziale Realitäten zu verändern oder neu zu erschaffen.» (David Graeber und David Wengrow: Anfänge. Eine neue Geschichte der Menschheit, 2021).

Freiheit ist unvereinbar mit Herrschaft. Herrschaft kann mit Macht und Gewalt, mit Wissen und Kommunikation sowie mit Engagement und Charisma begründet werden. Für Freiheit braucht es die Kraft und die Kokreativität des Herzens

«Die Bildungsaufgaben, die sich in der aktuellen Gesellschaft stellen, können Schulen nicht allein bewerkstelligen. Es braucht dafür Netzwerke für professionelle und verlässliche Kooperationen mit allen Akteur*innen, die sich in der Gemeinde oder im Quartier für die Entwicklung von Menschen engagieren. Ausserschulisch und schulisch gibt es eine Vielfalt von Know-how, das es – gemeinsam und partnerschaftlich organisiert – mit bestmöglicher Wirkung zu nutzen gilt. Eine solche Öffnung und Weiterentwicklung der Bildungsorganisation ist mit einer reichhaltigen Erweiterung der Palette von Bildungsangeboten verbunden. Durch die Vernetzung lässt sich zudem auch noch das Potenzial der Infrastruktur- und Raumressourcen besser ausschöpfen, die vor Ort bestehen. Und das alles für Kinder, Jugendliche und Erwachsene ohne unbezahlbar viele zusätzliche Investitionen.» (C. aus dem ABC einer Bildung für die Zukunft, © Ueli Keller 2018

Die Erde wird es so oder so weiter geben. Will auch die Menschheit eine Zukunft haben, muss sie im Kleinen wie im Grossen fundamental und vollkommen andere Wege gehen: unter vielem anderem auch und grundlegend bei der Bildung sowie insbesondere auch bei der Gestaltung und Nutzung von Lern- und Lebensräumen. Staatliche Schulen, so wie sie mehrheitlich geführt sind, platzen aus ihren Nähten. Für die konventionelle Bildungsorganisation fehlt es nicht nur an Betreuungs-, Lehr und Fachpersonen. Es mangelt auch an Schulraum: «Der Schweiz fehlen Hunderte Schulen und Kindergärten.» (NZZ am Sonntag, 26.6.2022).

«Immer noch mehr» geht aber auch beim Schulbau kaum mehr. Schlicht und einfach, weil dafür das Geld und der Platz fehlen. Mein Lösungsansatz ist seit gut 20 Jahren ein anderer. Das Konzept «Die Erde ist ein Bildungsraum» ortet in unseren diversen alltäglichen Lebenswelten unter vielem anderem auch ein grosses Potenzial an bestehenden Räumen für die Bildung. Nebenbei kann damit aus der Not von zu wenig Schulraum die Tugend für eine Bildungsorganisation werden, die den Bedürfnissen und den Potenzialen von allen Beteiligten zu 100 Prozent entsprechen kann.

Ohne immer noch mehr Aufwand und Kosten für Infrastruktur und Räume. Damit lässt sich nicht nur das Raumproblem kostengünstig und wirkungsreich lösen. Zugleich wird so auch ein Bildungskonzept realisierbar, das dem Anspruch für Vielfalt viel besser entsprechen kann als die reinen Unterrichtsschulen. Schulen bauen ist ein Teil der Wachstumsstrategie «Immer-noch-mehr-dank-immer-noch-mehr». Dafür müssen brutal viele Kubikmeter gebaut werden: beispielsweise in Form von Autobahnen, Firmengebäuden, Wohnhäusern … und auch in der Form von immer noch mehr Schulen. Aber braucht es überhaupt immer noch mehr Schulgebäude?

Die Frage, ob es für eine Bildung für die Zukunft noch Schulen braucht, wird selten gestellt. Als eine mögliche Option für die Gestaltung und Nutzung von Bildungs- und Lebensräumen setze ich mich aktuell und beispielsweise auch mit dem Konzept «Dritte Orte» auseinander. Mehr oder weniger bewusst aber implizit sehr bildungswirksam kann für Menschen jeden Alters ihr Zuhause und ihr Wohnumfeld in ihrem alltäglichen Lebensraum sein. Lebenswelten, wo sich Menschen ohne einen institutionellen Rahmen frei bewegen.

«Dritte Orte» wie beispielsweise eine Bibliothek, oder ein Brachland, oder ein Museum, oder ein Park, oder eine stillgelegte Fabrik, oder ein Spielplatz, oder eine Waldhütte, oder sozial relevante Treffpunkte im Quartier oder in der Gemeinde: auf den Alltagswegen der Menschen zwischen ihrem Zuhause, einem ersten Ort, und beispielsweise dem Arbeitsplatz, einem zweiten Ort. Dritten Orten wohnt eine kommunal- oder stadträumliche Bedeutung inne. Als Plätze, an denen die Bewohner*innen zusammenkommen, wirken sie inklusiv integrierend.

Implizit vermögen sie einen Beitrag für den sozialen Zusammenhalt und für Krisenfestigkeit zu leisten. Entsprechend nutzbar und genutzt können «Dritte Orte» über wirtschaftliche, kulturelle und soziale Diskrepanzen innerhalb der Bevölkerung hinweg als Quellen sozialräumlicher Resilienz wirken: als Orte des Zusammenkommens; als regelmässig, freiwillig, informell und freudig aufgesuchte Begegnungsplätze, die zugleich charakteristische und wiederkehrende Aufenthaltsqualitäten aufweisen.

Der «Dritte Ort» ist ein Ermöglichungsraum. Unter anderem auch für ein Peer-to-Peer-Lernen. Ohne Hierarchie verabreden sich Menschen thematisch zum Austausch. Es kommt, wer kommt. Keine Mindestteilnehmerzahl. Termin und Thema an ein Brett geheftet … und dann mal abwarten, ob die Idee auf Resonanz stösst. Die kommunale Kulturreferentin für Holziminden/Höxter, Katja Drews, vermittelt mit ihrem Beitrag «Was verändern Dritte Orte?» ein vielfältiges Know-how zu insbesondere deren soziokulturellem Potenzial: Beim Recherchieren für meinen Beitrag für das Buch «Lernwelten – Das Leben bildet» habe ich ernüchtert festgestellt, dass sich die staatliche Bildungsorganisation in den letzten 20 Jahren kaum substanziell weiter entwickelt hat: wahrscheinlich nach dem Motto: «Der Mensch leidet lieber am Gewohnten, als die Chancen von Neuem zu nutzen».

«Man kann Dinge niemals verändern, indem man die bereits existierende Realität bekämpft. Wenn du etwas verändern willst, erschaffe ein neues Modell, welches das vorhandene obsolet macht und ersetzt.» So steht es auf der Titelseite zum «Manifest der Neuen Erde»: mit beispielsweise einer Bildung, die sich als Potenzialentfaltung versteht. In diesem Sinne engagiere ich mich im Rahmen eines Netzwerks von Bildungsprojekten, die auf einem anderen Weg unterwegs sind: Ganz nach dem Motto: «Gemeinsam frei vernetzt». Mit Menschen, die sich zusammen austauschen. Mit Menschen, die sich gegenseitig bereichern und stärken wollen und die dies kokreativ auch tun.

Es braucht Veränderungen. Sie geschehen unabdingbar. Und sie sind notwendig, auch auf dem Gebiet der Bildung. Veränderungen beinhalten Herausforderungen und sind mit Chancen verbunden: es gilt sie zu meistern und sie zu nutzen. Loslassen, was Leerlauf ist. Aufstehen und weitergehen. Nicht verzagen. Anderes wagen. Es denken und es auch tun. Hier und jetzt. Und auch morgen. Bestmöglich zusammen mit anderen. Die aktuell entscheidende Frage ist: «Es jetzt tun … oder damit warten bis zum Kollaps?» In meinen diversen Denk- und Tätigkeitsfeldern bleibe ich mit Herz, Kopf, Hand und Fuss in Richtung einer Gesellschaft unterwegs, die zu 100 Prozent inklusiv ist. Nur so lassen sich Frieden und ein gutes Leben für alles und für alle – Steine und Pflanzen, Menschen und Tiere – schaffen. Es braucht dafür Kraft, Kreativität, Liebe und Mut. Und Lebensfreude anstatt Todesangst.

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Ueli Keller ist ausgebildet als Lehrer, Heilpädagoge, Supervisor- und Organisationsentwickler sowie als Bildungswissenschaftler. Er war 45 Jahre lohnerwerbstätig, davon zwölf als Erfinder und Leiter der Abteilung «Schule als Lern- und Lebensraum» beim Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt. Seit 2012 pensioniert, ist er als freischaffender Bildungs- und Lebensraumkünstler mit Herz, Kopf, Hand und Fuss in diversen Tätigkeitsfeldern europaweit unterwegs, unter anderem im Rahmen seiner Vision einer «Transformation von Unterrichtsschulen zur Bildung im Netzwerk», sowie mit Aktionen. Sie sollen im Kleinen wie im Grossen bestmöglich bewirken, dass in der Welt eine Neue Politik gelebt werden kann und wird.

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