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Boris Johnson: Das Minsker Abkommen war eine „diplomatische Imitation“

Published On: 30. Januar 2023 15:00

Nach Angela Merkel und Francois Hollande hat nun auch Boris Johnson offen in einem Interview gesagt, dass der Westen das Minsker Abkommen nie umsetzen wollte. Er nannte es eine „diplomatische Imitation“.

Das Minsker Abkommen ist 2015 angeblich geschlossen worden, um einen Frieden im Donbass zu erreichen. Der Westen hat Russland danach Jahre lang vorgeworfen, dass Russland das Abkommen nicht umsetzt und erklärt, dass die Russland-Sanktionen daher nicht aufgehoben werden können. Dass das gelogen war, wird bis heute als „russische Propaganda“ bezeichnet, dabei war es von Beginn an offensichtlich, denn im Minsker Abkommen wird Russland gar nicht erwähnt und es werden darin keine Forderungen an Russland gestellt, die es erfüllen (oder nicht erfüllen) könnte. Stattdessen war es Kiew, dass gegen zehn der 13 Punkte des Abkommens verstoßen hat, die Details und den Text des Abkommens finden Sie hier.

Das Minsker Abkommen wurde im Februar 2015 in Minsk von Bundeskanzlerin Merkel, dem französischen Präsidenten Hollande und dem russischen Präsidenten Putin als Vermittler zwischen dem ukrainischen Präsidenten Poroschenko und den Rebellen im Donbass ausgehandelt.

Heute geben alle damals von westlicher Seite Beteiligten offen zu, dass das alles gelogen war. Der Sinn des Minsker Abkommens war es nicht, einen Frieden im Donbass zu erreichen, sondern der Ukraine Zeit zur Aufrüstung für einen Krieg gegen Russland zu geben.

Der Westen wollte das Minsker Abkommen nie umsetzen

Der ehemalige ukrainische Präsident Poroschenko hat im Sommer 2022 offen gesagt, dass er nie vorhatte, das Minsker Abkommen umzusetzen, sondern dass das Abkommen der Ukraine nur Zeit für die Aufrüstung geben sollte. Und er fügte hinzu, dass das Abkommen seine Aufgabe aus dieser Warte erfüllt habe. Niemand habe vorgehabt, das Abkommen umzusetzen.

Auch Merkel hat sich ähnlich geäußert. Anfang Dezember 2022 hat sie in einem Interview mit der „Zeit“ gesagt:

„Und das Minsker Abkommen 2014 war der Versuch, der Ukraine Zeit zu geben. Sie hat diese Zeit hat auch genutzt, um stärker zu werden, wie man heute sieht. Die Ukraine von 2014/15 ist nicht die Ukraine von heute. Wie man am Kampf um Debalzewe (Eisenbahnerstadt im Donbass, Oblast Donezk, d. Red.) Anfang 2015 gesehen hat, hätte Putin sie damals leicht überrennen können. Und ich bezweifle sehr, dass die Nato-Staaten damals so viel hätten tun können wie heute, um der Ukraine zu helfen.“

Danach hat auch der ehemalige französische Präsident Hollande in einem Interview mit ukrainischen Medien offen gesagt, dass das Minsker Abkommen Kiew nur Zeit für die Vorbereitung eines großen Krieges mit Russland geben sollte. Damit bestätigen alle westlichen Beteiligten das, was acht Jahre lang als russische Propaganda diskreditiert wurde, nämlich dass es dem Westen und der Ukraine beim Minsker Abkommen nie um einen Frieden im Donbass ging, sondern darum, die Ukraine für einen Krieg gegen Russland aufzurüsten.

Die „diplomatische Imitation“

Nun hat das auch der ehemalige britische Premierminister Boris Johnson bestätigt. In einem Interview mit dem ukrainischen Fernsehsender Rada, dem Sender des ukrainischen Parlaments, sagte er, dass das Minsker Abkommen und auf die dessen Basis abgehaltenen Gespräche im Normandie-Format eine „diplomatische Imitation“ waren:

„Wir haben damals einige Sanktionen verhängt, wir haben diese diplomatische Imitation – den Normandie-Prozess – gestartet und nichts erreicht“

Das konsequente Schweigen der westlichen Medien

Die westlichen Medien leisten beachtliches, wenn es darum geht, ihren Lesern und Zuschauern unangenehme Wahrheiten zu verheimlichen, denn ich fand auf Deutsch keine und auf Englisch nur wenige Berichte über Johnsons Interview. Auf Englisch fand ich dazu beispielsweise eine Meldung in Pakistanischen Medien, ansonsten gab es natürlich viele Veröffentlichungen auf Russisch und Ukrainisch. Vor allem in Russland war Johnsons Erklärung ein großes Thema.

Es ist faszinierend, wie gründlich westliche Medien den Skandal, dass alle westlichen Teilnehmer an den Verhandlungen inzwischen offen sagen, dass es beim Minsker Abkommen nicht um Frieden, sondern um die Vorbereitung eines Krieges gegen Russland ging, verschweigen. Merkel hat ihre Aussage zwar in einem Interview mit der „Zeit“ gemacht, aber eigene Artikel war Merkels Aussage deutschen Medien nicht wert. Gleiches gilt für Hollandes Aussage, die in der Ukraine immerhin auf Englisch veröffentlicht wurde.

Außerhalb der westlichen Medienblase haben die Aussagen von Merkel und Hollande hingegen Schlagzeilen gemacht und Aufmerksamkeit erregt und in vielen nicht-westlichen Hauptstädten wird man sich fragen, ob es überhaupt noch Sinn macht, mit dem Westen Verträge abzuschließen, wenn der Westen schon bei der Unterschrift beschließt, dass er sie nie umsetzen, sondern brechen wird.

Dass das nun auch Boris Johnson bestätigt hat, zeigt einmal mehr, was mit dem Westen getroffene Absprachen und sogar geschlossene Verträge wert sind. Das Minsker Abkommen wurde vom UNO-Sicherheitsrat sogar in den Status des Völkerrechts erhoben. Aber der Westen tritt bekanntlich auch das Völkerrecht mit Füßen, wie dieses Beispiel ein weiteres Mal zeigt.

Der Vollständigkeit halber übersetze ich noch die Meldung der russischen Nachrichtenagentur TASS über Johnsons Aussage.

Beginn der Übersetzung:

Johnson nennt Normandie-Format zur Beilegung des Ukraine-Konflikts eine diplomatische Imitation

Er fügte hinzu, dass die Verhängung von Sanktionen gegen Russland keine Ergebnissen gezeigt habe

Der ehemalige britische Premierminister Boris Johnson hat zugegeben, dass das Normandie-Format, das zur friedlichen Beilegung des Konflikts in der Südostukraine ins Leben gerufen wurde, eine „diplomatische Imitation“ war.

„Wir haben damals einige Sanktionen [gegen Russland] verhängt, wir haben diese diplomatische Imitation – den Normandie-Prozess – gestartet und nichts erreicht“, sagte er in einem Interview mit dem Fernsehsender Rada.

Das Normandie-Format waren Gespräche über die friedliche Beilegung der Situation in der Südostukraine, an denen Russland, die Ukraine, Deutschland und Frankreich teilgenommen haben. Das Format wurde nach dem Ort des ersten Treffens der vier Staatschefs nach dem Beginn der Krise in der Ukraine benannt. Auf einem der Treffen wurde im Jahr 2015 das Maßnahmenpaket zur Umsetzung des Minsker Abkommens verabschiedet.

In einem Interview mit der deutschen Zeitung Die Zeit bezeichnete Merkel das Minsker Abkommen im Dezember 2022 als „Versuch, der Ukraine Zeit zu geben, stärker zu werden“. Ihr zufolge war „allen klar“, dass der Konflikt eingefroren und das Problem nicht gelöst war, „aber das hat der Ukraine unschätzbare Zeit verschafft“. Sie bezweifelte, dass die NATO-Länder Kiew damals in dem Maße hätten unterstützen können, wie sie es heute tun. Der ehemalige französische Präsident François Hollande, der an der Aushandlung des Maßnahmenpakets zur Umsetzung des Minsker Abkommens im Jahr 2015 beteiligt war, bestätigte Merkels Worte. Der russische Präsident Wladimir Putin erklärte später, Merkels Äußerungen zum Minsker Abkommen seien für ihn völlig unerwartet und enttäuschend.

Ende der Übersetzung


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