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Humanitäre Hilfe im Lugansker Gebiet

Published On: 25. Februar 2023 19:38

Am 24. Februar bin ich mit einer privaten Initiative ins Lugansker Gebiet gefahren, um dort bei der Verteilung von humanitärer Hilfe dabei zu sein.

Ich habe auf Telegram bereits mitgeteilt, dass ich mit Maria Lelyanova, die Anti-Spiegel-Lesern einfach als „Mascha“ oder „Maria“ bekannt ist, in den Donbass gefahren bin, um bei der Verteilung von humanitärer Hilfe dabei zu sein. Mascha war eine Anti-Kriegs-Aktivistin in Moskau, die im Sommer 2022 in den Donbass gefahren ist, um sich selbst ein Bild von dem zu machen, was dort vor sich geht. In der Woche im Donbass ist ihr Weltbild zusammengebrochen, denn sie hat vor Ort erlebt, dass alles, was „ihre“ – also die westlichen – Medien, denen sie vertraut hat, über die Lage im Donbass berichtet haben, gelogen war.

Sie hat unmittelbar nach ihrer Rückkehr ein Interview aufgenommen, in dem sie von all dem erzählt hat. Am Ende des Interviews wurde sie gefragt, was von dem, was „ihre“ Medien über den Krieg berichtet haben, wahr gewesen ist. Ihre Antwort war, dass wirklich alles gelogen war, was sie von „ihren“ Medien erfahren hat. Das Video mit dem Interview ist für mich eines der besten, weil authentischsten, Videos des letzten Jahres. Ich habe damals darüber berichtet, meinen Artikel darüber mit dem Originalvideo auf Englisch finden Sie hier, eine deutsche Übersetzung des Videos finden Sie hier.

Mascha hat in dem Interview auch gesagt, dass sie sich nach der Reise Vorwürfe macht, dass sie sich in den acht Jahren von 2014 bis 2022, als im Donbass bereits Krieg herrschte, dafür nicht interessiert hat. Und sie hat gesagt, dass sie es nun als ihre Mission ansieht, der Welt von dem zu erzählen, was im Donbass vor sich geht und dass sie den Menschen dort helfen will.

Das waren keine leeren Worte. Mascha hat auf eigene Faust angefangen, humanitäre Hilfe zu organisieren, die sie selbst dorthin bringt und selbst verteilt. Seit ihrer ersten Reise im August war sie bereits fünf Mal im Donbass und hat Hilfsgüter gebracht. Und genau zu so einer Reise bin ich mit ihr am Freitag aufgebrochen, um mir das selbst anzuschauen.

Die Reise

Mascha hat über ein Internetforum einen Mann gefunden, der sich bereit erklärt hat, mit seinem Auto und seinem großen Anhänger zu helfen. Er fährt mit ihr und den Hilfsgütern von Moskau in den Donbass, ohne dafür Geld zu nehmen. Die Ladung bestand dieses Mal aus Hilfe für ein privates Tierheim, das für seine vielen Hunde und Katzen Futter, Medikamente und Spritzen braucht, denn viele Tiere stammen aus ehemals umkämpften Städten und sind in einem erbärmlichen Zustand. Außerdem hatte Mascha Kleidung und Hygieneartikel für die Menschen in Severodonezk dabei.

Mascha macht Videos davon, wie sie die mit dem Geld der Spender gekauften Dinge verteilt und zeigt den Spendern so, wofür das Geld ausgegeben und wem damit geholfen wird. Man kann Mascha auch aus dem Ausland unterstützen, weshalb sie immer Videos auf Russisch und auf Englisch macht, damit auch die ausländischen Spender sehen, wo das Geld hingeht. Wenn Sie Mascha unterstützen wollen, dann finden Sie hier den Link zu der von ihr benutzten Crowdfunding-Plattform. Maschas (noch recht kleinen) Telegram-Kanal, auf dem sie demnächst ihre Videos von dieser Fahrt veröffentlichen wird, finden Sie hier.

Mascha versucht vor allem gezielte Hilfe zu leisten, deshalb war der erste Stopp ein privates Tierheim bei Lugansk, das dringend Futter , Medikamente und Spritzen braucht. Die Menschen dort leisten bei der Pflege und Behandlung der oft traumatisierten, verletzten und ausgelaugten Tiere auf eigene Kosten wirklich Unglaubliches. Mascha konnte ihnen weit über hundert Kilo Futter und vor allem kistenweise Medikamente und Spritzen liefern, die sie dringend brauchen.

Severodonezk

Der nächste Stopp war Severodonezk, eine Stadt, in der ich im Juli 2022 erstmals gewesen bin, und die schwer zerstört wurde. Entgegen dem, was westliche Medien berichten, erzählen die überlebenden Zivilisten, dass es die ukrainische Armee ist, die für die Zerstörungen verantwortlich ist. Obwohl die Stadt noch immer Großteils ohne fließendes Wasser ist, erzählen die Menschen nur Gutes von den Russen und ihren Soldaten.

In Severodonezk wollte Mascha die restlichen Hilfsgüter an Bedürftige abgeben, aber unser Zeitplan war durcheinander gekommen. An den Stellen, wo humanitäre Hilfe verteilt wird, waren kaum noch Menschen, weil wir zu spät dran waren. Also haben wir uns mit der Verwaltung geeinigt, unsere Hilfsgüter in einem Amtsgebäude auszuladen, und am nächsten Tag zur Verteilung wiederzukommen. Mascha hatte nämlich außerdem noch viel Bargeld dabei, mit dem sie Lebensmittel kaufen wollte. Daher brauchten wir den Platz im Anhänger und haben die erste Ladung über Nacht dort gelassen.

Das Absurde im Donbass ist, dass es in Lugansk (oder auch Donezk) fast alles zu kaufen gibt. Sehr viel schwieriger ist das Leben in den ehemals umkämpften und nun von den Russen befreiten Städten. Wenn ich von „befreiten“ Städten spreche, wiederhole ich nicht die russische Propaganda, sondern zitiere das, was die Menschen vor Ort einhellig erzählen. Die im Westen sogenannten „Freiwilligen-Bataillone“ wie Asow und andere haben nach dem Maidan-Putsch in den der Front nahen Städten offensichtlich gehaust wie die Berserker, denn wir haben Geschichten von Vergewaltigungen und Raub gehört, die dort demnach zum Alltag gehört haben.

Das Bataillon „Tornado“ hat so schlimm gewütet, dass sogar die ukrainische Justiz nicht vollständig die Augen davor verschließen konnte und einige der Radikalen wegen Vergewaltigungen und anderer Verbrechen zumindest vor Gericht gestellt hat. Bei der Recherche für diesen Artikel habe ich überrascht festgestellt, dass sogar der Spiegel 2015 mal über die Verbrechen von „Tornado“ berichtet hat. Anders als der Spiegel-Artikel suggeriert hat, wurde dem Treiben von Tornado nach Bekanntwerden der Verbrechen jedoch kein Ende gesetzt.

Aber zurück zu Maschas Hilfsaktion. Da es in Lugansk alles zu kaufen gibt und die Supermärkte dort nicht anders aussehen, als in Deutschland, hat sie Lebensmittel (also Nudeln, Reis, Konserven, etc.) nicht in Russland, sondern in Lugansk gekauft. Daher musste der Anhänger in Severodonezk entladen werden, um Platz zu schaffen. Dass humanitäre Helfer die Lebensmittel in Lugansk kaufen, ist offensichtlich normal, denn im Supermarkt haben sich die Verkäufer nicht gewundert, als Mascha je mehrere hundert Packungen Nudeln, Reis, Konserven und so weiter kaufen wollte, was am Ende mehrere Paletten umfasste, sondern sie direkt zum Warenlager gebracht, wo die Arbeiter des Supermarktes beim Verladen helfen.

Das war bedrückend, denn von Lugansk, wo das Leben fast seinen normalen Gang geht und man vom Krieg nicht einmal entfernte Explosionen hört, nach Severodonezk, wo die Menschen ohne fließendes Wasser in Ruinen leben und nicht genug Geld haben, um sich mit dem lebensnotwendigsten zu versorgen, und wo man die Explosionen der nur etwa 20 Kilometer entfernten Front laut und deutlich hört, sind es nur etwa einhundert Kilometer Entfernung.

In Severodonezk wird geholfen, so gut es geht. Russische Parteien und andere Organisationen helfen dort und es sind auch Wärmezelte aufgestellt, in denen es umsonst heißen Tee und Kaffee und etwas zu essen gibt. Trotzdem reicht die Hilfe nicht für alle, weshalb es in Russland viele solche Idealisten wie Mascha gibt, die auf eigene Faust Geld und Waren sammeln und zu den Menschen bringen, die sie dringend brauchen.

Eindrücke

Dass solche privaten humanitären Initiativen aus Russland normal sind, merkt man an jedem Kontrollpunkt. Im Donbass gibt es etwa alle zehn oder zwanzig Kilometer Kontrollpunkte, aber die Soldaten waren an solche humanitären Transporte gewöhnt und fragten nur, ob wir humanitäre Hilfe oder etwas anderes transportieren. Die Soldaten halten Autos nur sporadisch zur Kontrolle von Papieren an, sind dabei aber ausgesprochen höflich.

Da am 23. Februar in Russland der Feiertag der Vaterlandsverteidiger, also der Armee, war, hatte unser Fahrer Tüten mit Geschenken für die Soldaten gepackt, weshalb wir auch an Kontrollpunkten, an denen wir nicht angehalten wurden, gestoppt haben, um die Tüten zu übergeben. Darin waren Zigaretten, Tee, Kaffee, Schokolade und andere Kleinigkeiten, die bei den Soldaten für unerwartet große Freude gesorgt haben. Daran habe ich einmal mehr gesehen, wie wichtig den Soldaten, die einige Monate fern von zu Hause ihren Dienst schieben, kleine Zeichen der Anerkennung aus der Heimat sind.

Die Menschen in Severodonezk waren alle freundlich und alle haben davon gesprochen, dass sie von Russland befreit wurden. Militär sieht man in der Stadt selbst übrigens nicht, dafür aber Standorte der Hilfsorganisationen. Die Stadt ist zerstört, aber der Anblick hat sich seit Sommer sehr verändert, denn der Schutt ist überall beseitigt und man kann sehen, dass die Reparaturarbeiten auf Hochtouren laufen. Hochhäuser, die noch bewohnbar sind, haben neue Fenster bekommen. Auch wenn es kein fließendes Wasser und noch nicht überall wieder Strom gibt, sind viele Wohnungen wieder bewohnbar.

Im Westen wird behauptet, dass Russland alles Ukrainische ausrotten möchte. Dass das Unsinn ist, habe ich oft berichtet, denn Ukrainisch ist und bleibt in den russischen Gebieten, in denen es Ukrainisch-sprechende Bevölkerung gibt, Amtssprache und wird auch in der Schule gelehrt. Ganz im Gegensatz zur Ukraine, wo Russisch faktisch verboten wird.

Ein weiterer Beweis dafür, dass diese westlichen Medienberichte gelogen sind, ist das Ortsschild von Severodonezk. Das Ortsschild aus Beton wurde zwar von den ukrainischen in die russischen Farben umgestrichen, das Wappen der Stadt trägt aber weiterhin seine ukrainischen Farben und wurde auch nicht entfernt.

Zehn zugedrückte Augen

Mascha hatte auch Hilfe für eine konkrete Familie dabei, die näher an der Front lebt. Jedoch dürfen dort nur Menschen hin, die dort auch gemeldet sind, weshalb man uns am Kontrollpunkt zurückschicken wollte. Nachdem unser Fahrer mit Engelszunge auf die Soldaten eingeredet hat und sie alles, was wir dabei hatten, inspiziert hatten, haben die fünf Soldaten am Ende alle zehn Augen zugedrückt und uns eine halbe Stunde gegeben, um die Sachen hinzubringen. Sollten wir länger wegbleiben, würden sie uns zur Fahndung ausschreiben müssen. Wir haben es in der halben Stunde geschafft, hinzufahren, abzuladen und zurückzukommen.

Auch diese Episode hat gezeigt, dass die russischen Soldaten hilfsbereit sind und den Menschen helfen, wenn sie es irgendwie können, anstatt einfach Dienst nach Vorschrift zu machen. Das haben wir überall erlebt.

Übrigens ist es interessant, dass die Menschen vor Ort oft nicht von „Soldaten“ sprechen, sondern von „den höflichen Männern“. Warum das so ist, haben wir an dem Tag gleich mehrmals erlebt.


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