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Mit dem Starship vom „New Space“ zum „Common Space“

Published On: 27. März 2023 18:13

Der erste orbitale Testflug des Starship steht bevor. Der stärkste je gebaute Träger wird die Kosten für Transporte in die Erdumlaufbahn und zum Mond deutlich senken. Mars und Asteroiden gelangen in Reichweite. Dies ermöglicht Wertschöpfung im All.

IMAGO / NurPhoto

Am feinsandigen Boca-Chica-Beach im tiefsten texanischen Süden, nur wenige Kilometer vom Grenzfluss Rio Grande entfernt, ragt ein wuchtiger, schwarz-silbern glänzender metallischer Pfeil aus der Wildnis empor, wie ein Wegweiser gen Himmel zeigend. Und da soll er ja auch hin, der „Starship“ genannte Träger, und das schon sehr bald. Der bereits mehrfach angekündigte Erstflug der mächtigsten je gebauten Rakete, 120 Meter hoch, neun Meter durchmessend, bei vollen Tanks 5.000 Tonnen schwer und fast doppelt so leistungsstark wie die Saturn V, steht dem Vernehmen nach Mitte bis Ende April bevor. Wenn denn die Techniker und Ingenieure von SpaceX diesmal die optimistischen Einschätzungen ihres Vorstandschefs Elon Musk rechtfertigen und die Aufsichtsbehörde FAA (Federal Aviation Administration) zustimmt.

Weltwunder bleiben halt ein schwieriges Unterfangen. Und Starship ist zweifellos ein solches, gleichrangig mit anderen modernen Monumenten menschlicher Schaffenskraft wie der Internationalen Raumstation ISS oder dem International Thermonuclear Experimental Reactor ITER. Als Produkt singulärer unternehmerischer Ambition statt internationaler wissenschaftlicher Kooperation hebt es sich allerdings von seinen Geschwistern ab und markiert den Aufbruch in eine neue Ära.

Das erste Raumschiff, das diese Bezeichnung wirklich verdient, beendet nicht nur das Kapselzeitalter der entbehrungsreichen, speziellen Trainingsanforderungen unterliegenden Missionen. Es beschließt vor allem die gegenwärtige, aufgrund hoher Investitionsansprüche von einer gleichermaßen risikoaffinen wie kapitalstarken Avantgarde geprägte Phase der kommerziellen Raumfahrt durch die Unterstützung einer großen Vielfalt alter wie neuer Geschäftsmodelle. Starship überführt „New Space“ in „Common Space“, um es plakativ im Jargon der Branche auszudrücken.

Dieses Potential resultiert aus der Kombination bereits vorhandener Optionen. Zu nennen sind eine mit standardisierten, effizient in Serie gefertigten Komponenten realisierbare Architektur und die vollständige Wiederverwendbarkeit aller Komponenten inklusive der Triebwerke. Letztere profitieren vom Einsatz von Methan als Treibstoff, dessen weitgehend rußfreie Verbrennung Verschleiß und Verschmutzung deutlich reduziert. Hinzu tritt die Fähigkeit zur Durchführung vollautomatischer Manöver, vom Andocken im All bis zur Rückkehr auf den Boden. Dies alles ist in ein zweistufiges System eingeflossen, bei dem die 33 Raptor-Motoren eines siebzig Meter hohen Boosters mit der Bezeichnung „Super Heavy“ das fünfzig Meter lange eigentliche Starship in den Weltraum katapultieren. In letzterem, und das ist der besondere Kniff, verschmelzen Oberstufe und Nutzlast zu einer Einheit. Mit sechs eigenen Antrieben, mit 1.200 Tonnen Treibstoff, mit verstellbaren Tragflächen und einem Hitzeschutzschild mutiert es nach der Abkopplung des Boosters zu einem Raumgleiter, der flexibel im Orbit manövrieren und auf beliebigen Himmelskörpern mit und ohne Atmosphäre landen kann.

Vergleichbare Ideen gibt es schon lange. Umgesetzt aber hat sie bislang noch niemand. Weil erst jetzt, bei SpaceX, die technische Expertise, die finanziellen Möglichkeiten und die notwendigen unternehmerischen Instinkte zusammenfinden.

Fortschritt kontra Energiewende

Mit einer Frachtkapazität von mehr als 100 Tonnen kann Starship vollständige Konstellationen aus hunderten Satelliten mit nur einem Flug installieren. Bei Transportkosten, die mittelfristig auf einen Wert von kaum mehr als zehn US-Dollar pro Kilogramm sinken sollen. Wurden bis in die 1990er noch 50.000 US-Dollar und mehr aufgerufen, liegen aktuelle Angebote im Bereich von 10.000 bis 20.000 US-Dollar. Ein Umfeld, in dem die Falcon-9 mit 2.500 Dollar pro Kilo zum unangefochtenen Marktführer aufsteigen konnte. Nun verspricht Starship eine weitere Preisreduktion um einen Faktor von mehr als hundert. In Zukunft wird daher nicht mehr die Masse der ins All zu verbringenden Dinge über den ökonomischen Erfolg oder Misserfolg entscheiden, sondern allein der Zweck, dem diese Objekte dienen. Dies ist eine Umwälzung vergleichbar zu der, die Dieselmotoren und Container hinsichtlich interkontinentaler Warenströme und dem damit verknüpften Aufbau globalisierter Produktions- und Lieferketten ausgelöst haben.

Hochautomatisierte Fertigungsanlagen im niedrigen Erdorbit mögen viele Güter schlicht deswegen preiswerter herstellen können, weil in der „Sonderwirtschaftszone“ Weltraum leidige Dinge wie Grund- oder Gewerbesteuern nicht anfallen, keine Müll- oder Abwassergebühren zu tragen sind, keine Umweltauflagen oder Emissionsverbote behindern und die Energieversorgung nicht ideologischer Willkür unterliegt. Das alte Paradigma, eine Produktion in der Umlaufbahn lohne sich nur für bislang imaginäre Produkte, zu deren Herstellung man die Mikrogravitation zwingend benötige, gilt nicht mehr, da Starship und seine künftigen Wettbewerber wie die New Glenn von BlueOrigin die Hürde der Transportkosten pulverisieren. Viel billiger als bislang gelangt man mit dem neuen Raumschiff auch zum Mond. Ausgerechnet die Ideen von Musks größtem Konkurrenten, BlueOrigin-Chef Jeff Bezos, nach denen man Erzgewinnung und metallurgische Weiterverarbeitung gleich ganz auf den Erdtrabanten verlagern solle, scheinen plötzlich realisierbar.

Zumal mit einem Transportvolumen von mehr als dem dreifachen des Space Shuttle auch sperrige Güter weit größerer Dimension als bislang ins All verbracht werden können, beispielsweise Module für Raumstationen, Mondbasen oder Maschinen aller Art. Längere Einsätze im Rahmen einer orbitalen oder lunaren Logistik, die Destinationen im Weltraum ohne Umweg über die Erde direkt vernetzt, erfordern natürlich ebenso einen lokalen Treibstoffnachschub wie der avisierte Pendelverkehr zum Mars. Dauerhaft in verschiedenen Umlaufbahnen installierte Tankerversionen des Starship sollen dies gewährleisten.

Totengräber der Energiewende

Etwa 1.000 Kubikmeter und damit mehr Raum als die ISS oder ein Airbus A380 bietet das Raumschiff künftigen Passagieren. Einige Dutzend Einzelkabinen und allerlei der Versorgung und der Kurzweil dienende Gemeinschaftsräume verwandeln Reisen zu Mond, Mars oder Asteroiden in komfortable Kreuzfahrten. Kurze Zubringerflüge bedienen orbitale Fabriken, Laboratorien, Hotels und Vergnügungsstätten mit jeweils 200 bis 300 Passagieren. Suborbital schließlich lässt sich mit dem Starship jeder Punkt der Erde von überall aus in nur einer Stunde erreichen.

Was vor zehn Jahren, als SpaceX mit den Arbeiten am Raptor-Triebwerk begann, wie ein unerreichbarer Traum klang und vor fünf Jahren, als Elon Musk seine Pläne für die danach zu Starship mutierte „Big Fucking Rocket BFR“ veröffentlichte, wie eine spinnerte Utopie anmutete, wird nun Realität. Bis all das Beschriebene eintritt, können natürlich noch Jahre vergehen – aber eben keine Jahrzehnte. Manch ein Leser dieser Zeilen wird bald schon selbst mit dem Starship oder anderen Raumfahrzeugen zur Arbeit in den Orbit, zum Urlaub auf den Mond oder schlicht zum Abendessen nach Neuseeland fliegen.

Das ist, was echte Innovationen ausmacht, die über die lediglich inkrementelle Verbesserung des Bestehenden hinausreichen. Sie sind expansiv, weil sie weder reale noch herbeiphantasierte Probleme lösen, sondern stattdessen neue Möglichkeiten schaffen. Sie überwinden ökonomische wie technische Grenzen und entlarven dadurch die Rückständigkeit einer sich an überkommene Dogmen wie „Nachhaltigkeit“ oder „Vorsorgeprinzip“ klammernden Gegenwart. In der eine deutsche Regierung in ihrer „Zukunftsstrategie“ allen Ernstes darauf abhebt, Raumfahrt „klimaneutral“, „umweltverträglich“ und „ressourcenschonend“ zu gestalten, während andere längst neue Regeln setzen.

Mit einem Spektakel, so hat es Elon Musk angekündigt, fast schelmisch darauf verweisend, die Erfolgswahrscheinlichkeit des ersten Starts läge bei gerade mal 50 Prozent. Falls es schief geht, wird man es schon Tage später erneut versuchen. Bis es schließlich gelingt. Die Mutigen machen die Zukunft, nicht die Verzagten. Das weiß man in Texas, das einst die Welt mit Rindfleisch, Baumwolle, Bauholz und schließlich mit Erdöl versorgte, ganz besonders gut. Eine geeignetere Gegend hätte SpaceX für seine bevorstehende Pioniertat kaum wählen können.

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