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Antidiskriminierungsbeauftragte wünscht sich „Zeitenwende“ für ihren Haushaltsposten

Published On: 30. April 2023 16:41

Die neue Bertelsmann-Studie unter Mitarbeit der Bundesstelle für Antidiskriminierung konstruiert Mehrheiten für eine flächendeckende Melde- und Beratungsstruktur. Dabei erlebte nur ein Drittel der potentiell Betroffenen einmal reale Diskriminierung.

Die deutsche Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman möchte sich mehr Arbeit machen und hat daher eine Studie in Auftrag geben lassen. Bezahlt hat dafür diesmal die Bertelsmann-Stiftung, die sich auch selbst als aktiven Mitspieler („Akteur“) in Sachen Antidiskriminierung sieht. Es passiert zugegeben nicht oft, dass eine Negation, ein Wort mit Un-, Dis- oder Anti- davor, zum positiven Handlungsfeld wird. Das ist nun anders geworden, und vielleicht kommt bald mehr davon, im selben Maße, in dem Gesellschaft und Staat von negativen Tendenzen getroffen werden. Mehr Antidiskriminierung wird schon heute vom Bund ins Werk gesetzt und ist folglich schon erlebbar – etwa an den Auftritten Ferda Atamans, aber auch durch diverse Meldeportale, die Diskriminierungen gegen Frauen, Andersfarbige, sexuelle Minderheiten usw. „sichtbar“ machen sollen.

designierte „Antidiskriminierungsbeauftragte“

Der Haushalt der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat sich in diesem Jahr beinahe verdreifacht, er wuchs von 5,2 Millionen letztes Jahr auf nun 13,4 Millionen Euro an. Aber gemäß der Stellenleiterin und den Studienautoren reicht das keineswegs, das Budget sollte noch weiter aufgestockt werden. Ataman wünscht sich die (so modisch gewordene) „Zeitenwende“ auch für ihren Budgetposten. Nebenbei sieht sie im Gespräch mit dem RND auch die Bemühungen der Ampel-Innenpolitiker gegen „racial profiling“ als unzureichend an. Die vorgesehene Kontrollquittungen seien nur dann sinnvoll, wenn sie verpflichtend sind. Sie wisse „aus der Praxis“, dass sich „Betroffene oft nicht trauen, nach einer solchen Quittung zu fragen“.

So ist die „Beratungsstruktur“ laut Studien-Autor Ulrich Kober in Deutschland noch immer „sehr schwach aufgestellt“. Kober wünscht sich mehr „wohnortnahe“ Kontaktstellen, die ohne Zweifel zu mehr Werbung für den Stellenzweck, dann zu mehr Beratungsgesprächen und am Ende zu mehr Diskriminierungsmeldungen führen werden. So bläst sich ein einmal installiertes Beratungs- und Meldesystem quasi von alleine auf. Schon jetzt berichtet Ferda Ataman von 63.000 Fällen von Diskriminierung, die man in irgendeinem zeitlichen Rahmen dokumentiert haben will. Ab Herbst will Ataman mit einer „breit angelegten Werbekampagne“ für ihre Antidiskriminierungsstelle werben. Die eigene Bekanntheit versteht sie als „Hausaufgabe und Handlungsauftrag“.

Laut Ataman gibt es an dieser Stelle keine „gesellschaftliche Spaltung“. Das heißt: Die Deutschen wären sich einig darin, Ataman und die Bundesstelle beim Kampf um mehr Steuermillionen zu unterstützen, die wiederum für den Kampf gegen Antidiskriminierung vorgesehen sind. Ataman schreibt auf der Seite ihrer Institution von einem „massiven Stimmungswandel“, der sichtbar sei. Bis auf zwei von zehn Milieus (welche das sind, erfährt man nicht) seien alle Bundesbürger mehrheitlich dafür. Hier die Formulierung aus der Studie im Wortlaut:

„Bei den Einstellungen zu Antidiskriminierungspolitik und -maßnahmen zeigen sich mitunter ausgeprägte Differenzen, die sich teils auf (wahrgenommene) Verteilungskonflikte und teils auf Wertekonflikte zurückführen lassen. Die Differenzen fallen jedoch nirgends so extrem aus, dass von einer gesellschaftlichen Spaltung gesprochen werden könnte. In acht von zehn Milieus stimmt eine Mehrheit der Aussage zu, dass Antidiskriminierungspolitik langfristig dazu führe, dass es allen in der Gesellschaft besser geht.“

Daneben erfährt man: „Demgegenüber fällt das Interesse in den sozioökonomisch schlechtergestellten oder von Abstiegsängsten geprägten Milieus geringer aus – wobei sich aber auch hier jeweils eine Mehrheit für das Thema interessiert.“ Aber wenn sich neuerdings (fast) alle einig sind, wozu braucht es dann eigentlich noch die unabhängige Antidiskriminierungsstelle des Bundes?

Antworten von einst wurden einfach weggelassen

Der Titel der Bertelsmann-Studie lautet „Diskriminierung in der Einwanderungsgesellschaft“. Damit ist schon ein Impuls für Wachstum gesetzt, denn die Zuwanderung nach Deutschland hält bekanntlich an, von staatlichen Stellen wie dem Innenministerium eher ermuntert, als kontrolliert oder begrenzt. Wachstum steht demnach auch der Antidiskriminierungspolitik ins Haus.

Die Vorgängerstudie von 2008 war noch von der Bundesregierung beauftragt worden. Die nun veranstaltende Bertelsmann-Stiftung hat sich allerdings großzügigerweise mit Atamans Bundesstelle „in gemeinsamen Workshops“ abgesprochen, um Befragungsinhalte, Fragen und „Items“ zu konzipieren. Ein Item ist „eine vorformulierte Aussage, die einen positiven oder negativen Sachverhalt“ bezüglich eines Themas oder Themenfelds umreißt. Es geht also um Multiple-Choice-Fragen, bei denen man sich für eine oder mehrere vorformulierte Aussagen dieser Art entscheiden kann, um die eigene Haltung zu einem Thema zu benennen. Das ist zwar gängige demoskopische Praxis, aber auch nicht unheikel. Denn diese vorformulierten Aussagen werden immer nur einen Teil der möglichen Realität abdecken und filtern so die Aussagen der Befragten unweigerlich vor. Diese Gefahr dürfte zumal bestehen, sobald mit Ferda Ataman und der Bertelsmann-Stiftung zwei „Akteure“ der Antidiskriminierung zusammenkommen, die ohnehin auf einer Wellenlänge zu sein scheinen.

Aber damit sind wir immer noch nicht dicht am springenden Knallpunkt der neuen Studie angekommen, die zweifellos nicht genau die gleichen Fragen wie die Vorgängeruntersuchung von 2008 gestellt und nicht die gleichen Antworten vorformuliert hat, wie NZZ-Redakteurin Fatina Keilani weiß. So fehlten etwa Antworten wie: „Antidiskriminierung lässt sich von der Politik nicht verordnen, sondern muss von den Menschen selbst kommen.“ Dieser Grundsatz, der zwar menschlich klingt, ist freilich angesichts der Aufstockung der Bundesmittel für die Antidiskriminierung gewissermaßen überwunden, démodé, nicht mehr notwendig.

An die Stelle von Messen tritt Wahrnehmen

Der zentrale Punkt des ganzen Unterfangens besteht in einer Grundannahme: Es geht in der Studie nicht mehr um reale Diskriminierung, sondern darum, wie „Menschen in Deutschland das Thema wahrnehmen“, wie es der Tagesspiegel beinahe schon süffisant umriss. Dabei ist diese Formulierung unter Umständen einfach ernst gemeint, denn danach folgt der Tagesspiegel https://www.tagesspiegel.de/politik/bundesbeauftragte-ataman-sieht-zeitenwende-mehr-deutsche-sehen-handlungsbedarf-gegen-diskriminierung-9714701.html weitgehend der Selbstdarstellung der Bertelsmann-Stiftung.

Die erläuterte ihre Studienergebnisse selbst mit den Worten: Das Interesse am Thema „Gleichbehandlung“ sei „in der Gesellschaft in den letzten fünfzehn Jahren gestiegen“, Antidiskriminierungspolitik finde in der Bevölkerung „stärkere Unterstützung“, zudem gäben heute mehr Personen an, „ethnische, rassistische oder religiöse Diskriminierung erlebt zu haben und mehr Menschen sehen Handlungsbedarf“. Man sieht, dass es weniger um die Realität der Diskriminierung in Deutschland geht als um deren Wahrnehmung, das „Interesse“ daran, die „Unterstützung“ für Gegenmaßnahmen, das „Erleben“ der Menschen.

Letztlich kann man die gestiegene Wahrnehmung wie auch die Rufe nach öffentlichem „Handeln“ zu einem Gutteil auf das mediale Trommelfeuer der letzten Jahre zurückführen. Teilweise sind wohl auch die Fragen und „Items“ so suggestiv formuliert, dass man zum Zustimmen geneigt sein könnte. Etwa wenn es heißt: „66 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu, durch Antidiskriminierungspolitik gehe es langfristig allen besser“ (2008: 59 Prozent). Aber es geht den Menschen natürlich besser, wenn ein Problem erstens so groß ist, wie von den Fragen und Antwortmöglichkeiten suggeriert, und wenn sich dann auch noch endlich eine offizielle Stelle darum kümmern will.

Die „Integrationsexpertin der Bertelsmann Stiftung“ und Studienleiterin Ulrike Wieland benennt die Gründe der von ihr beschriebenen (gemessenen?) Entwicklung immerhin deutlich: Nicht nur sei der „Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in der Gesellschaft … seit 2008 gewachsen“. Daneben wurde auch „die Problematik rassistischer Diskriminierung in den letzten 15 Jahren vermehrt öffentlich thematisiert“ und sei dadurch „stärker ins Bewusstsein der Menschen in Deutschland gerückt“. Die Studienergebnisse wären dann das Ergebnis der (weitgehend abwesenden) Migrationspolitik des Bundes und der unermüdlichen Agitation des Volkskörpers durch die Politik und andere Akteure.

Darf eine Rollstuhlfahrerin im Regen auf den Bus warten?

Antidiskriminierungsaktivistin

So kommt es, dass die Hälfte der Befragten glaubt, dass „Personen mit Migrationshintergrund“ stark oder sehr stark diskriminiert seien. Dagegen berichtet aber interessanterweise nur ein Drittel (35 Prozent) dieser Personen mit Migrationshintergrund selbst von erlebter Diskriminierung. Zudem wird hier nicht gesagt, ob es sich um eine starke oder gar sehr starke Diskriminierung gehandelt habe. Den Unterschied der beiden Prozentwerte könnte man großzügig als Kluft zwischen der erwarteten und der erlebten (ausbleibenden) Diskriminierung bezeichnen. Dieser Hiatus dürfte, wie angedeutet, aber noch deutlich größer sein.

Ähnlich niedrig (36 Prozent) ist der Anteil der Befragten, die die „Gleichbehandlung benachteiligter Gruppen“ als sehr wichtige Aufgabe der Politik ansehen. Das Themenfeld wird demnach auch laut der Bertelsmann-Studie von 13 anderen Themen geschlagen, darunter Leistungsgerechtigkeit (45 Prozent), die Beseitigung sozialer Ungleichheit (53 Prozent) und – ganz oben auf der Liste – die Bekämpfung von Inflation und steigenden Preisen (79 Prozent sehen das als sehr wichtig an).

Eines der Beispiele, das Ataman in der Pressekonferenz nannte, lässt die Problematik ihrer Sichtweise deutlich werden: Ein voller Bus kommt an einer Haltestelle an. Es regnet, und eine Frau im Rollstuhl würde gern einsteigen. Was soll passieren? Müssen höflicherweise vier bis sechs Menschen aus dem Bus aussteigen, damit die Rollstuhlfahrerin zusteigen kann? Oder gilt für sie das gleiche wie für andere Menschen, die auf den Bus warten? Wenn er voll ist, muss man auf den nächsten warten. Das Beispiel zeigt: Es geht nicht um Gleichbehandlung, sondern um eine Bevorzugung vermeintlicher Opfergruppen. Die gehbehinderte Frau im Rollstuhl hatte es weniger verdient, im Regen zu warten, als die vier bis sechs anderen Fahrgäste.

„Fast jeder Mensch kann früher oder später Diskriminierungserfahrungen machen“, sagte Ferda Ataman dazu. Richtig: Auch die Busfahrgäste, die am Ende vielleicht in den Regen treten müssen, würden sich wohl diskriminiert fühlen. Wahrscheinlich heißt die Lösung des Problems aus Atamans Sicht ohnehin: mehr Busse. Und natürlich gibt es nicht nur Diskriminierung wegen Hautfarbe und Herkunft, wie uns die Studie weiszumachen scheint, sondern auch die wegen einer Weltanschauung oder aus Altersgründen.

Das gewünschte Ergebnis: Die Politik ist zuständig

Das Beste für Ferda Ataman kommt am Ende der Untersuchung. Denn die Studienautoren haben offenbar eine knappe Mehrheit der Befragten (56 Prozent) dazu gebracht, vor allem „die Politik“ als verantwortlich für die „Gleichbehandlung benachteiligter Gruppen in der Gesellschaft“ zu sehen. Ämter und Behörden, die dem gleichen Dunstkreis zuzuordnen sind, folgen mit 44 Prozent. 87 Prozent der Befragten wünschen sich gar eine entsprechende „Aufklärungsarbeit“ oder Belehrung, Indoktrination in den Kindergärten und Schulen.

Uns soll gesagt werden, dass der Bürger selbst, die Gesellschaft, die Eltern nicht mehr in der Lage sind, dem Problem Antidiskriminierung in angemessener Weise zu begegnen. Es braucht eine kollektive Antwort. An dieser Stelle dürfte man es mit den Auswirkungen von Fragestellung und Antwort-Vorgaben („Items“) zu tun haben. Denn die Frage zielte offenbar schon auf eine Art administrative Lösung der Probleme Rassismus und Diskriminierung ab, und alternative Antwortmöglichkeiten (s. oben: „muss von den Menschen selbst kommen“) waren im Vergleich zu 2008 nicht mehr vorhanden.

Zudem: 60 Prozent der Befragten stimmen einer „vermehrten Einstellung vielfältigen Personals“ bei, zu der Unternehmen und Unternehmer dann offenbar irgendwie gezwungen oder gebracht werden müssen. „58 Prozent sprechen sich“ – so heißt es weiter in der Präsentation der Studie – „für eine Unternehmenskultur aus, die eine vielfältige Belegschaft wertschätzt“.

Ein Experte glaubt, man solle die „Diskriminierung in der vielfältigen Gesellschaft“, die Deutschland durch Migration geworden ist, „nicht nur wirksam bekämpfen, sondern ihr auch entschieden vorbeugen“. Das bedeutet: Gebt die Medizin vor der Krankheit und ganz gleich, ob es diese nur „gefühlt“ oder real gibt. Die versammelten „Bertelsmann-Experten“ schlagen eine Art „Durchimpfung“ der Gesellschaft gegen Diskriminierung vor. Und die soll offenbar die Antidiskriminierungsstelle des Bundes unter Ferda Ataman leisten, die diese Studie wohlweislich nicht in Auftrag gab, aber ihr Design stark beeinflusste. Sie und ihre Stelle sind als heimliche Co-Autoren der Studie anzusehen.

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