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Vorwand „Kampf gegen Hassrede“: Schafft Irland die Meinungsfreiheit ab?

Published On: 5. Mai 2023 16:17

Die irische Regierung hat ein Gesetz ins Parlament eingebracht, dass die Meinungsfreiheit unter dem Vorwand des Kampfes gegen „Hassrede“ einschränkt. Das Strafmaß soll bis zu fünf Jahre betragen und gegen alle Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit wird die Beweislast umgedreht.

Das neue Gesetz, das im irischen Parlament behandelt wird, schlägt Wellen. Ich werde mich hier eigener Kommentare weitgehend enthalten und zitieren, was Mainstream-Medien über das Gesetz geschrieben haben.

Euronews schrieb am 3. Mai zum Beispiel über die Reaktion auf Kritik an dem Gesetz:

„Befürworter sagen jedoch, dass die derzeitige irische Gesetzgebung vom Internet überholt ist und erhebliche Lücken aufweist. Justizministerin Helen McEntee, die den Gesetzentwurf, der derzeit das irische Parlament (Oireachtas) durchläuft, zuerst veröffentlicht hat, wies die Behauptung zurück, dass die Redefreiheit eingeschränkt würde. Hassrede und Redefreiheit seien zwei verschiedene Dinge, wobei erstere darauf abziele, Menschen zum Schweigen zu bringen und ihnen „Angst zu machen“. „Wir sind alle entsetzt, wenn wir von homophoben, rassistischen und anderen hasserfüllten Vorfällen in unserem Land hören“, sagte sie im Oktober. „Während über diese abstoßenden Gewalttaten und Beschimpfungen gegen unschuldige Menschen ausführlich berichtet wurde, wissen wir, dass einige Menschen ihr Leben in ständiger Angst vor Beschimpfungen verbringen, nur weil sie so sind, wie sie sind.“ (Anm. d. Übers.: Das stand auf der Seite der irischen Regierung zu lesen, als sie das Gesetz im Oktober vorgestellt hat)
Mit dem neuen Gesetz werden spezielle Rechtsvorschriften zur Bekämpfung von Hassverbrechen eingeführt, die als vorsätzliche oder rücksichtslose Kommunikation und Verhaltensweisen gelten, die zu Gewalt oder Hass aufstacheln können, und die mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden können. Opfer von Hassverbrechen werden aufgrund von Vorurteilen gegenüber ihrem Alter, ihren Fähigkeiten, ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer sexuellen Ausrichtung oder ihrem Geschlecht angegriffen.“

Das Problem bei dem Gesetz ist, dass nicht definiert ist, was „Hassrede“ genau ist. Auf einer irischen Seite für „Bürgerinformationen“ kann im Zusammenhang mit dem neuen Gesetz lesen:

Was ist Hassrede?
Nach irischem Recht ist Hassrede jede öffentliche Äußerung, die die Absicht oder die Wahrscheinlichkeit hat, bedrohlich oder beleidigend zu sein, und die geeignet ist, Hass gegen Menschen aufgrund von:
Rasse,
Hautfarbe,
Nationalität,
Religion,
Ethnischer oder nationaler Herkunft
zu schüren“

Eine genaue Definition für „Hassrede“ gibt es in Irland nicht. Das muss man zum Verständnis der weiteren Ausführung von Euronews wissen:

„Außerdem wird die Verurteilung wegen Hassverbrechen erheblich erleichtert, da die Staatsanwälte sich auf die Verwendung von feindseligen Begriffen, Gesten oder Symbolen stützen können. Kritiker befürchten, dass die Änderungen dazu führen könnten, dass politisch unkorrekte Ansichten zensiert werden, wie z. B. die Rechte von Transsexuellen. (…)
Das Gesetz wird seit langem erwartet. In Irland gibt es derzeit keine spezifischen Gesetze zur Bekämpfung von Hassverbrechen, und die Gesetze über Hassrede werden weithin als veraltet angesehen.
Die bestehenden Gesetze über Hassreden gehen auf das Jahr 1989 zurück, und zwar auf das Gesetz über das Verbot der Aufstachelung zum Hass. Nach diesem Gesetz ist es strafbar, bedrohliches, beleidigendes oder missbräuchliches Material zu verbreiten, das geeignet ist, Hass gegen eine Gruppe von Menschen zu „schüren“.“

Besonders alarmierend ist die Umkehr der Beweispflicht, die in das neue Gesetz geschrieben wurde. Nicht die Anklage muss die Schuld des Angeklagten nachweisen, der Angeklagte muss seine Unschuld beweisen. Bei Euronews klingt das so:

„Nach diesem (bisher geltenden, Anm. d. Übers.) Gesetz kann sich eine Person jedoch gegen eine Anklage verteidigen, indem sie nachweist, dass sie nicht die Absicht hatte, Hass zu verbreiten. Ihre Verteidigung kann sich darauf stützen, dass sie nicht wusste oder keinen Grund hatte zu vermuten, dass der Inhalt des Materials als Beleidigung oder Beschimpfung aufgefasst werden konnte.
Das neue Gesetz ändert dies und macht jemanden für ein Hassverbrechen haftbar, selbst wenn er behauptet, dass er es nicht beabsichtigt hat.“

Das Gesetz wird in Irland kontrovers diskutiert, am 2. Mai berichtete auch die Irish Times darüber und schrieb (Hervorhebung durch den Anti-Spiegel):

„Die neuen Rechtsvorschriften stellen jede vorsätzliche oder leichtfertige Kommunikation oder jedes Verhalten unter Strafe, das geeignet ist, zu Gewalt oder Hass gegen eine oder mehrere Personen anzustiften, weil sie mit einem „geschützten Merkmal“ in Verbindung gebracht werden. Zu diesen Merkmalen gehören Rasse, Hautfarbe, Nationalität, Religion, Geschlecht, sexuelle Ausrichtung oder Behinderung.
Eine Person, die versucht, Hass gegen eine Person oder Gruppe mit einem dieser Merkmale zu schüren, kann sich einer Straftat schuldig machen, die mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden kann.“

Die Regierung erklärt natürlich, dass das Gesetz dringend nötig ist, wie in der Irish Times zu lesen ist:

„Die neue Gesetzgebung wird die bisherigen Gesetze zur Aufstachelung zum Hass aufheben und soll die Strafverfolgung erleichtern. Die Hürde für eine strafrechtliche Verfolgung bleibt jedoch hoch – ein Angeklagter muss vorsätzlich zu Hass oder Gewalt gegen eine Person aufgrund ihrer geschützten Eigenschaft aufstacheln wollen, und es gibt Verteidigungsmöglichkeiten für einen angemessenen und echten Beitrag zu literarischen, künstlerischen, politischen, wissenschaftlichen oder akademischen Debatten.
Die Gesetzgebung wurde im Anschluss an eine öffentliche Konsultation entwickelt, zu der etwa 4.000 Antworten eingingen. Das Justizministerium befasste sich anschließend mit Wissenschaftlern und Sachverständigen, bevor es im Oktober letzten Jahres die Einzelheiten des Gesetzes dem Kabinett vorlegte.

Allerdings beharren die Kritiker darauf, dass nicht nur die Umkehr der Beweislast unzulässig ist, sondern dass sogar nicht veröffentlichter Inhalt auf elektronischen Geräten bereits strafbar ist, was Orwellsche Züge annimmt:

„Der Abgeordnete Paul Murphy sagte letzte Woche im Parlament, dass ein Abschnitt des Gesetzentwurfs die Möglichkeit schaffe, eine Person zu kriminalisieren, „nur weil sie hasserfülltes Material besitzt, ohne dass dieses Material der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde“. Dies führe „zur Schaffung eines Gedankenverbrechens“, sagte er, das „eine gefährliche Umkehrung der Beweislast beinhaltet, bei der es nun dem Angeklagten obliegt, die Vermutung zu widerlegen, dass das Material nicht für den persönlichen Gebrauch bestimmt war.““

Unbemerkte politische Zensur

Während die Frage von LGBT und anderen Minderheiten im Zusammenhang mit dem Gesetz medial diskutiert wird, wird in der medialen Debatte kaum erwähnt, dass das Gesetz auch Vorschriften zum Beispiel zu Äußerungen über Völkermord enthält. Einen Völkermord zu bestreiten, ist demnach ebenfalls strafbar.

Das wäre durchaus in Ordnung, wenn es eine internationale Einigkeit und Definition darüber geben würde, was ein Völkermord war und was nicht. Ein klassisches Beispiel ist die Frage des (angeblichen) Völkermordes an den Armeniern durch die Türken während des Ersten Weltkrieges. Das Thema wird international politisch missbraucht, indem der Türkei kritisch gegenüberstehende Staaten die Ereignisse als Völkermord definieren, während andere Staaten das nicht tun. Das gleiche gilt für den sogenannten „Holodemor“ in der Ukraine vor 90 Jahren, der nun von den Gegnern Russlands als Völkermord eingestuft wird. Die Liste der umstrittenerweise als Völkermord bezeichneten geschichtlichen Ereignisse ist lang.

Mit dem irischen Gesetz dürften daher sogar Historiker in den Fokus der Strafverfolgung kommen, wenn sie ein Ereignis analysieren, das die irische Regierung als Völkermord einstuft, die Wissenschaftler aber zu einem anderen Ergebnis kommen.

Da diese Diskussion derzeit unter anderem über die Ereignisse von Butscha geführt wird, zu denen es bis heute keine unabhängige Untersuchung gibt, muss man befürchten, dass das irische Gesetz unbemerkt von den Medien politische Zensur einführt, während die Medien die Öffentlichkeit mit der LGBT-Frage aus dem Gesetz ablenken.

Sollte das Gesetz in Kraft treten, ist zu befürchten, dass in der EU und im Westen „Schule machen“ dürfte und die Meinungsfreiheit in Zukunft massiv eingeschränkt wird. Selbst der Konsum kritischer Medien, die eine andere Meinung vertreten als die westlichen Regierungen, könnte strafbar werden, siehe die Klausel, dass sogar nicht für die Veröffentlichung gedachte Inhalte auf elektronischen Geräten unter Strafe stehen sollen.


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