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Paradoxien der Vereinigung | Von Michael Meyen

Published On: 15. August 2023 16:00

Wer heute über den Zustand des öffentlich-rechtlichen Fernsehens klagt und nach den Gründen fragt, findet viele Antworten in den frühen 1990er Jahren. Luc Jochimsen, Wolfgang Herles, Lutz Herden und Michael Schmidt, vier prominente TV-Protagonisten, werfen einen Blick auf ihre Arbeit und decken dabei eine Wurzel des Medienelends auf, die langsam in Vergessenheit gerät. Im Namen der „inneren Einheit“ wurden die journalistischen Grundsätze schon vor 30 Jahren über Bord geworfen – mit Auswirkungen auf die Gegenwart.

Ich werde oft gefragt, ob es früher besser war. Ist der Raum des Sagbaren schon immer so klein gewesen, lieber Herr Meyen? Wann haben die Leitmedien angefangen, Kritik an der Regierungspolitik abzuwerten oder sogar zu verschweigen? Ist das mit der Willkommenskultur über uns gekommen oder doch schon mit Griechenland und dem Euro? Bei Vorträgen scherze ich dann über 9/11, die NATO-Bomben auf Belgrad und John F. Kennedy (JFK), wobei scherzen sicher das falsche Wort ist. Ich will nur zum Nachdenken anregen, bevor ich zum Wahrheitsregime der Gegenwart komme. Plattformen unter Staatskuratel, Faktenchecker, Netzfeuerwehr. Das füllt den Abend. Das Gefängnis der Aktualität gehört vermutlich zum Spiel. Es passiert permanent so viel, dass keine Zeit bleibt, um sich zurückzulehnen und vielleicht sogar die Geschichte und ihre Zeugen zu befragen.

Frank Schumann, in der DDR eine Nummer bei der Tageszeitung Junge Welt, und sein Verlag edition ost haben mir das jetzt abgenommen mit einem Buch, das vier Schwergewichte des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zusammenführt. Zweimal Ost, zweimal West. Vier „Berichte von Beteiligten“, dazu ein Vorwort von Daniela Dahn. Die knapp 300 Seiten haben es in sich, obwohl es dort vor allem um die frühen 1990er-Jahre geht. In Kurzform: Damals hat das angefangen, was die Journalismuskritik heute umtreibt. Vielleicht war es auch seinerzeit schon da, eingebaut in eine Rundfunkkonstruktion, die der Politik von Anfang an erlaubte, Journalisten wie Marionetten zu behandeln.

Luc Jochimsen, Jahrgang 1936 und später TV-Chefredakteurin beim Hessischen Rundfunk, erinnert sich auch an ihre erste Station „Panorama“. Als sie dort 1973 anfing, „hatte dieses politische Magazin alle seine bisherigen Leiter auf die gleiche Weise verloren: durch politischen Druck. Gert von Paczensky, Rüdiger Proske, Eugen Kogon, Joachim Fest – aus welchen unterschiedlichen politischen ‚Ecken‘ sie auch kamen“. Gleich auf der nächsten Seite spricht Jochimsen trotzdem von einer „goldenen Zeit“. Hier „Panorama“, produziert vom „Rotfunk NDR“, dort „Report“ aus München, so schwarz wie die CSU in Bayern. Ergebnis durch die Brille von Luc Jochimsen: „Vielfalt, demokratischer Dialog und Kontroversen, die nicht nur auf der Oberfläche blieben – im Gesamtprogramm, also für das Publikum, die Allgemeinheit“. Dann kommt 1984, das Jahr, in dem der Startschuss für eine Medienrevolution fällt, die aus dem Rundfunk auch in Deutschland ein Geschäft macht. Und kurz darauf folgt etwas, was manche für eine echte Revolution halten und andere einfach nur für eine Wende. Luc Jochimsen sagt: „Kolonialgeschichte auch im Namen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkfreiheit“. Sie steht damit nicht allein, zumindest in diesem Buch nicht. „Die restaurative Walze der westlichen Abwickler machte die angestoßene Demokratisierung zunichte“, sagt Daniela Dahn, Jahrgang 1949, die ein paar Jahre beim DDR-Fernsehen gearbeitet hat, dann an der Wiege des Demokratischen Aufbruchs stand, einer der Gruppen, die im Herbst 1989 ganz vorn dabei waren, und sich seitdem einen Namen als Kritikerin der „Einheit“ gemacht hat, eine Frau also, die es wissen muss. Und der Journalismus? Ein „Testfeld“. Ausprobieren, wie weit man mit den „Anpassungszwängen“ gehen kann, „zunächst im Osten“ und wenig später dann auch im Westen. Für Schritt eins stehen in diesem Buch Lutz Herden und Michael Schmidt, geboren 1953 und 1954, die beide in Adlershof gearbeitet haben, spätestens 1989/90 prominent wurden und dann anders als viele ihrer Kollegen im Beruf bleiben konnten, der eine bei der Wochenzeitung Freitag und der andere beim NDR in Mecklenburg-Vorpommern. „Das Ostfernsehen wie eine Schraubenfabrik dichtzumachen“, sagt Lutz Herden, „das bedeutete, dem Osten kulturellen Besitzstand zu nehmen, ja, diesen vorsätzlich zu zerstören.“ Herden findet dafür starke Begriffe: „Politische Flurbereinigung“, „Landnahme des Kalibers Raubrittertum“. Selbst der Fernsehturm, eingeweiht 1969 als Symbol für ein Land, das tatsächlich aus Ruinen auferstanden war und nun nach den Sternen griff, selbst dieses Berliner Wahrzeichen sei „jahrelang von allen Postkarten“ und aus allen Bildbänden verschwunden. Michael Schmidt erzählt einfach, wie es damals für ihn selbst gelaufen ist. Gesundheitscheck und Personalgespräch beim NDR – und trotzdem nur ein Jahr auf Probe, unter Aufsicht von Fernsehmenschen aus dem Westen, die vorher nicht einmal zu träumen gewagt hatten von einem solchen Karrieresprung und dann fast folgerichtig „konsequent an den Bedürfnissen der Beitragszahler“ vorbeisendeten. Wahrscheinlich muss man nicht einmal ein „altgedienter Ostjournalist“ sein wie Schmidt, um die Analogie zu sehen zu dem, was vorher war: Journalisten, die „zu dicht dran“ sind „an den Mächtigen“ und „vielleicht noch nicht einmal bewusst“ den „vermeintlichen Vorgaben“ von oben folgen

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Paradoxien der Einheit | Von Michael Meyen

Wer heute den Zustand des öffentlich-rechtlichen Fernsehens beklagt und nach den Ursachen fragt, findet viele Antworten in den frühen 1990ern.Luc Jochimsen, Wolfgang Herles, Lutz Herden und Michael Schmidt: Vier prominente TV-Protagonisten blicken auf ihr Arbeitsleben zurück und legen dabei eine Wurzel des Medienelends frei, die langsam in Vergessenheit gerät. Im Namen der „inneren Einheit“ wurden die journalistischen Grundsätze schon vor 30 Jahren über Bord geworfen — mit Folgen für das Hier und Jetzt.Ein Standpunkt von Michael Meyen. Ich werde oft gefragt, ob es früher besser war. Ist der Raum des Sagbaren schon immer so klein gewesen, lieber Herr Meyen? Wann haben die Leitmedien angefangen, Kritik an der Regierungspolitik abzuwerten oder sogar zu verschweigen? Ist das mit der Willkommenskultur über uns

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