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Die Flotte der DDR für Kreuzfahrten

Published On: 31. August 2023 10:29

Pascal Derungs / 31.08.2023

Die DDR betrieb 30 Jahre lang Kreuzfahrten für verdiente Werktätige. Das letzte Schiff war noch am Tag des Mauerfalls unterwegs. Aus heutiger Sicht ist es ein Widerspruch: Ausgerechnet die sozialistische DDR betrieb drei Jahrzehnte lang das kapitalistische Reisevergnügen par excellence: Kreuzfahrten. Der Arbeiter- und Bauernstaat war eigentlich geprägt von Mangelwirtschaft und Abschottung, dennoch bot er seinen Bürgern Fernreisen, Vergnügen und Luxus. Wie das zusammenpasst, dokumentiert Alexander Hogh im Arte-Film «Traumschiffe der DDR« (Ausstrahlung am 1. September 2023 um 10.30 Uhr).

Zuckerbrot und Peitsche: Kreuzfahrten als Belohnung

Die Idee zu einer Kreuzfahrtflotte in der Deutschen Demokratischen Republik entstand aus der Not heraus. Das hat der Historiker Andreas Stirn in einem Berliner Archiv entdeckt — in einem Besprechungsmemo der SED-Parteiführung. Kurz nach der gewaltsamen Niederschlagung des Volksaufstands vom 17. Juni 1953, bei dem über 30 Menschen starben, berieten Parteichef Walter Ulbricht und Herbert Warnke, Boss der staatlichen Gewerkschaftsorganisation, darüber, wie der Unmut der Arbeiterschaft zu besänftigen wäre. Die Protestierenden hatten sich gegen die Erhöhung der Arbeitsnormen gestemmt und gerechtere Löhne und freie Wahlen gefordert. Darauf konnte die SED nicht eingehen. Doch Herbert Warnke hatte eine Idee, wie man die Bevölkerung von der Misere ablenken und gleichzeitig einen Ansporn zu höherer Arbeitsleistung bieten könnte: mit Ferienschiffen. Kreuzfahrten sollten als Belohnung für jene Arbeiter angeboten werden, welche die staatlichen Normen nicht nur erfüllten, sondern sogar übertrafen. Ulbricht fand Gefallen an Warnkes Plan. Im Arte-Film sagt Historiker Andreas Stirn: «Dieses Urlauberschiff soll wie ein Vorbote der guten, sozialistischen oder sogar kommunistischen Gesellschaft sein. Und das Urlauberschiff ist ein konkretes Objekt. Da kann man halt wirklich auch Träume darauf projizieren.»

Das Kreuzfahrtschiff als Modell des sozialistischen Staates

1960 lief die «Fritz Heckert» vom Stapel, der modernste Passagierdampfer seiner Zeit, benannt nach einem Gründungsmitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands. Die Unterbringung der Passagiere brach mit alten Traditionen. Jede Kabine sah gleich aus. Das Schiff war das perfekte Modell der sozialistischen Idealvorstellung von einer klassenlosen Gesellschaft. Es sollte keine Privilegien geben. Das Urlaubsschiff «gehörte» den Werktätigen. Sie hätten es durch Spenden und freiwillige Überstunden finanziert, zitiert der Film die offizielle Doktrin. Doch der Historiker Andreas Stirn hat recherchiert, dass dies ein propagandistischer Mythos war. In Wahrheit belastete das Kreuzfahrt-Programm der DDR deren Staatskasse über alle Massen. Die Jungfernfahrt der «Fritz Heckert» mit 350 Passagieren, die vom DDR-Geheimdienst nach «politischer Zuverlässigkeit» ausgewählt wurden, führte nach Helsinki, St. Petersburg, und Riga. Ein Plädoyer für die Verbundenheit der DDR mit der Sowjetunion. Der Arte-Film berichtet von der Speisekarte mit Schweineröllchen, Krebsfleischsalat und Känguruhschwanzsuppe. «Wir sind doch hier nicht auf der Fritz Heckert!», sei in der DDR bald zu einem gängigen Sprichwort geworden. Denn eine Kreuzfahrt habe manches geboten, was es in der DDR sonst nicht gegeben habe.

Die Mauer stoppte die Reisefreiheit, nicht aber die Kreuzfahrtschiffe

Als sich die DDR mit dem Bau der Berliner Mauer und der Schliessung der West-Grenze abschottete, endete die Reisefreiheit der DDR-Bürger. Die Idee der Kreuzfahrten pervertierte, sagt Andreas Stirn: «Das ist ja eigentlich die Ironie der Geschichte schlechthin. Die ‹Fritz Heckert› wurde im Mai 1961 in Dienst gestellt, ist dann irgendwie noch zwei, drei Monate nach Plan gefahren, auch ganz bewusst in die skandinavischen Staaten. Und dann kam der Mauerbau und im Grunde haben sich die Umstände komplett geändert. Weil was wollte man in einem Land, das keine Reisefreiheit hatte, mit Kreuzfahrtschiffen, in denen die Menschen ja genau in die grosse weite Welt fahren sollten? Also genau das passte dann nicht mehr zusammen». Die Mittelmeerhäfen waren plötzlich tabu für die beiden Urlaubsschiffe. Doch die Parteibonzen hielten am Programm fest. Die «Völkerfreundschaft» konnte – anders als die kleinere «Fritz Heckert» — weite Reisen über den Atlantik unternehmen, um das neue Traumziel für DDR-Bürger anzulaufen: Kuba. Nach der Revolution unter Fidel Castro suchte die DDR den Kontakt mit der sozialistischen Karibikinsel. Doch im Oktober 1962 geriet die «Völkerfreundschaft» mitten in den Brennpunkt des Kalten Krieges — in die US-Seeblockade rund um Kuba. Während die Welt am Rand des Atomkriegs stand, befand sich das DDR-Kreuzfahrtschiff in unmittelbarer Nähe der Krisenregion

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Die Kreuzfahrt-Flotte der DDR

Pascal Derungs / 31.08.2023  Die DDR betrieb 30 Jahre lang Kreuzfahrten für verdiente Werktätige. Das letzte Schiff war noch am Tag des Mauerfalls unterwegs. Aus heutiger Sicht ist es ein Widerspruch: Ausgerechnet die sozialistische DDR betrieb drei Jahrzehnte lang das kapitalistische Reisevergnügen par excellence: Kreuzfahrten. Der Arbeiter- und Bauernstaat war eigentlich geprägt von Mangelwirtschaft und Abschottung,  dennoch bot er seinen Bürgern Fernreisen, Vergnügen und Luxus. Wie das zusammenpasst, dokumentiert Alexander Hogh im Arte-Film «Traumschiffe der DDR« (Ausstrahlung am 1. September 2023 um 10.30 Uhr). Zuckerbrot und Peitsche: Kreuzfahrten als Belohnung Die Idee zu einer Kreuzfahrtflotte in der Deutschen Demokratischen Republik entstand aus der Not heraus. Das hat der Historiker Andreas Stirn in einem Berliner Archiv entdeckt — in einem Besprechungsmemo

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