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Die Täuschung des bewaffneten Neutralität ist eine Illusion

Published On: 8. November 2023 0:42

Im Ukrainekonflikt wird der Schweiz von Russland und China vorgeworfen, sie sei nicht mehr neutral. Gleichzeitig rügen Vertreter westlicher Länder, die Schweiz tue nicht genug für die Ukraine. Macht die Schweiz nun zu wenig oder zu viel?

Mit dem Entscheid des Bundesrates am 24. Februar 2022, die EU-Sanktionen gegen Russland zu übernehmen, haben wir einen Fehler begangen. Die Schweiz sandte sowohl nach innen wie nach aussen ein völlig falsches Signal. Nicht nur Russlands Präsident Putin fand, die Schweiz sei nicht mehr neutral, sondern auch US-Präsident Biden. Die Reaktion in der Weltpresse war nicht anders. Wenn die beiden Hauptantagonisten in diesem Krieg denken, die Schweiz sei nicht mehr neutral, dann haben wir etwas falsch gemacht, in der Kommunikation und der Sache selbst. Später machte es der Bundesrat dann besser, als er sich bei der Waffenausfuhr auf Neutralitäts­prinzipien berief und als er den Rechtsstaat vor dem Druck der G7 in bezug auf Oligarchengelder verteidigte.

Dass die einen finden, man mache zu viel, und die anderen, zu wenig, liegt in der Natur der Neutralität. Jede Seite hat ihre eigenen Interessen. Ich gebe Paul Widmer recht, dass die Schweiz im Februar 2022 krasse Fehler gemacht hat. Der Neutrale lebt vom Vertrauen anderer in diese Haltung. Wenn man am 24. etwas sagt und vier Tage später etwas anderes erzählt, dann muss mansich nicht wundern, wenn rundum die Stirn gerunzelt wird. Das Umschwenken belegt aber auch, dass wir in der praktischen Auslegung unserer Neutralität nicht mehr unabhängig sind.

Dass die Schweiz ihre Neutralität auch dazu nutzen könnte, wirtschaftliche Interessen zu verbergen, ist durchaus möglich. Unabhängig davon habe ich Christoph Blocher gut verstanden, als er in der Woche nach dem Angriff Russlands beklagte, dass wir nicht mit mehr Mut zur integralen Neutralität stehen. Man hat diese Sanktionen übernommen, mit massiven Implikationen auch für das Inland. Widerspricht die aktive Suche und Ahndung russischer Gelder und Eigentumsrechte in der Schweiz ihrem Neutralitätsanspruch? Das Neutralitätsrecht regelt Wirtschaftsbeziehungen nicht; diese sind Teil der Neutralitätspolitik. Man muss zuerst festlegen, wovon man spricht. Aber kann man diese beiden Dinge so klar trennen? In Ihrem Buch, Herr Widmer, schreiben Sie: «Neutralität ohne Neutralitätspolitik ist ein Ding der Unmöglichkeit.» Intellektuell kann man zwischen Neutralitäts­politik und -recht unterscheiden. Doch es ist eine Illusion zu glauben, man könne die Neutralität auf das Neutralitätsrecht beschränken – weil dabei das wesentliche Element fehlt: das für die Neutralität notwendige Vertrauen. Neutralität ohne Vertrauen gibt es nicht. Analytisch kann man Neutralitätspolitik und -recht auseinanderhalten. Im praktischen Alltag kann man es nicht. Wenn wir zehn Sanktionspakete gegen Russland mittragen und behaupten, wir seien neutral, gibt es eine starke Spannung zwischen dem, was man gemäss Neutralitätsrecht tun darf, und dem, was bei den Menschen im Inund Ausland als Botschaft ankommt. Die differenzielle Neutralität ist besonders schwer zu vermitteln: Wir stellen uns neutral auf, tragen aber Sanktionen mit. Als ob Politik und Wirtschaft auseinandergehalten werden könnten. Das würde gegen die differenzielle Neutralität und gegen Sanktionen sprechen. Es spricht nicht unbedingt gegen diese Variante der Neutralität; sie ist nur anspruchsvoller zu vermitteln. Es gibt eindeutiges Neutralitätsrecht, das man einhalten muss. Dass hierbei zurzeit Verwirrung herrscht, sieht man im Parlament. Waffenlieferungen an die Ukraine sind gemäss Kriegsmaterialgesetz verboten, gemäss Neutralitätsrecht nicht. Ändern wir aber jetzt das Kriegsmaterialgesetz, dann tun wir das, um Kriegsmaterial an die Ukraine indirekt liefern zu können – und das ist wiederum eine Verletzung des Neutralitätsrechts. Das Parlament sollte deshalb das Nichtwiederausfuhrverbot streichen. Und die Schweiz sollte sich an das halten, was wir aufgrund unserer Tradition ohnehin tun würden: kein Kriegsmaterial an kriegführende Staaten zu liefern. Was nichtkriegführende Staaten wie Deutschland zu einem späteren Zeitpunkt tun, liegt in deren eigener Verantwortung. Ein zweiter Punkt betrifft die Wirtschaftssanktionen, bei denen die Schweiz eine klare Linie verfolgen muss. Sie schliesst sich Sanktionen von anderen Staaten nur im Einzelfall und nach gründlicher Prüfung an. Aber sie unternimmt alles, um die Zwangsmassnahmen nicht zu unterlaufen.

Sollte die Schweiz überhaupt Aussenpolitik betreiben? Lange war unsere Aussenpolitik eigentlich nur Aussenwirtschaftspolitik. Es ist wie mit der Neutralität – lange Zeit sind wir mit dieser Haltung gut gefahren. In «Die Schweiz als Antithese» hat das Historiker Herbert Lüthy wunderbar als «die innere Logik der aussenpolitischen Enthaltsamkeit» beschrieben. Es gab also innenpolitische Gründe dafür, wie die Schweiz im Wachstum ihrer Strukturen und Institutionen bis ins 20. Jahrhundert hinein verfahren ist. Und ja, wir waren erfolgreich mit dieser Aussenpolitik, das lässt sich nicht bestreiten. Tatsache ist indessen auch, dass sich die Rahmenbedingungen unserer Aussenpolitik in den letzten hundert Jahren fundamental verändert haben. Sollte die Schweiz also heute mehr tun? Ja, selbstverständlich, und das hat mit dem veränderten Rahmen zu tun: Die Schweiz existierte für lange Zeit als

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«Die bewaffnete Neutralität ist eine Lebenslüge»

Im Ukrainekonflikt wird der Schweiz von Russland und China vorgeworfen, sie sei nicht mehr neutral. Gleichzeitig rügen Vertreter westlicher Länder, die Schweiz tue nicht genug für die Ukraine. Macht die Schweiz nun zu wenig oder zu viel? Paul Widmer: Mit dem Entscheid des Bundesrates am 24. Februar 2022, die EU-Sanktionen gegen Russland zu übernehmen, haben wir einen Fehler begangen. Die Schweiz sandte sowohl nach innen wie nach aussen ein völlig falsches Signal. Nicht nur Russlands Präsident Putin fand, die Schweiz sei nicht mehr neutral, sondern auch US-Präsident Biden. Die Reaktion in der Weltpresse war nicht anders. Wenn die beiden Hauptantagonisten in diesem Krieg denken, die Schweiz sei nicht mehr neutral, dann haben wir etwas falsch gemacht, in der Kommunikation und der Sache

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