Es sollte nicht länger der Ausdruck „Staatsräson“ in Bezug auf unsere Beziehungen zum Staat Israel genutzt werden

Ich habe Jura studiert. Während meines Studiums kam das Wort nicht vor. Es steht auch nicht im Grundgesetz. Nur wer sich mit Rechtsgeschichte beschäftigt hat, ist um das Jahr 1500 bei Machiavelli auf den Begriff Staatsräson gestoßen. Seine Thesen hatten nichts mit Demokratie zu tun. Der Fürst übte uneingeschränkte Gewalt aus, um den Staat und seine eigene Macht zu erhalten. Recht, Moral oder der Wille der Bürger spielten keine Rolle. Der Zweck des Staates – seine Staatsräson – war der Fortbestand des Staates gegen jegliche Gefährdung. Wie konnte ein solches Wort in die Rede der deutschen Bundeskanzlerin vor der Knesset am 18. März 2008 Einzug halten?

Erstmals vier Jahre zuvor wurde die Sicherheit Israels in einem Essay des damaligen deutschen Botschafters in Israel, Rudolf Dreßler, als deutsche Staatsräson bezeichnet. Dreßler war langjähriger Abgeordneter der SPD im Bundestag und hatte keine vertieften Studien der Rechtsgeschichte absolviert. Es ist also wahrscheinlich, dass die geistigen Wurzeln der Wiederbelebung des Begriffs bei israelischen Gesprächspartnern zu finden sind. Trotzdem hat die Kenntnis solcher historischer Zusammenhänge nicht zu einem verbreiteten Sprachgebrauch der Staatsräson in israelischen Medien geführt. Niemand unter den mir bekannten und hebräisch sprechenden Kennern Israels hat davon gehört. Bisher hat sich niemand dazu bekannt, wer die Staatsräson in den Entwurf für Merkels Rede vor der Knesset eingefügt hat und die Kanzlerin davon überzeugt hat. Es gibt jedoch Indizien, die auf eine Einwirkung von außen hinweisen.

Trotzdem tragen heute viele Politiker die Staatsräson wie eine Monstranz vor sich her, um jede Israelkritik zu verhindern. Tatsächlich weiß jedoch niemand, wie man diesen Begriff verstehen sollte. Auch Frau Merkel hatte Schwierigkeiten damit und musste einen Satz mit der Einleitung „Das heißt“ nachschieben, um ihre Aussage zu präzisieren. Es ist merkwürdig, dass sie sich dann bereits im nächsten Satz selbst widersprochen hat. Sie erwähnte die Nuklearverhandlungen mit dem Iran, bei denen es letztendlich darum ging, dass Israel die einzige Nuklearmacht in der Region bleiben sollte. Somit wurde bereits über die Sicherheit Israels verhandelt. Die Definition der Staatsräson enthielt also keine belastbare neue Substanz. Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass eine Staatsräson nicht mit unserem Grundgesetz vereinbar ist und die Meinungsfreiheit und Menschenwürde verletzt

Original Artikel Teaser

Der Begriff „Staatsräson“ sollte in unseren Beziehungen zum Staat Israel nicht mehr verwendet werden

Ich habe Jura studiert. In meinem Studium kam das Wort nicht vor. Jedenfalls steht es nicht im Grundgesetz. Nur wer sich mit Rechtsgeschichte befasste, stieß um das Jahr 1500 bei Machiavelli auf den Begriff Staatsräson. Dessen Thesen hatten mit Demokratie rein gar nichts zu tun. Von Gerhard Fulda. Der Fürst übte die Gewalt aus, um den Staat und seine eigene Macht zu erhalten – ohne irgendwelche Einschränkungen. Er durfte lügen und betrügen, einsperren und töten. Recht, Moral oder der Wille der Bürger spielten keine Rolle. wenn er glaubte, fremde Mächte nicht anders abwehren zu können. Der Zweck des Staates – seine Staatsräson – war der Fortbestand dieses Staates gegen jegliche Gefährdung. Wie konnte ein solches Wort Eingang finden in den

Details zu Der Begriff „Staatsräson“ sollte in unseren Beziehungen zum Staat Israel nicht mehr verwendet werden