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Franz Beckenbauer verkörperte, was das Land niemals war

Published On: 13. Januar 2024 8:22

Beckenbauer war nicht für die typischen deutschen Tugenden bekannt. Ohne Blut, Schweiß und Tränen tanzte er an die Spitze und wurde dafür bewundert. Statt Verbissenheit zeigte er Ballkontrolle, statt Kampf Lockerheit. Seine Überlegenheit lag in Intelligenz und Körperbeherrschung. Der berühmteste Deutsche ist gestorben und mit ihm das Bild von einem besseren Land. Er symbolisierte einen Traum, der nun vorbei ist: die unerträgliche Leichtigkeit einer Republik, die es nicht mehr gibt.

Bezeichnenderweise wurde Beckenbauers unsinnigster Satz in keinem Nachruf erwähnt. Nachdem er kurz nach dem Mauerfall als Trainer die Weltmeisterschaft gewonnen hatte, war er vom neuen Nationalrausch infiziert und sagte: Nun wird Deutschland (im Fußball) für Jahre unbesiegbar sein. Hybris kommt vor dem Fall. Das Ansehen der Nationalmannschaft sinkt seit Jahren und sie spiegelt den Niedergang der Republik wider. Mit dem Tod von Beckenbauer endet eine schöne Illusion, die in der alten Bonner Republik einmal greifbar schien.

Beckenbauer selbst musste die Widerwärtigkeit des selbstverschuldeten Abstiegs der Nation spüren. Er brachte das Sommermärchen nach Deutschland, ohne mit Transparency International zusammenzuarbeiten. Eine vergleichsweise lächerliche Bestechungssumme an einen FIFA-Funktionär kostete ihn seinen Ruf und wahrscheinlich auch seine Gesundheit. Es war jedoch nicht nur die Affäre Beckenbauer, sondern der Skandal eines Landes, das vom Moralismus erstickt wird und von Correctness und Wokeness stranguliert ist. Die einstige Leistungs- und Erfolgsgesellschaft verzichtet lieber auf Erfolg und versucht, die Welt am deutschen Wesen zum Besseren zu transformieren. Das betrübliche Ende der Lichtgestalt Beckenbauer beleuchtet diesen Weg.

Mehr als jeder andere Deutsche stand Beckenbauer einst für etwas ganz anderes. Er glänzte nicht mit den sogenannten deutschen Tugenden, sondern tanzte ohne Blut, Schweiß und Tränen an die Spitze und wurde dafür bewundert. Statt Verbissenheit zeigte er Ballkontrolle, statt Kampf Lockerheit. Offenbar war er sogar in der Lage, die Gesetze der Physik zu überwinden und allen Schwierigkeiten mühelos aus dem Weg zu gehen. War das nicht der Traum der alten Bundesrepublik? Sie hatte das Jammertal ihrer Geschichte verlassen, aber ohne es auf sonnigen Höhen auszuhalten. Die „heiteren“ Olympischen Spiele in München 1972 standen ebenfalls symbolisch dafür – nicht zufällig waren die Siebziger auch die besten Jahre des Fußballspielers Beckenbauer. In dieser Zeit hatte das Wirtschaftswunder seinen Höhepunkt erreicht und überschritten.

Wenn es dem Esel zu wohl wird, geht er auf’s Eis. Es ist kein Zufall, dass sich gerade dort die grüne Bewegung zu formieren begann. Der Philosoph Odo Marquard brachte diesen Wendepunkt auf den Punkt: „Als man sich in der Bundesrepublik vom schlechten Gewissen darüber, dass Ungehorsam und Aufstand gegenüber der nationalsozialistischen Diktatur in der Regel unterblieben war, nicht mehr durch die Mühen des Wiederaufbaus ablenken konnte, holte man diesen Ungehorsam und Aufstand nach: absurderweise jetzt – mit dem Feindbegriff des Vorhandenen (…) Offenbar braucht man das Gewissen nicht mehr selber zu haben, wenn man das Gewissen für andere wird.“ So vollzog sich der grundlegende Wandel „vom Gewissenhaben zum Gewissensein“. Was die Republik heute so erschüttert, ist, dass die Vernunft auf der Strecke bleibt und die Aufstiegsgesellschaft zur Abstiegsgesellschaft wird, die sich nicht mehr einfach nur an der erfolgreichen Leichtfüßigkeit eines Beckenbauer erfreuen möchte.

Ein Kind im zerstörten München wird allein durch Talent und eigene Leistung zum Idol. „Geht raus und spielt Fußball!“ soll er seinem Team vor dem Endspiel in Rom gesagt haben. Damit löste er das Problem der talentarmen Allesbedenker, die das Land sonst überall beherrschen. Das Glückskind, der Olympier. Er verkörperte die Verheißung, die die Bonner Republik für einen kurzen Moment erahnen ließ. Auch sie wollte auf dem Feld der Weltpolitik wie ein Libero erscheinen, der keine Gegenspieler mehr hat. Exportweltmeister, verliebt ins Gelingen. Beckenbauer gab eine Vorstellung von Freiheit, der diese Gesellschaft unter der Knute ihrer Mentalität stets misstraute. „Der Kaiser“ stand für dieses Land in seinem glücklichsten Moment mehr als alle seine Künstler, Unternehmer und Wissenschaftler. Beckenbauer war – mehr noch als Willy Brandt in der Politik – Repräsentant einer schönen Illusion. Wir trauern um sie. Wenn Ihnen unser Artikel gefallen hat: Unterstützen Sie diese Form des Journalismus

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Franz Beckenbauer repräsentierte, was das Land nie war

Beckenbauer glänzte nicht mit den sogenannten deutschen Tugenden. Ohne Blut, Schweiß und Tränen tänzelte er an die Spitze, wurde genau dafür bewundert. Ballbeherrschung statt Verbissenheit. Lockerheit statt Kampf. Überlegenheit durch Intelligenz und Körperbeherrschung. Der berühmteste Deutsche ist tot. Und mit ihm das Trugbild von einem besseren Land. Er symbolisierte einen erloschenen Traum: die unerträgliche Leichtigkeit einer Republik, die es nicht mehr gibt. I. Bezeichnenderweise kam Beckenbauers unsinnigster Satz in keinem Nachruf vor. Als er kurz nach dem Mauerfall als Trainer die Weltmeisterschaft gewonnen hatte, war auch er vom neuen Nationalrausch infiziert und sagte: Nun werde auf Jahre hinaus Deutschland (im Fußball) unbesiegbar sein. Hybris kommt vor dem Fall. Seit Jahren sinkt das Ansehen der Nationalmannschaft, und sie wurde zum Spiegel

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